Am vergangenen Dienstag, dem zehnten Jahrestag des Anschlags, kamen in Frankfurt am Main rund 60 Gäste zusammen, um bei einer Gedenk- und Informationsveranstaltung an das Attentat auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo zu erinnern, bei dem zwölf Menschen von Islamisten ermordet wurden.
Unter dem Veranstaltungstitel "Das Recht, Gott lächerlich zu machen" setzte auch der HVD Frankfurt/Gießen ein Zeichen für die Notwendigkeit, die Offene Gesellschaft und die Meinungsfreiheit – einschließlich der Kritik an Religionen – zu verteidigen.
"Es geht weder uns, noch ging es Charlie Hebdo darum, religiöse Menschen lächerlich zu machen. Wir sehen die Freiheit, Religionen auch mittels der Satire kritisieren zu dürfen, als unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft. Die Befindlichkeit von gesellschaftlichen Gruppen und eben auch von Religionen darf nicht Maßstab sein dafür, wie viel Meinungsfreiheit erlaubt ist", so Andreas Grimsehl, erster Vorsitzender des HVD Frankfurt/Gießen.
Der Abend begann mit einer hervorragenden Lesung des Schauspielers Peter Strauß aus dem Buch des Anwalts von Charlie Hebdo, Richard Malka, "Das Recht, Gott lächerlich zu machen"; eine erweiterte Fassung des Plädoyers Malkas, das er 2020 vor dem Pariser Strafgerichtshof hielt. Strauß machte deutlich, dass er die Namen der Täter bewusst nicht nennen werde, da es "wie Malka selbst sagt, im Kern nicht um die Bestrafung von einzelnen Verbrechern geht, sondern um eine Denkweise, die ihren Taten den perversen Anschein von Legitimität verleihen will. Unser Andenken soll den Ermordeten gehören, nicht ihren Mördern."
Gewählt wurden Ausschnitte des Buches zur Geschichte der drei, von islamistischen Imamen frei erfundenen und letztendlich für den im Anschluss folgenden Flächenbrand verantwortlichen, Mohammed-Karikaturen im Jahr 2006, zum Selbstverständnis von Charlie Hebdo wie auch zur zunehmenden gesellschaftlichen Tendenz, das Recht auf "Blasphemie" einzuschränken. In Frankreich hatte man bereits 1791, kurz nach der Revolution, das "Verbrechen" der Blasphemie aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Doch der Geist der Revolution ist auf dem Rückzug: Im Jahr 2006 brachten zwei französische Parlamentsabgeordnete der Union pour un mouvement populaire (UMP) einen Gesetzesvorschlag ein, um den Straftatbestand der Blasphemie wieder einzuführen. Ein nicht unerheblicher Teil des Plädoyers Malkas und so auch der Lesung, widmete sich den öffentlichen Reaktionen der "Verwöhnten der Republik", so Malka, denen, die in die Glut der Lunte der Attentate geblasen hätten. Sie stempelten die Opfer zu rassistischen Tätern, ein Verhalten, das man aus demokratischer Sicht nur als extrem fragwürdig wie auch extrem geschichtsvergessenen bezeichnen kann.
Malka stellte in seinem Plädoyer fest: "Es liegt an uns – und nur an uns –, die wir uns engagieren, nachdenken, analysieren und manchmal auch ein Risiko eingehen, so frei zu bleiben, wie wir es wollen. Wir, und niemand anders, müssen die Worte finden, sie aussprechen, sie aufschreiben, um das Geräusch der Klingen, die an unseren Kehlen kratzen, zu übertönen. Es liegt an uns, zu lachen, zu zeichnen, unsere Freiheit zu genießen, erhobenen Hauptes zu leben, angesichts der Fanatiker, die uns ihre Welt der Neurosen und der Frustrationen aufzwingen wollen." Strauß schloss seine Lesung mit der Frage: "Wollen wir Charlie sein oder nicht? Es ist unsere Entscheidung."
Dass "Blasphemie" heute auch in Deutschland immer noch ein Thema ist, zeigte der Vortrag zum "Gotteslästerungsparagraphen" 166 StGB von Gunnar Schedel (Alibri Verlag, Projekt 48), der sich seit über 30 Jahren mit dem Thema auseinandersetzt. Er informierte über die Geschichte der Blasphemiegesetzgebung und zeigte anhand konkreter Beispiele, wie die deutsche Sondergesetzgebung für Religionen immer wieder genutzt wird, Religionskritik zu verhindern. "Blasphemie" werde als Gefährdungsdelikt behandelt und so würden Opfer von Fundamentalisten zu Tätern, die Täter zu Opfern einer "Provokation". Der Paragraph 166 mache zudem vor allem eine intolerante Interpretation von Religion zum Maßstab.
Andreas Grimsehl
Bei der anschließenden Gesprächsrunde hatten die rund 60 Gäste die Möglichkeit, Fragen zu stellen – vor allem aber frei ihre Meinung zu äußern. Interesse gab es daran, wie hoch die Anzahl der Verurteilungen nach Paragraph 166 ist, und wie sich die rechtliche Situation in anderen europäischen Staaten darstellt. Tatsächlich hatten skandinavische Länder ihre Blasphemiegesetze abgeschafft, in Dänemark ist jedoch seit 2023 die "unangemessene Behandlung" religiöser Schriften strafbar (der hpd berichtete). In Großbritannien wurde ein Gesetz, das ausschließlich die christlichen Bekenntnisse schützte, gestrichen und seitdem ist der "Racial and Religious Hatred Act" für die Kontrolle der Kommunikation über Religion zuständig. In Österreich und Griechenland bestehen dagegen dem Paragraphen 166 StGB vergleichbare Regelungen. Warum ausgerechnet im katholischen Italien "Gotteslästerung" nur als Ordnungswidrigkeit gilt, ließ sich nicht klären. Für die Anwendung des Paragraphen 166 StGB zum Schutz einer säkularen Weltanschauung fiel Schedel kein Beispiel ein: Alle ihm bekannten diesbezüglichen Strafanzeigen führten zu nichts, die Ermittlungen wurden stets eingestellt.1
Bei Beantwortung der Frage, wie die Parteien mit diesem Thema umgehen – eher religionspositiv –, ging auch Schedel kurz auf die deutschen "Verwöhnten der Republik" ein. Vor allem Teile der Linken bildeten sich ein, dass ausgerechnet Islamisten die ersehnte Revolution für sie erkämpfen würden.
Begleitend zur Veranstaltung wurden auf Stellwänden die bekannten Titelbilder von Charlie Hebdo präsentiert und mittels Plakaten an das Ausmaß der Anschläge und namentlich an die Opfer erinnert. Gezeigt wurden zudem Aufnahmen des Fotografen Peter Jülich, der nach der großen Anschlagsserie in Paris im November 2015 die Trauer, aber auch den Zusammenhalt und den Widerstandsgeist von Bürger:innen der Stadt dokumentierte.
1 Hinweis der Redaktion: Dieser Absatz wurde nachträglich umformuliert.