(hpd) Der von der Kulturwissenschaftlerin Caroline Y. Robertson-von Trotha herausgegebene Sammelband enthält 14 Beiträge von unterschiedlichen Autoren zu verschiedenen Themen. Wie das so bei Sammelbänden ist, stehen sich gelungene und weniger gelungene Aufsätze gegenüber, welche aber so einen Ein- und Überblick zum Thema geben.
Das Thema „Rechtsextremismus“ hat die unterschiedlichsten Facetten: Der Blick auf Deutschland und Europa, auf die Mitte und Randbereiche, auf Gewaltgruppen und Parteien, auf Attraktivitätspotentiale und Gegenstrategien macht dies deutlich. Beiträge zu diesen und anderen Themen findet man in einem Sammelband, der von der Kulturwissenschaftlerin Caroline Y. Robertson-von Trotha unter dem Titel „Rechtsextremismus in Deutschland und Europa. Rechts außen – Rechts „Mitte“?“ herausgegeben wurde. Die darin enthaltenen 14 Texte gehen auf Vorträge im Rahmen der „Karlsruher Gespräche ‚Rechts außen: Rechtsextremismus in Europa heute“ zurück. Das „Zentrum für angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale des Karlsruher Instituts für Technologie“ hatte eine einschlägige Konferenz organisiert. Aufgrund der kulturwissenschaftlichen, politologischen, psychologischen und soziologischen Zusammensetzung der Referenten versprach man sich einen interdisziplinären Zugang zum Thema „Rechtsextremismus“.
Nach einleitenden Bemerkungen der Herausgeberin zum Rechtsextremismus-Verständnis findet man Beiträge zu Entwicklungen, Grundstrukturen und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus: Wilhelm Heitmeyer stellt sein „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“-Konzept zur Analyse von Interaktionsprozessen vor, Jens Rydgren analysiert den Kontext von Fremdenangst und Rechtspopulismus, Birgit Rommeslpacher fragt nach dem Zusammenhang von gesellschaftlicher Mitte und rechtsextremem Rand, Michael Kohlstruck widmet sich der Vergangenheitspolitik von Rechtsextremisten, Rudolf van Hüllen fragt nach den Herausforderungen für die politische Bildung und Britta Schellenberg geht auf Strategien zur Bekämpfung ein. Bezogen auf den Rechtsextremismus auf europäischer Ebene gibt es nur zwei Beiträge: Die „europäischen Wahlverwandtschaften“ werden von Volker Weiß thematisiert, und Jean-Yves Camus skizziert die Entwicklung des französischen Front National in internationaler Perspektive.
Bezogen auf Rechtsextremismus und Jugend stellt Thomas Pfeiffer sein Verständnis von „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ zur Erklärung des Unterhaltungswertes vor, Reiner Becker geht auf den Alltag in Familien von rechtsextremistischen Jugendlichen ein und Cornelia Schmalz-Jacobsen widmet sich den Gründen für den einfachen Einsteig und den schweren Ausstieg. Und schließlich stehen rechtsextreme Handlungs- und Orientierungsmuster bei Renate Bitzan bezogen auf Frauen und Frauenbilder in der deutschen Szene und bei Ronny Blaschke hinsichtlich der Instrumentalisierung des Fußballs durch NPD und Neonazi-Kameradschaften im Zentrum des Interesses. Entsprechend den Ausführungen der Herausgeberin teilen die meisten Beiträge folgende Einschätzung: „Als Randphänomen verharmlost, haben sich rechtsextreme Akteure in europäischen Gesellschaften etabliert – ob als Partei, soziale Bewegung oder innerhalb subkultureller Milieus. Die Gründe hierfür liegen in einer allgemeinen Modernisierung und Professionalisierung ...“ (S. 9).
Wie das bei Sammelbänden so ist, unterscheiden sich die einzelnen Beiträge nicht nur thematisch voneinander. Manche Autoren haben eine allgemeine Redeform beibehalten, manche Autoren einen wissenschaftlichen Aufsatz abgeliefert. Bei den Beiträgen von Wilhelm Heitmeyer zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ und von Thomas Pfeiffer zur „Erlebenswelt Rechtsextremismus“ hat man es mit kurzen Darstellungen ihrer ansonsten umfangreich entwickelten Analyseverfahren zu tun. So erhält man auf engem Raum eine komprimierte Darstellung, womit der Sammelband auch als Einführung ins Thema gelesen werden kann. Die Herausgeberin irritiert in ihren einleitenden Anmerkungen etwas dadurch, dass sie die Auffassungen von „Rechtsextremismus“ einseitig, teilweise sogar falsch referiert. Eine „Gleichsetzung der Extremismen“ (S. 12) wird etwa gar nicht vorgenommen. Der Beitrag von Cornelia Schmalz-Jacobsen zu Ausstieg und Einstieg wirkt eher nichtssagend. Gleichwohl gibt es auch die üblichen „Rosinen“ im Sammelband.
Armin Pfahl-Traughber
Caroline Y. Robertson-von Trotha (Hrsg.), Rechtsextremismus in Deutschland und Europa. Rechts außen – Rechts „Mitte“?, Baden-Baden 2011 (Nomos-Verlag), 188 S., 26 €.