BERLIN. (hpd) Ob Berliner Schüler am Welthumanistentag (21.Juni) Unterrichtsbefreiung erlangen können, wird vorrangig politisch zu klären sein. Das OVG Berlin-Brandenburg hat soeben entschieden, dass das Verwaltungsgericht Berlin im April dieses Jahres zu Recht eine diesbezügliche Klage eines Schülers abgelehnt hat.
Das VG Berlin vertrat die Auffassung, dass es keinen Rechtsanspruch auf Änderungen der für die Berliner Schulbehörde maßgeblichen Verwaltungsvorschrift gäbe, da die Entscheidung im Ermessen der Behörde stehe. Das OVG hat als maßgebliches Kriterium die Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Gleichheitsgrundsatzes genannt, allerdings eine solche Verletzung im Falle des klagenden Berliner Schülers verneint.
In einer Presseerklärung des OVG vom 16.07.2013 heißt es: "Der Kläger habe nicht dargelegt, dass der verfassungsrechtlich verbürgte Gleichheitsgrundsatz verletzt sei. Er selbst gehe davon aus, dass eine Befreiung vom Unterricht aus religiösen Gründen an den in der Ausführung genannten Tagen wegen der Sozialbedeutung und Größe der Religionsgemeinschaften gerechtfertigt sei. Konkrete Angaben zu einer vergleichbaren Bedeutung und Größe des humanistischen Verbandes fehlten jedoch. Ein Hinweis auf die Zahl der von den humanistischen Verband unterrichteten Schüler und Schülerinnen reiche es insoweit nicht aus."
Außerdem verweist das OVG darauf, dass auch dann, wenn sich bei der Verweigerung von Unterrichtsfreistellungen zwecks Teilnahme am Welthumanistentag eine "nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung" ergeben solle, es Sache der Verwaltung sei, auf welcher Art und Weise diese Ungleichbehandlung zu beseitigen sei. In der Berliner Verwaltungsvorschrift zur Schulpflicht ist ist geregelt, dass Angehörige von Religionsgemeinschaften an deren jeweiligen Feiertagen Freistellung vom Unterricht erhalten können. Angehörige von Weltanschauungsgemeinschaften sind in dieser Vorschrift nicht erwähnt, obwohl verfassungsrechtlich Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften gleichgestellt sind.
Eine genaue Analyse des Beschlusses des OVG wird erst dann vorzunehmen sein, wenn dieser in schriftlicher Fassung vorliegt. Auf zwei Aspekte allerdings ist bereits jetzt hinzuweisen:
Der Beschluss begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken in Hinsicht auf die erwähnten Kriterien "soziale Bedeutung und Größe der Religionsgemeinschaften" bzw. der Weltanschauungsgemeinschaft HVD. Offenbar hält das Oberverwaltungsgericht den HVD, der den 21. Juni als Feiertag "Welthumanistentag" begeht, für eine gesellschaftliche Randerscheinung. Insoweit deutet sich hier auch ein Widerspruch zu den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem letzten Jahr betreffend Anerkennung des Körperschaftsstatus für die Bahaj-Religion in Hessen an, das in einem Urteil die zuvor gehandhabte Praxis der für die Anerkennung als Körperschaft maßgeblichen Mitgliederzahlen über den Haufen geworfen hat.
Seit jenem Urteil steht fest, dass auch kleinere Religionsgemeinschaften Anspruch auf Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts haben. In Hessen hat die Bahaj-Religion etwa 900 bis 950 Mitglieder, bundesweit etwa Fünftausend. (siehe hier)
Gleiches muss dann aber auch für Weltanschauungsgemeinschaften wie den HVD gelten. Der HVD hat bundesweit etwa 20.000 Mitglieder, in Berlin-Brandenburg sind es über Sechstausend, und der Verband wäre damit nach den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts bedeutsam genug, um als Körperschaft anerkannt zu sein. Anderes kann aber nicht hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung der weltanschaulichen Interessen der Mitglieder gelten.
Jetzt allerdings ist die politische Ebene gefragt. Nun sind der Senat und das Abgeordnetenhauses von Berlin am Zug, eine Lösung für das Problem zu finden. Insbesondere von evangelischer Seite war in der Vergangenheit gegen die Anerkennung eines humanistischen Feiertages massiv polemisiert worden. Derartige Voreingenommenheit darf die Politik nicht beeinflussen und keinen Bestand haben.
Dabei darf auch nicht übersehen werden, welche Bedeutung der vom HVD in Berlin angebotene Lebenskundeunterricht an Schulen mittlerweile hat: die Zahl der teilnehmenden Schüler ist von etwa 1.000 im Jahre 1990 über 27.000 im Jahre 2000 auf 51.871 im Schuljahr 2011/2012 gestiegen.
Von einer gesellschaftlichen Randerscheinung kann da – in jedweder Hinsicht - keine Rede mehr sein.
Walter Otte
Der hpd berichtete über den Prozess in der ersten Instanz.