Islam-Irrtümer

(hpd) Über Islam und Muslime wird seit Jahren in den verschiedensten Zusammenhängen kontrovers diskutiert. Dabei lassen sich

nicht selten Missverständnisse, Pauschalisierungen und Vorurteile ausmachen. Ihnen will der in Marokko arbeitende Journalist Alfred Hackensberger, Korrespondent für die „Neue Zürcher Zeitung", die "taz" und „Die Zeit" in seinem „Lexikon der Islam-Irrtümer" entgegen treten. Er versteht es als einen Beitrag zur Klärung der „perspektivischen Verzerrungen", mit einem offenen Blick auf den Islam, die Muslime und ihre Länder.

 

Aufgegliedert ist das Lexikon in 70 Einträge, worin 100 Aussagen kommentiert werden. Sie reichen von „Al-Qaida ist eine von Osama bin Laden zentral geführte Organisation" und „Islam und Demokratie sind unvereinbar" über „Ehrenmorde sind islamische Tradition" und „Der Islam und die Emanzipation der Frau sind unvereinbar", „Der Islam steht im Widerspruch zum Fortschritt" und „Hawala ist ein Geldüberweisungssystem für Terroristen" bis zu „Der Palästinakonflikt ist religiöser Natur" und „Selbstmordattentäter sind nur Männer".

Eine wichtige Erkenntnis von Hackensbergers Betrachtungen lautet: „Den" Islam gibt es nicht! Vielmehr lassen sich eine Reihe von Unterschieden ausmachen, denn: „Im Islam gibt es rund 150 verschiedene Glaubensrichtungen und Sekten, die sich im Laufe der beinahe 1400 Jahre alten Geschichte der Religion gebildet haben. Sie sind über Kontinente und auf verschiedenste Kulturkreise verteilt, geprägt von regionalen Faktoren. Ihre jeweiligen Interpretationen des Islams können so widersprüchlich sein, dass sie sich gegenseitig der Häresie beschuldigen" (S. 183).

Hackensberger korrigiert in seinem „Lexikon der Islam-Irrtümer" darüber hinaus noch zahlreiche andere negative wie positive Vorurteile: Al-Andalus war keineswegs ein vorbildlicher Ort der Toleranz, Demokratie und Islam können durchaus vereinbar sein, „Ehrenmorde" haben keine islamische, sondern eine vor-islamische Tradition, in China und Marokko gibt es seit mehreren Jahren weibliche Imame, der Koran enthält sowohl Stellen für Gewalt wie Toleranz, das historische Wissen über die Frühzeit der Religion und den Propheten Mohammed ist unsicher, Selbstmordattentäter sind meist gut bebildet und entstammen Mittelschichtenfamilien.

Die Korrektur von Halbwahrheiten und Missverständnissen, Vorurteilen und Zerrbildern ist aus aufklärerischer Sicht immer zu begrüßen. In diesem Sinne verdient auch das „Lexikon der Islam-Irrtümer" zur Versachlichung der Debatte Beachtung. Gleichwohl können aber auch einige kritische Aussagen formuliert werden: Die Angaben in den jeweiligen Artikeln sind nicht näher belegt, es gibt auch keine gesonderten weiterführenden Literaturhinweise zu einem Thema. Mitunter argumentiert Hackensberger auch mit persönlichen Erlebnissen, die man aber nicht notwendigerweise verallgemeinern kann.

Unverständlich ist auch die Länge der jeweiligen Beiträge: Zur Hamas finden sich drei Seiten, zur Hizbollah 22 Seiten. Unklar bleibt häufig auch, wer welche falschen Behauptungen aufgestellt hat. Mitunter hat man den Eindruck, Hackensberger konstruiert eine Position, die dann um so einfacher kritisiert werden kann. Wer sollte etwa ernsthaft folgende Aussage formulieren: „Muslime sind Antisemiten". Auch wenn sich der Autor durchaus auch kritisch äußert, ist eine apologetische Note in den Texten unverkennbar. Interessant wäre es auch gewesen, etwas von ihm zur Unterscheidung von Islamkritik und Islamphobie zu lesen.

Armin Pfahl-Traughber

Alfred Hackensberger, Lexikon der Islam-Irrtümer. Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Qaida bis Zeitehe, Frankfurt/M. 2008 (Eichborn-Verlag), 274 S., 19,95 €