Wegweisende Entscheidung des Landgerichts Köln

300.000 Euro für Missbrauchsopfer

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Mit öffentlichen Aktionen versuchen Betroffeneninitiativen immer wieder auf das Thema "Kindesmissbrauch" aufmerksam zu machen – hier Mitglieder des "Eckigen Tischs" und Aktivisten der Giordano-Bruno-Stiftung mit dem "Hängemattenbischof" vor dem Kölner Dom im Mai 2021.

Am Dienstag hat das Landgericht Köln das Erzbistum Köln zur Zahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld an einen Missbrauchsbetroffenen verurteilt. Das ist der erste Fall, in dem ein Gericht einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch Priester der katholischen Kirche eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgelds zuspricht.

Der Eckige Tisch, eine Organisation, der die Interessen von Betroffenen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen speziell im Kontext der katholischen Kirche vertritt, hat dazu eine Presseerklärung verfasst, die der hpd hier in Gänze veröffentlicht:

Erklärung zum Urteil des Kölner Landgerichts zur Entschädigung im Fall von Georg M.

13 Jahre nach der Aufdeckung des katholischen Missbrauchsskandals gibt es nun erstmals ein Urteil eines deutschen Gerichts, das einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch Priester der katholischen Kirche eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgelds für die erlittene Gewalt und die Folgen im Leben des Betroffenen zuspricht, und dabei die institutionelle Verantwortung der Kirche für diese Verbrechen berücksichtigt.

Dies ist ein wichtiges Signal für Tausende ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland. Die Kirche haftet für die Verbrechen ihrer Priester, Bischöfe und Ordensvorgesetzten.

Bisher hat die Kirche sich beharrlich geweigert, mit Betroffenenvertretern über eine angemessene Entschädigung zu sprechen und einen Kompromissvorschlag, der 2019 von Expertinnen im Auftrag der Bischofskonferenz erarbeitet worden war, schlicht beiseitegeschoben. Dieser Vorschlag sah abgestufte Schmerzensgelder zwischen 40.000 und 400.000 Euro vor, mit einer Präferenz für pauschalierte Zahlungen in Höhe von 300.000 Euro für jedes Opfer.

Stattdessen setzte die Kirche das 2011 von ihr nach dem Missbrauchsskandal einseitig eingeführte System der so genannten Anerkennungszahlen unter neuem Namen fort. Statt zuvor 5.000 Euro sollten Betroffene auf Antrag nun bis zu 50.000 Euro erhalten, wobei die tatsächlich angebotenen Zahlungen im Mittel bei 15.000 Euro lagen. Nur in Einzelfällen − insbesondere bei größerem medialem Druck oder besonderen Umständen − wurden auch höhere Zahlungen bekannt.

Bei der Vorstellung des überarbeiteten kirchlichen Anerkennungsverfahrens erklärte Bischof Bätzing, man wolle sich künftig am oberen Rand der von staatlichen Gerichten in vergleichbaren Fällen ausgeurteilten Entschädigungen orientieren.

Nun haben wir erstmals in Deutschland eine solche Gerichtsentscheidung und es zeigt sich, dass die Vertreter der katholischen Kirche seit mehr als einem Jahrzehnt die Opfer hingehalten und versucht haben, sie mit symbolischen Zahlungen ruhigzustellen − im Wissen, dass die Zeit gegen die Betroffenen und für die Kirche arbeitet.

Eckiger Tisch hat seit 2010 immer wieder angemessene Entschädigungen gefordert. Wir erneuern diese Forderung. Zugleich werden wir allen Betroffenen, die sich an uns wenden, künftig raten, sich anwaltlich unterstützen zu lassen, um ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.

Dies wird ein belastender Weg. Und für viele Betroffene gilt: Es läuft uns die Zeit davon. Aber wir sehen keine andere Möglichkeit, weil sich die Kirche bislang weigert, tatsächlich Verantwortung für ihr institutionelles Versagen zu übernehmen. Leider hat die Politik es ihrerseits am "Runden Tisch Kindesmissbrauch" versäumt, auf einer Entschädigungsregelung für die Opfer der Kirche zu bestehen. Nun ist der Rahmen für eine solche Entschädigung auch gerichtlich beschrieben worden. Es wird Zeit.

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