(hpd) In einem 21 Jahre andauernden Bürgerkrieg wurden aus Uganda fast zwei Millionen Menschen vertrieben. Uganda ist zu 80 Prozent christlich, die Todesstrafe für Homosexuelle sollte 2009 gesetzlich festgeschrieben werden. Jetzt erschüttern neue Gräuel das Land: Kinder werden rituell verstümmelt und ermordet, um zahlungswilligen Emporkömmlingen Reichtum und Gesundheit zu sichern.
Der überwiegende Teil des folgenden Artikels stammt von Chris Rogers BBC News, Kampala, einige Teile sind dem Bericht der Jubilee Campaign entnommen.
Die Dörfer und landwirtschaftlichen Gemeinden, die Ugandas Hauptstadt Kampala umgeben, sind von Furcht überwältigt. Schulkinder werden auf ihrem Nachhauseweg von Lehrern und Eltern genau beobachtet. Auf Spielplätzen und am Straßenrand warnen Plakate vor der Verschleppungsgefahr durch Medizinmänner zum Zwecke des Kinderopfers.
Das Ritual, von dem einige glauben, es brächte Reichtum und Gesundheit, war bis vor etwa drei Jahren im Land noch unbekannt, aber es ist anscheinend an der Seite eines Wirtschaftsbooms in Uganda aufgetaucht. Die verstümmelten Körper von Kindern wurden an Straßenrändern gefunden, Opfer eines offenbar wachsenden Glaubens an die Kraft menschlicher Opfer.
„Geschäft mit dem Opfer“
Viele glauben, dass Mitglieder der neuen Elite des Landes Medizinmännern für die Opfer hohe Geldsummen zahlen, in dem Versuch, ihren Reichtum zu erhöhen.
Der Pastor Peter Sewakiryanga bringt in Kyampisi ansässigen Kindern ein Lied bei: Heile unser Land, beende Kinderopfer. Dutzende von Stimmen zu hören, wie sie derart schockierende Worte singen, versinnbildlicht, wie sehr Ritualmord hier zum alltäglichen Leben geworden ist.
„Kinderopfer haben zugenommen, weil Menschen Liebhaber von Geld wurden. Sie wollen reicher werden“, sagt der Pastor. „Sie glauben, dass man reich wird, wenn man ein Kind opfert, und es gibt Leute, die gewillt sind, diese Kinder zu kaufen. Also wurden sie eine Handelsware, das Opfern von Kindern ist zum Geschäftsunternehmen geworden.“ Der Pastor und seine Gemeinde nehmen Einfluss auf die Regierung, um Medizinmänner zu reglementieren und um Polizeiressourcen zu verbessern, um diese Verbrechen zu untersuchen.
Laut offiziellen Polizeiangaben gab es 2006 ein Kindsopfer; 2008 untersuchte die Polizei nach eigenen Angaben 25 angebliche Ritualmorde und 2009 weitere 29. Die Anti-Menschenopfer-Sondereinheit, die als Antwort auf die wachsenden Zahlen gegründet wurde, meint, die Rate der Ritualmorde sei rückläufig und führt 38 Fälle seit 2006 an.
Pastor Sewakiryanga ficht die Zahlen der Polizei an und erzählt, in seiner Gemeinde gebe es mehr Opfer als in den offiziellen Statistiken für das gesamte Land.
Die Arbeit der Polizei-Sondereinheit wurde auch von der (christlichen) britischen Wohltätigkeitseinrichtung Jubilee Campaign stark kritisiert. In ihrem Bericht geben sie die tatsächlichen Zahlen mit Hunderten an und behaupten, über 900 Fälle müssten noch von der Polizei untersucht werden, wegen Korruption und Mangel an Ressourcen. In ihrem Bericht führen sie auch Fälle auf, in denen Kinder von der eigenen Familie oder nahestehenden Personen geopfert wurden, um ihnen Reichtum zu bringen. Die Kinder sind zum Teil noch sehr klein: Muhammed Kayanja war drei Wochen alt, als er am 8. Januar 2009 verschwand. Robina Atino wurde am 4. Juli 2009 ca. 200 m vom Elternhaus entfernt entdeckt. Ihr Hals wurde aufgeschlitzt. Aber auch Jugendliche werden Opfer, wie der 19jährige Joseph Nasima, der am 25. April 2008 verschwand. Jungen werden kastriert, Hände und Füße werden abgeschnitten, einige werden enthauptet oder das Blut der Opfer wird abgelassen.
