Als erstes Land Europas hat Italien die Herstellung von Fleisch aus der Retorte verboten. Die Befürworter berufen sich auf den Schutz von traditionellen Produkten. Während der Bauernverband Coldiretti das neue Gesetz begrüßt, hagelt es Kritik von Oppositionspolitikern sowie von Tier- und Umweltschützern.
Tradition, heimische Produkte und die Gesundheit der Italiener, all das sei in Gefahr, wenn Italien Laborfleisch in die Läden und auf den Teller ließe. Das behauptet Davide Bergamini, der für die rechte Partei Lega im italienischen Parlament sitzt. Inwieweit die Produkte gesundheitsgefährdend sein sollen, ließ er dabei offen.
Wie Bergamini denken offenbar viele im Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Kürzlich verabschiedeten die beiden Parlamentskammern einen Gesetzentwurf, der Herstellung und Verkauf von Fleischprodukten aus der Retorte verbietet. Es drohen Geldstrafen zwischen 10- und 60.000 Euro. Zudem dürfen pflanzliche Alternativprodukte nicht mehr unter alltagsnahen Namen wie "Salami" oder "Steak" angeboten werden.
Laborfleisch – auch Retorten- oder In-vitro-Fleisch genannt – gilt als Alternative zu Produkten aus Tierschlachtung. Anders als herkömmliche Fleischalternativen, etwa Tofu- oder Seitanprodukte, wird es in Zellkulturen aus den Stammzellen lebender Tiere in einer Nährlösung gezüchtet. Durch Weiterverarbeitung des so entstandenen Muskel- und Fettgewebes erhält man Produkte mit ähnlichem Geschmack und Nährstoffgehalt wie herkömmliches Fleisch.
Befürworter versprechen sich von der neuen Technologie ökologische Vorteile und eine Abkehr von Tierleid in der Lebensmittelproduktion. Doch noch ist die Herstellung teuer und verbraucht viel Energie. Zudem benötigt man derzeit noch Stoffe aus dem Blut von ungeborenen Kälbern. Ganz ohne Tierleid geht es also gegenwärtig nicht, während an alternativen Verfahren geforscht wird.
Die Viehzucht ist eine bedeutende Branche in Italien. Im vergangenen Jahr wurden dort Rind- und Schweinefleischprodukte im Wert von 6,3 bzw. 8,4 Milliarden Euro verkauft. Da erstaunt es wenig, dass Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida für das Gesetz plädiert hatte. Nach seinen Worten diene es dem "Schutz der menschlichen Gesundheit und des landwirtschaftlichen Erbes".
Dagegen sieht die NGO Good Food Institute Europe (GFI) in dem Verbot einen Schritt in die falsche Richtung. Dazu GFI-Beraterin Francesca Gallelli: "Dieser Gesetzentwurf nimmt den Verbrauchern nicht nur die Wahl, sondern isoliert Italien auch von den Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen, die diese aufstrebende Branche bietet."
Die politische Opposition spart ebenfalls nicht mit Kritik. Denn derzeit gibt es noch gar kein Laborfleisch auf dem italienischen Markt. Für das Produkt wurde noch gar keine Zulassung beantragt. Deshalb können die Regierung die Vermarktung gar nicht verbieten, argumentiert etwa die Südtiroler Senatorin Julia Unterberger (SVP). Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die EU künftig Laborfleisch zulassen wird. Ein Konflikt mit Italien wäre dann vorprogrammiert.
In einigen Ländern sind Fleischprodukte aus der Retorte schon jetzt auf dem Markt. In Singapur darf es seit Ende 2020 verkauft werden, die USA haben den Verkauf diesen Sommer erlaubt, wenn auch nur in Restaurants. Für die EU hat ein deutsches Unternehmen im Herbst die Zulassung bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit beantragt.