Zum dritten Mal hat Projekt 48 anlässlich des Atheist Day am vergangenen Sonntag eine Liste der säkularen Gefangenen veröffentlicht. Damit soll alljährlich daran erinnert werden, dass ein Bekenntnis zum Atheismus, ein profaner Umgang mit Göttern und Heiligkeiten oder die Forderung nach einer säkularen Gesellschaftsordnung in vielen Staaten mit Gefängnis bestraft werden. Dieses Jahr wurden besonders dramatische Beispiele ausgesucht: Drei der vier Inhaftierten sitzen derzeit in der Todeszelle.

(Grafik: Projekt 48)
Gleichzeitig beteiligten sich wieder mehrere säkulare Gruppen an der seit einigen Jahren stattfindenden Fotoaktion zum Atheist Day. Diesmal schickten nicht nur säkulare Aktivist:innen ihre Selbstporträts mit politischem Slogan. Projekt 48 hatte Künstler und Karikaturistinnen gefragt, ob sie etwas zum Atheist Day beitragen wollen und besonders auf die Situation in den USA verwiesen – und einige hatten sehr witzige Ideen...
Witzigkeit führt ins Gefängnis...
Witzig gemeint war es sicherlich auch, als die TikTok-Influencerin Ratu Entok (die mit bürgerlichem Namen Ratu Thalisa heißt) spontan auf einen gehässigen Kommentar während eines Livestreams reagierte. Ein Nutzer hatte die Transfrau aufgefordert, sich die Haare zu schneiden, um "männlicher" auszusehen. Daraufhin holte sich Ratu Thalisa ein kitschiges Jesus-Bildchen auf ihr Smartphone und sprach "Jesus" an: "Du solltest nicht wie eine Frau aussehen. Du solltest dir die Haare schneiden, damit du wie sein Vater [also der Vater des Kommentarschreibers] aussiehst." Nachdem mehrere christliche Gruppen Anzeige wegen Blasphemie erstattet hatten, wurde Ratu Thalisa Anfang März zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Bereits auf der Liste 2024 hatte sich der Fall einer anderen indonesischen Influencerin gefunden, die wegen einer belanglosen Bemerkung in Haft musste. Sie ist seit November wieder auf freiem Fuß.
...ein Lied führt in die Todeszelle

Noch erschreckender ist der Fall des nigerianischen Sängers Yahaya Aminu Sharif (der hpd berichtete). Im Februar 2020 teilte der damals 22-Jährige ein Lied auf WhatsApp, in dem er seine Bewunderung für einen religiösen Sufi-Führer ausdrückte. Dies wurde von der islamischen Rechten als Herabsetzung des Propheten Mohammed wahrgenommen. Nach Unruhen wurde Aminu Sharif verhaftet und von einem islamischen Gericht im Bundesstaat Kano zum Tod durch Erhängen verurteilt. Im Januar 2021 hob das Berufungsgericht des Bundesstaates Kano das Todesurteil auf und ordnete ein Wiederaufnahmeverfahren an. Seitdem ist nichts weiter passiert, der junge Mann sitzt nach wie vor in der Todeszelle.
In einer ähnlichen Situation befindet sich der pakistanische Universitätsdozent Junaid Hafeez. Er wurde aufgrund seiner liberalen Einstellungen denunziert, mutmaßlich von studentischen Anhängern von Jamaat-e-Islaami, einer Organisation der islamischen Rechten. Ihm wurden diverse Verstöße gegen den pakistanischen Blasphemie-Paragrafen (Artikel 295 A-C) vorgeworfen. Im März 2013 verhaftet, dauerte es bis Dezember 2019, bis ein erstes Urteil erging: Für verschiedene Vergehen wurde er zu zehn Jahren Haft, zu lebenslänglich und zum Tode verurteilt. Nach endlosem Warten sollte der Oberste Gerichtshof von Lahore am 19. März 2025 über die Berufung gegen das Todesurteil entscheiden, die Verhandlung wurde jedoch kurzfristig und ohne Angabe von Gründen abgesetzt.
Blasphemievorwurf als Waffe gegen Oppositionelle

Neben Pakistan ist es vor allem der Iran, der durch einen inflationären Gebrauch des Blasphemievorwurfes auffällt. Doch während in Pakistan bislang in jüngerer Zeit kein Todesurteil vollstreckt worden ist, sieht dies im Iran anders aus. So musste bei der Veröffentlichung der letztjährigen Liste vermeldet werden, dass zwei der 2023 vorgestellten Gefangenen mittlerweile hingerichtet worden waren.
Dasselbe Schicksal droht nun auch Shahriar Bayat. Der 64-Jährige war im September 2022 während der "Frau, Leben, Freiheit"-Proteste verhaftet worden. Ihm werden seine Social Media-Aktivitäten zur Last gelegt. Dabei soll er Bilder gepostet zu haben, die vom Gericht als Beleidigung des Propheten und Entweihung islamischer Heiligtümer gewertet wurden. Im Februar 2024 erging das Todesurteil, über die eingelegten Rechtsmittel hat der Oberste Gerichtshof noch nicht entschieden. Allerdings hat sich Bayats Gesundheitszustand aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung in den letzten Monaten rapide verschlechtert.
Eine ausführlichere Darstellung der vier Beispiele sowie ein Rückblick auf die in den vergangenen Jahren vorgestellten Gefangenen findet sich auf der Website von Projekt 48.