„Schweigegeld“
Chris Rogers berichtet: Tenpenensi führte mich auf ein Feld in der Nähe ihres Zuhauses, wo sie die Leiche ihres 6jährigen Enkelsohnes Stephen fand, ins Schilf geworfen. Sie zitterte, als sie auf den Punkt zeigte, an dem sie seine enthauptete Leiche fand; er war seit 24 Stunden vermisst gewesen. Tepenensi hielt das einzige Foto fest, das sie von ihrem Enkel hat und schluchzte, während sie erklärte, dass obwohl der ansässige Medizinmann zugab, Stephen geopfert zu haben, die Polizei unwillig sei, den Fall zu verfolgen. „Sie boten mir Geld, damit ich schweige“, sagt sie, „ich lehnte das Angebot ab.“
Niemand von der ugandischen Regierung stimmte einem Interview zu – die Polizei streitet Inaktivität und Korruption ab. Der Leiter der Anti-Menschenopfer-Sondereinheit, Commissioner Bignoa Moses, meint, die Polizei tue alles, um das Problem anzugehen. „Manchmal werfen sie uns diese Dinge vor, weil wir niemanden verhaften, aber wir sind beschränkt. Wenn wir Informationen erhalten, dass jemand in kriminelle Aktivitäten wie Menschenopfer verwickelt ist, gehen wir hin und untersuchen. Wenn es bewiesen werden kann, werden wir ihn vor Gericht bringen, aber manchmal können die Fälle nicht bewiesen werden.“
Medizinmann erklärt, wie er Kinder opfert /Screenshot bbc.co.uk
Junge kastriert
Im Hauptkrankenhaus Kampalas, zeigt mir der Neurochirurg Michael Muhumuza die Röntgenaufnahmen der grauenhaften Verletzungen, die dem neunjährigen Allan zugefügt wurden. Sie zeigen fehlende Knochen seines Schädels und Schäden an einem Teil seines Gehirns, nachdem eine Machete durch Allans Kopf und Hals schnitt, im Versuch, ihn zu enthaupten; er wurde vom Medizinmann kastriert. Es dauerte einen Monat, bis Allan aus dem Koma erwachte, nachdem er in der Nähe seines dörflichen Zuhauses abgeladen wurde.
Allan konnte seine Angreifer identifizieren, einschließlich eines Mannes namens Awali. Aber die Polizei meint, der Augenzeugenbericht Allans sei unzuverlässig. Ansässige erzählten uns, dass Awali weiterhin in Kinderopfer verwickelt ist.
Für unsere eigenen Untersuchungen gaben wir uns als ortsansässige Geschäftsleute aus und erkundigten uns nach einem Medizinmann, der unserem örtlichen Bauunternehmen Reichtum bringen könnte. Wir wurden bald Awali vorgestellt. Er führte uns in einen Hof hinter seinem Haus und, als würde er uns willkommen heißen, rangen er und seine Helfer eine Ziege zu Boden und schlitzten ihren Hals auf. „Dieses Tier wurde geopfert, um uns allen Glück zu bringen“, erklärte Awali. Er verlangte daraufhin für das Ritual eine Gebühr von $ 390 und bat uns, einige Tage später wiederzukehren.
Bei unserem nächsten Treffen lud uns Awali in seinen Schrein ein, der traditionell gebaut ist, aus Lehmziegeln mit einem Strohdach. Drinnen ist der Boden mit Kräutern, Gesichtsmasken, Rasseln und einer Machete übersät. Der Medizinmann erklärte, dieses Treffen sei dazu da, den mächtigsten Zauber zu besprechen – das Opfern eines Kindes. „Es gibt zwei Arten, das zu tun“, sagte er. „Wir können das Kind auf ihrer Baustelle lebendig begraben oder wir schneiden es an verschiedenen Stellen und tun sein Blut in eine Flasche spiritueller Medizin.“
Awali griff an seine Kehle. „Wenn es männlich ist, werden der ganze Kopf und seine Genitalien abgeschnitten. Wir werden auf Ihrer Baustelle ein Loch graben und auch die Füße und Hände vergraben und sie alle zusammen in das Loch tun.“ Awali prahlte damit, dass er Kinder bereits häufig geopfert habe und wisse, was er tue. Nach diesem Treffen beendeten wir die Verhandlungen.
Wir übergaben unsere Aufzeichnungen der Polizei. Awali ist noch immer ein freier Mann.
Übersetzung: Fiona Lorenz.
Der Originalartikel von Chris Rogers BBC News, Kampala, findet sich hier
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