Klage gegen das Erzbistum Köln:

830.000 Euro Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer gefordert

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830.000 Euro – so viel Schmerzensgeld fordert ein Missbrauchsopfer vom Erzbistum Köln. Die Klägerin, Melanie F., ist heute 56 Jahre alt und erfuhr als Kind und Jugendliche von ihrem Pflegevater, dem früheren Priester und verurteilten Serientäter Hans Ue., jahrelang schwere sexuelle Gewalt. Die Vorgesetzten des Täters, bis hinauf zum Erzbischof, hätten ihre Kontrollpflicht vernachlässigt und damit die Taten erst ermöglicht. Beobachter erwarten von der Klage eine Signalwirkung für andere Betroffene – für die Bistümer kann es nach Jahrzehnten der Vertuschung noch richtig teuer werden.

Wie Melanie F.s Anwalt Eberhard Luetjohann gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, ist die Klageschrift am Dienstag beim Kölner Landgericht eingegangen. Neben der Entschädigung für entstandenes körperliches und seelisches Leid werden darin zusätzlich weitere 20.000 Euro als "materieller Vorbehalt für weitere Kosten" wie Therapien gefordert.

Durch den fortgesetzten Missbrauch wurde die junge Frau zweimal ungewollt schwanger. Die erste Schwangerschaft sei von ihr damals nicht bemerkt worden. Jedoch habe der Pflegevater bei ihr einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, ohne sie über die Natur des Eingriffs aufzuklären. Auch der Frauenarzt habe sie nicht darüber informiert. Bei einer zweiten Schwangerschaft habe sie sich selbst für den Abbruch entschieden.

Der Fall des Serientäters Ue. hatte bereits im Februar 2022 für Aufsehen gesorgt, als dieser vom Kölner Landgericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er während seines Priesteramts neun Mädchen in mehr als hundert Fällen missbraucht hat. Zudem wurde er vom Papst aus dem Klerikerstand entlassen – die höchste Strafe für einen katholischen Kirchenmann.

Nun wird das Erzbistum Köln als damaliger Arbeitgeber des Täters in die Pflicht genommen, weil die Vorgesetzten ihrer Verantwortung für das Wohlergehen der Pflegekinder nicht nachgekommen seien – Anwalt Luetjohann spricht von Kontrollversagen. Der damalige Kölner Erzbischof, Kardinal Joseph Höffner, erteilte dem Priester damals ausdrücklich die Genehmigung, die Vormundschaft für die damals Zwölfjährige und einen zwei Jahre älteren Jungen zu übernehmen, ein außergewöhnlicher Vorfall. Der erzbischöflichen Auflage, zur Versorgung der beiden früheren Pflegeheimzöglinge eine Haushälterin einzustellen, kam der Priester nicht nach – und die Chefetage beließ es offenbar dabei. Somit war Melanie F. dem Täter ausgeliefert, ohne eine Erwachsene als Ansprechpartnerin im Haushalt.

Die Taten ereigneten sich in den 1970er und 80er Jahren und sind damit aus strafrechtlicher Sicht verjährt. Würde sich das Erzbistum jedoch angesichts der Klage auf die Verjährung berufen, läge nach Luetjohanns Einschätzung Rechtsmissbrauch vor. Nach jahrzehntelanger systematischer Vertuschung wäre damit der "Marianengraben der Unmoral erreicht".

Für Anwalt Luetjohann ist es nicht die erste große Klage im Namen von Opfern des Missbrauchs durch katholische Priester. Er vertrat bereits den Betroffenen Georg M., dem das Kölner Landgericht im Juni 300.000 Euro Schmerzensgeld zusprach. Weitere Klagen sind zu erwarten. Inzwischen hätten sich rund 250 Personen gemeldet, die wegen Missbrauchs durch Priester juristischen Rat und Unterstützung suchten, so der Jurist gegenüber der Zeit.

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