LAUSANNE / ROSSDORF. (GWUP) Nachdem Teilnehmerinnen eines Feuerlauf-Seminars
in der Schweiz Verbrennungen erlitten hatten, wurden die beiden Veranstalterinnen zu Gefängnisstrafen und Geldbußen verurteilt. Eine der Organisatorinnen wollte dieses Urteil nicht akzeptieren, klagte beim Schweizer Bundesgericht - und bekam Recht.
Verhandlungsgegenstand war ein im August 2003 veranstaltetes Feuerlaufseminar, an dem eine weibliche Unihockeymannschaft teilgenommen hatte. Nachdem die Damen über mögliche Risiken beim Feuerlaufen aufgeklärt worden waren, ließen die beiden Veranstalterinnen die Sportlerinnen eine Haftungsausschlussvereinbarung unterzeichnen. Beim praktischen Teil der Veranstaltung kam es bei einzelnen Teilnehmerinnen durch die Gluthitze prompt zu Verletzungen, eine Mitwirkende erlitt Verbrennungen zweiten Grades.
Die Seminarleiterinnen wurden daraufhin verklagt. Ein Schweizer Kreisgericht sprach sie der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig und verurteilte sie zu fünf Tagen Haft und zur Zahlung von 1.000 Schweizer Franken (ca. 950 EUR) Geldbuße sowie Schadensersatz an eine Geschädigte von ebenfalls 1.000 Franken. Eine Berufung beim Kantonsgericht in St. Gallen wurde abgelehnt, worauf eine der beiden Verurteilten nicht weiter vor Gericht stritt.
Keine Fahrlässigkeit bei Risikohinweis
Ihre Kollegin wollte sich mit dem Urteil jedoch nicht abfinden und wandte sich ans Bundesgericht des Alpenlandes. Dies entschied zugunsten der Veranstalterin.
Begründung: Mit der ausführlichen Aufklärung im Vorfeld des Feuerlaufs und der Unterzeichnung des Haftungsausschlusses stimmten die Teilnehmerinnen zu, dass es keine Garantie für die Sicherheit und Unversehrtheit während des Seminars gebe. Sie nahmen damit "freiwillig" und "auf eigenes Risiko" (so die im Gerichtsurteil zitierten Textstellen) teil und verzichteten auf Schadensersatzsprüche für den Fall von Verletzungen. Die Sportlerinnen seien aber trotz dieser Erklärung davon ausgegangen, dass sich niemand die Füße verbrennen würde.
Verkürzt dargestellt lag nach Ansicht des Gerichtes jedoch keine Fahrlässigkeit der Veranstalterin vor. Die teilnehmenden Frauen hätten eine "eigenverantwortliche Selbstgefährdung" auf sich genommen, sie seien "freiwillig und in grundsätzlicher Kenntnis der Verletzungsgefahr" über die Glut gegangen und hätten dies jederzeit unterlassen können. Auch lehre die Erfahrung (oder der gesunde Menschenverstand?, hvr), dass man sich an glühender Kohle leicht verbrenne.
Unsinn der mentalen Vorbereitung
Trotzdem hinterlässt das Urteil bei Nichtjuristen Fragen: Werden derlei Seminare nicht gerade damit beworben, dass man lerne, durch geistige Vorbereitung seinen Körper unempfindlich für den Gang über glühende Kohlen, Glasscherben etc. zu machen? Kann man von einem Laien wirklich erwarten, dass er die Gefahren einer derartigen Aktion richtig abschätzen kann, noch dazu wenn von den Veranstaltern Expertentum suggeriert wird?
Leser des 'Skeptiker"-Heftes 3&4/2007 (Gilbert, Dennis: „Feuerlauf zwischen Mythos und Physik", S. 92-102), in dem das Thema ausführlich behandelt wurde, wissen freilich, dass der Lauf über glühende Kohlen nichts mit mentaler Vorbereitung sondern mit physikalischen Gesetzen zu tun hat. Trotzdem bleibt, wie man an dem Schweizer Beispiel sieht, ein Restrisiko. Ein Wunder ist eigentlich nur, dass Werbung für solche "Seminare" noch immer erlaubt ist.
hvr / gwup
Dazu auch der Bericht von Dr. Christoph Bördlein „Feuerlauf": Mit nackten Sohlen über glühende Kohlen-Projekt der Bamberger Skeptiker