Ein Kommentar von Sebastian Boss.
Die neuen Werte der ARD-Umfrage „Deutschlandtrend“
sind alarmierend: 51 Prozent der Deutschen sind „weniger“ bis „gar nicht“ zufrieden mit der momentanen Situation in Deutschland in Bezug auf dessen Demokratie.
Demnach sind nur noch 49 Prozent „zufrieden“ mit den aktuellen Verhältnissen, was 11 Prozentpunkte weniger als im September 2005 sind. Das sei der niedrigste je im Deutschlandtrend gemessene Wert und Deutschland liegt damit unter EU-Durchschnitt.
Hinzu kommt, dass 66 Prozent der Bundesbürger der Ansicht sind, es gehe ungerecht zu in der Bundesrepublik, dies sind 9 Prozent mehr als noch im Mai.
Während sich nun als Beispiel Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach dazu bemüßigt sieht, dies auf die Reformen abzuwälzen, die (noch) nicht wirkten, oder auf die innerparteilichen Konflikte, die den Menschen das Gefühl gäben, es ginge „nicht mehr um mich, sondern nur um die Politiker“, werden die eigentlichen Themen und Brennpunkte einfach übergangen.
Wenn der Bundesnachrichtendienst (BND) die Journalisten überwacht, wodurch Deutschland im aktuellen Länderranking auf Platz 23 (!) bezüglich Pressefreiheit gefallen ist, Polizei und BND was den Informationstransfer anbelangt verfassungswidrig zusammengelegt wurden, eine Kanzlerin Merkel darauf abzielte, einen christlichen Bezug in die EU-Verfassung zu bringen, wodurch sie vermutlich das Anliegen sicherlich der Hälfte der Deutschen verfehlen dürfte, oder man das Weißbuch recht kurzfristig abänderte, wodurch der Bundeswehr ein verfassungswidriges Vorgehen mit militärischen Waffen im Inland eingeräumt wird, und im Zuge dessen sogar geplant ist, Artikel 35 des Grundgesetzes zu ändern, dann verwundert es wenig, wenn den Bundesbürgern sich der Eindruck aufdrängt, dass es mit der Demokratie schlecht bestellt ist in unserem Land. Denn berechtigterweise muss doch gefragt werden: Was gilt uns noch die Verfassung, wenn doch weiterhin z.B. ein Antidiskriminierungsgesetz geschaffen wurde, das bewusst Konfessionslose ausspart und diesen damit ein Recht weniger einräumt, während dieses aber bereits durch die Verfassung verankert ist?
Wenn nun obendrein z.B. in NRW der Begriff „Ehrfurcht vor Gott“ ins Schulgesetz aufgenommen werden soll, was gegen das im GG verankerte Prinzip des Pluralismus verstößt, jedoch durch das hierin autonome Landesgesetz – wie übrigens auch die Studiengebühren – durchaus möglich wird oder auch mittlerweile die Redefreiheit dahingehend eingeschränkt wird, dass das Internet verstärkt auf eine völlig diffus definierte „islamistische Aktivität“ hin überwacht werden soll bzw. bereits wird, dann mögen wir uns in der Tat alle alarmiert fragen: Was gilt der Bundesregierung die Verfassung, was gilt ihr die Demokratie, was gilt ihr die Grundfesten unserer Gesellschaft?
Gleichzeitig erleben wir eine Kanzlerin, die euphorisch bei der WM auf der Seite der deutschen Mannschaft mitfiebert, die davon spricht, dass ein Schumacher seine bisherigen Ziele „mit den besten deutschen Tugenden“ erreicht habe, die mit solchen Phrasen und gleichsam „Zwangsbekehrung“ ganz Europas ein nationales wie auch christliches Bewusstsein erzeugen will, um die Menschen zu einen in längst vergangenen und toten Vorstellungen und Ideen, während das Land wirtschaftlich wie auch menschlich-demokratisch versackt.
Wenn die Politiker einmal denjenigen zuhörten, die sie und ihre Auffassung von Welt und Mensch kritisieren, anstatt herumzuspekulieren und die Umfragewerte als eine „Momentaufnahme“ zu verharmlosen, und zudem das Grundgesetz als das achteten, worauf unsere heutige Gesellschaft hoffnungsvoll gründet, dann wüssten sie besser darüber Bescheid, inwiefern die Demokratie in Deutschland derzeit als wenig demokratisch angesehen und was genau als „ungerecht“ empfunden wird – das wäre in der Tat ein erster wahrhaft demokratischer Akt.
Dass die Unzufriedenheit aber auf eher wirtschaftliche Aspekte und Konsistenzprobleme in der Koalition abgewälzt wird, macht zudem offenbar, welches Bild die Politiker von den Menschen in Deutschland haben, denn eine Gesellschaft, die lediglich Finanzen und die „Führung“ in den Blick nähme, wäre menschlich bereits tot. Es geht aber durchaus auch um Ideale, um Prinzipien, die in letzter Zeit mehrfach in respektloser Weise mit Füßen getreten und verletzt wurden und mit ihnen zusammen unser Selbstverständnis als Menschen in einer modernen und demokratischen Gesellschaft.
Und das, hauptsächlich das, macht uns so unzufrieden.