Demonstration: „Freiheit statt Angst"

BERLIN. (ak vorrat) Bürgerrechtsorganisationen rufen für Samstag, den 11. Oktober 2008

unter dem Motto "Freiheit statt Angst" zu einem Marsch durch Berlin auf, um gegen die ausufernde Überwachung durch Staat und Wirtschaft zu protestieren.

 

Die Organisatoren sind sich einig, dass es höchste Zeit ist, vor dem Hintergrund permanenter Verschärfungen von Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen für die Verteidigung unserer Grundrechte auf die Straße zu gehen. Die Demonstration wendet sich unter anderem gegen die für Herbst geplante Aufrüstung des Bundeskriminalamts zu einer zentralen, exekutiven Polizeibehörde mit der Befugnis zum geheimen Ausspionieren von Privatcomputern.

Nach der im vergangenen Jahr mit über 15.000 Menschen größten Demonstration für Demokratie und Bürgerrechte seit 20 Jahren werden in diesem Jahr erstmals in verschiedenen Ländern gleichzeitig Menschen für ihre Freiheit auf die Straße gehen. Bereits 15 Länder weltweit haben ihre Teilnahme an dem internationalen Aktionstag am 11. Oktober angekündigt.

Grund des einhelligen Protestes ist, dass die Politik ihre Überwachungs- und Kontrollvorhaben zunehmend in internationalen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen durchdrückt. Der internationale Protest richtet sich etwa gegen die geplante Totalerfassung aller Flugreisenden in der EU, die geplanten Datenauslieferungen an die USA, biometrische EU-Ausweispapiere und die Vorratsspeicherung der Telekommunikationsverbindungen und Standorte sämtlicher 455 Millionen Europäer.

Der mit Kriminalitätsgefahren begründeten politischen Spirale innerer Aufrüstung setzt die Zivilgesellschaft den Ruf nach "Freiheit statt Angst" entgegen. Ein Moratorium für sämtliche Überwachungsvorhaben, der Abbau von Massenüberwachung und die Erweiterung digitaler Rechte sollen die Freiheitsrechte der Menschen stärken. Die Aktivisten fordern zudem eine unabhängige Überprüfung sämtlicher geplanter und bereits geltender Überwachungs- und Kontrollbefugnisse auf ihre Wirksamkeit und schädlichen Nebenwirkungen.

Im Vorfeld des Aktionstages ruft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dazu auf, sich am 20. September 2008 in München der Demonstration "Freiheit Weiß-Blau - Stoppt den Überwachungswahn" gegen das verschärfte Bayerische Versammlungsgesetz und weitere Überwachungsmaßnahmen anzuschließen.

International wird zudem am 22. September 2008 in vielen Städten im Rahmen des OneWebDay für den Aktionstag "Freiheit statt Angst" mobilisiert werden.

 

Es folgt der Aufruf im Wortlaut:

Internationaler Aktionstag "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" am 11. Oktober 2008

Der Überwachungswahn greift um sich. Staat und Unternehmen registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger.

Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind - der "große Bruder" Staat und die "kleinen Brüder und Schwestern" aus der Wirtschaft wissen es immer genauer. Der daraus resultierende Mangel an Privatsphäre und die Vertraulichkeit gefährdet die Freiheit des Glaubensbekenntnisses, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Koalitionsfreiheit, Unternehmensintegrität, die Arbeit von Ärzten, Beratungsdiensten und Rechtsanwälten.

Die vielfältige Agenda der Reform des Sicherheitssektors umfasst die Aufhebung der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär, und gefährdet damit die Gewaltenteilung und -balance. Unter Einsatz von Massen-Überwachungstechnologie führt die grenzenlose Zusammenarbeit von Militär, Geheimdiensten und Polizeibehörden zum Aufbau von "Festungen" in Europa und anderen Kontinenten, die sich gegen Flüchtlinge und anders aussehende Menschen richten, aber zum Beispiel auch politische Aktivisten, arme und unterprivilegierte Menschen und Sportfans betreffen.

Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Massenüberwachung setzt damit die Basis einer demokratischen und offenen Gesellschaft aufs Spiel.
Massenüberwachung gefährdet auch die Arbeit und das Engagement von Organisationen der Zivilgesellschaft.

Überwachung, Misstrauen und Angst verändern unsere Gesellschaft schrittweise in eine Gesellschaft unkritischer Verbraucher, die "nichts zu verbergen haben" und dem Staat gegenüber - zur vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit - ihre Freiheitsrechte aufgeben. Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht!

Wir wissen, dass der Respekt vor unserer Privatsphäre einen wichtigen Teil unserer menschlichen Würde darstellt. Eine freie und offene Gesellschaft kann ohne bedingungslos private Räume und Kommunikation nicht existieren.

Die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten Bevölkerung bietet keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität. Sie kostet Millionen von Euro und gefährdet die Privatsphäre unschuldiger Bürger. Wo Angst und Aktionismus regieren, bleiben gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit ebenso auf der Strecke wie ein Angehen der wirklichen, alltäglichen Probleme der Menschen; zum Beispiel Arbeitslosigkeit und Armut.

Um gegen Sicherheitswahn und die ausufernde Überwachung zu protestieren, gehen wir am Samstag, den 11. Oktober 2008 in Berlin unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" auf die Straße. Treffpunkt ist der Alexanderplatz um 14.00 Uhr. Der Protestmarsch durch die Stadt wird mit einer großen Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor enden.

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, an der Demo teilzunehmen.
Die Politiker sollen sehen, dass die Bürger für ihre Freiheiten wieder auf die Straße gehen! Auf der Demo-Homepage finden sich jeweils die neuesten Infos zur Demo, zu Anreisemöglichkeiten und zu Möglichkeiten, mitzuhelfen.

 

Unsere Forderungen:

1. Überwachung abbauen

* Keine pauschale Registrierung aller Flugreisenden (PNR-Daten)
* Kein Informationsaustausch mit den USA und anderen Staaten ohne wirksamen Datenschutz
* Keine geheime Durchsuchung von Privatcomputern, weder online noch offline
* Keine pauschale Überwachung und Filterung von Internet-Kommunikation (geplantes EU-Telekom-Paket)
* Keine Finanzierung der Entwicklung neuer Überwachungstechniken
* Abschaffung der flächendeckenden Protokollierung der Kommunikation und unserer Standorte (Vorratsdatenspeicherung)
* Abschaffung der flächendeckenden Erhebung biometrischer Daten, sowie von RFID-Ausweisdokumenten
* Abschaffung der flächendeckenden Sammlung genetischer Daten
* Abschaffung von Video-Überwachung und automatischer Verhaltenserkennungssysteme

2. Evaluierung der bestehenden Überwachungsbefugnisse

Wir fordern eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden Überwachungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und schädliche Nebenwirkungen.

3. Moratorium für neue Überwachungsbefugnisse

Nach der inneren Aufrüstung der letzten Jahre fordern wir einen sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind.

4. Gewährleistung der Meinungsfreiheit und des freien Meinungs- und Informationsaustauschs über das Internet

* Verbot der Installation von Filtern in die Infrastruktur des Internet.
* Entfernung von Internet-Inhalten nur auf Anordnung unabhängiger und unparteiischer Richter.
* Einführung eines uneingeschränkten Zitierrechts für Multimedia- Inhalte, das heute unverzichtbar für die öffentliche Debatte in Demokratien ist.
* Schutz von Plattformen zur freien Meinungsäußerung im Internet (partizipatorische Websites, Foren, Kommentare in Blogs), die heute durch unzureichende Gesetze bedroht sind, welche Selbstzensur begünstigen (abschreckende Wirkung).