Man konnte keine Zeitung aufschlagen, kein Radio, keinen Fernseher in Betrieb nehmen, ohne
dass einen der Ratzinger angesprungen ist. Aufgeregt, in tiefster Frömmelei und jappsender Begeisterung wurde hofberichterstattet, dass es nur so kleschte!
WIEN. Der ORF tobte volle 16 Stunden durchs Papst-Gelände. Der Singsang über dieses Überdrüberereignis, das anscheinend alle Menschen zu ergreifen hatte, brachte allenorts auch Nackenhaare zum Sträuben und Zehennägel zum Einrollen.
Am 9.9. flog der Ratzinger wieder nach Rom und dieser kindische Zirkus war vorbei. Die ÖsterreicherInnen können nun wieder ihr weitgehend religionsfreies Leben ohne Behinderung durch religiöse Hysterie in den Massenmedien leben.
Die Leute hat der Papstbesuch kaum interessiert
Es gibt ca. fünfeinhalb Millionen Katholiken in Österreich, der Pilger Ratzinger, der zum 850-Jahr-Jubiläum in Mariazell kam, feierte vor mühsam aufgetriebenen - nach offiziellen Angaben - 33.000 Zuschauern eine Messe. Unter den Katholiken, die daheim geblieben waren, gab es sehr mäßige Nachfrage: 395.000 sahen am 8.9. die TV-Übertragung, das sind ca. 7 % der katholischen ÖsterreicherInnen, für die der Papst nicht nur das Kirchenoberhaupt, sondern sogar auch "Gottes Stellvertreter auf Erden" darstellen müsste. Vizegott Ratzinger und seine Messfeier waren ihnen laut ORF-Quote zu 93 % wurscht.
Die ORF-Quoten vom Freitag 7.9. zeigten schon das Desinteresse, keine der 5 (!) Papst-Sendungen kam in die Top 10, die höchste Zuschauerzahl (18h Festakt in der Hofburg) lag bei 414.000 und damit war das Zuschauerinteresse knapp hinter dem, das die Pause (!) der Fußballländerspiels gegen Japan erweckte.
Beim Innenstadtauftritt in Wien waren nach offiziellen Angaben gerade mal 7.000 Zuschauer, darunter sehr viele SchülerInnen aus katholischen Privatschulen.
Die katholische Kirche behauptet, jeden Sonntag gingen über 900.000 Katholiken zur Sonntagsmesse, bei Meinungsumfragen sagen 15 %, (das wären auch über 800.000) sie gingen regelmäßig zur Kirche. Dann liest der Papst im Wiener Stephansdom die Sonntagsmesse, dazu hat man 50.000 Hostien für eine Massenausspeisung mit dem Leib des Herrn vorbereitet. Nach offiziellen Zahlen kommen 20.000 auf den Platz vor dem Dom zusammen (auf den wenigen Totalaufnahmen im Fernsehen sind weitaus keine 20.000 zu sehen), die ORF-Quote der Mess-Übertragung weist matte 360.000 Zuseher aus. Gläubige hätten sich also bloß bequem in den Schaukelstuhl setzen und den Fernseher einschalten müssen. Sie haben es nicht gemacht. Wohl deshalb, weil es unter den Millionen katholischen Kirchenmitgliedern nur wenige wirklich Gläubige gibt. Von den fünfeinhalb Millionen römischen Katholiken in Österreich sind höchstens 500.000 wirklich gläubig, fünf Millionen bloße Mitgliedsbeitragszahler.
Die beste Frequenz des ORFlichen Papsthuldigungsprogramms hatte die Sendung am Sonntag um 19:17. Da ist normalerweise die Lotto-Ziehung. Viele der 781.000 ZuschauerInnen hatten den Fernseher wohl in gewohnter Ziehungserwartung aufgedreht.
Die vermeintliche Papst-Euphorie war nur eine kirchliche und eine mediale
95 Prozent der Leute war es wurscht oder es nervte sie dieses völlig aus den Fugen geratene Getue! Die katholische Kirche hat jedenfalls auf fremde Kosten eine große Werbeschau abgezogen. Erfolg wird das aber höchstwahrscheinlich keinen bringen, die "Wahrheit", die der Papst verkündete, ist nicht das, was die Menschen interessiert.
Der Benedikt ist kein TV-Star, trotz all der fanatischen Propaganda in allen Medien, der Schnulzensänger Hansi Hinterseer konnte am Samstagabend fast doppelt so viele Gläubige um sich versammeln.
Der Wetterbericht um 19h50 hatte 957.000 Zuschauer, die Messe um 10:30 in Mariazell 395.000, das ist etwas mehr als unter der Woche die Karlich-Schau oder die nachmittäglichen Soap-Operas haben ...
Im Abschlussbericht am 10. 9. musste das Blatt "Österreich" einbekennen: „Bescheidene Bilanz" ... Jedenfalls waren die drei Tage "kein Besuch der großen Massen", wie es ein Vatikan-Journalist formulierte. Insgesamt dürften nur rund 67.000 Gläubige zu den öffentlichen Auftritten von Benedikt gekommen sein.
Beim ersten Papstbesuch von Johannes Paul II. 1983 konnte die katholische Kirche in Österreich noch 600.000 Gläubige mobilisieren, 1988 noch mehr als 225.000 und 1998 - am Höhepunkt der kircheninternen Krise rund um die Causa Groër - immerhin 100.000.