Gelebte Nächstenliebe

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Stralauer Platz 32 / Foto MUT gGmbH

BERLIN. (hpd/mut) Eine zentrale Einrichtung für Obdachlose der Berliner Ärztekammer steht vor dem Aus. Das Kirchliche Verwaltungsamt kündigt nach geplantem Trägerwechsel das Mietverhältnis. Die Kirche ist nicht bereit, eine Einrichtung des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg in einem ihr gehörenden Gebäude zu dulden.

Über elf Jahre lang diente die Arzt- und Zahnarztpraxis sowie Tagesstätte für Obdachlose und Bedürftige der MUT GmbH am Berliner Ostbahnhof als wichtige Anlaufstelle für Menschen, die in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Nach diesem Winter droht diese Anlaufstelle wegzufallen, da das Kirchliche Verwaltungsamt Berlin Mitte-Nord nach der Ankündigung eines Trägerwechsels den Mietvertrag zum 31. Juli 2013 gekündigt hat.

Die MUT Gesellschaft für Gesundheit mbH ist ein gemeinnütziges Unternehmen der Ärztekammer Berlin und besteht seit 1991 unter der Motto „Mut machen, Mut behalten". In der Obdachloseneinrichtung am Stralauer Platz 32 erhalten Bedürftige in Bahnhofsnähe seit Jahren medizinische und zahnmedizinische Betreuung, Pflege sowie therapeutische Maßnahmen. Auf Grund der massiven Verschlechterung der Rahmenbedingungen, war die MUT gGmbH daran interessiert, ihre Zuwendungsprojekte an einen anderen Träger zu übergeben. Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg war dazu bereit.

Zu den weiteren Geschehnissen erklärt Bettina Lange, Geschäftsführerin von MUT: „Ende November vereinbarten wir mit dem HVD Berlin-Brandenburg die Übernahme von vier unserer Einrichtungen zum 1. Januar 2013, darunter die Obdachlosenhilfeeinrichtungen in der Weitlingstraße in Lichtenberg und die jetzt betroffene Einrichtung am Stralauer Platz 32 in Friedrichshain-Kreuzberg. Ziel war es von Anfang an, die Obdachlosenhilfe an diesen Standorten auch in den kommenden Jahren zu sichern. Die einzige Veränderung bestand in dem zu Anfang 2013 geplanten Betriebsübergang in eine neue Trägerschaft. Um die fortbestehende Finanzierung durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales sowie durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatten wir uns bereits gemeinsam mit dem HVD erfolgreich gekümmert. Auch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales begrüßte den Betriebsübergang und damit die vielversprechende Aussicht auf den Erhalt der Wohnungslosenhilfe an diesen Standorten.

Doch die evangelische Kirche, selbst großer Träger zahlreicher sozialer Einrichtungen und Projekte für bedürftige Menschen, scheint kein Interesse daran zu haben, zur langfristigen Sicherung der Berliner Obdachlosenhilfe, die in den harten Wintern der vergangenen Jahre immer wieder ihre Wichtigkeit unter Beweis gestellt hatte, beizutragen. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 kündigte der Vermieter des Objektes, das Kirchliche Verwaltungsamt Berlin Mitte-Nord als Teil der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), unseren Mietvertrag vom 23.05.2001, nachdem wir vom bevorstehenden Trägerwechsel unterrichtet hatten und darum baten, damit einhergehend die Räumlichkeiten an den HVD Berlin-Brandenburg e.V. untervermieten zu dürfen. Eine Untervermietung an den HVD „wird namens und in Vollmacht der Eigentümerin abgelehnt“, heißt es in dem Kündigungsschreiben.

Dem vorausgegangen waren Bemühungen von Seiten unseres neuen Trägers, dem HVD Berlin-Brandenburg, mit dem Kirchlichen Verwaltungsamt eine Vereinbarung zu finden, die den Erhalt der Einrichtung an dem Standort Stralauer Platz 32 ermöglicht. Gesprächsangebote von Seiten des HVD, um mögliche Bedenken vor dem Hintergrund der unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtung von EKBO und HVD zu diskutieren und auszuräumen, wurden von Seiten des Verwaltungsamtes abgelehnt. Entsprechende Vorbehalte auf Seiten der Kirche deutete eine Mitarbeiterin des Kirchlichen Verwaltungsamtes in einem Telefongespräch an. Die Evangelische Kirchengemeinde sei nicht bereit, einer Untervermietung an den HVD zuzustimmen, sagte sie da.

Auch unsere eigenen Bemühungen, mit dem Kirchlichen Verwaltungsamt eine Regelung zu finden, die die Obdachlosenhilfe an dem Standort sowie die damit verbundenen ca. 20 Arbeitsplätze sichert, führten zu keinem Erfolg. Selbst die Vermittlungsgesuche durch die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ließen die Kirche kalt. Die Perspektiven, ab Sommer 2013 andere Räumlichkeiten in Nähe des Ostbahnhofs beziehen zu können, sind schlecht. Der Vorstandsvorsitzende des HVD, Manfred Isemeyer, sagte, dass die Immobilienlage in Bahnhofsnähe nach erster Prüfung des Marktes äußerst schlecht sei.

Mit der am 13. Dezember 2012 zugestellten Kündigung wird aus unserer Sicht nicht nur ein jahrelanges, komplikationsloses Mietverhältnis gekündigt, sondern zugleich auch das solidarische Verständnis in der Landschaft der freien Träger, sich gemeinsam in den Dienst derjenigen zu stellen, die unsere Hilfe brauchen. Statt sich den Menschen und ihren Nöten zuzuwenden, bricht die Kirche auf Kosten der ohnehin schon überforderten Obdachlosenhilfe in Berlin einen weltanschaulich-ideologischen Konflikt vom Zaun. Es ernüchtert uns, erkennen zu müssen, dass sich hinter der Fassade der von der Kirche oft ins Feld geführten christlichen Nächstenliebe scheinbar nichts anderes verbirgt als der ideologische Eigennutz zur Mission.“

MUT