Wer früher stirbt ist länger unsterblich?

MÜNCHEN. (hpd/bfg) Hader und Rosenmüller zur Erinnerung an Wilhelm Busch. 

 

Das wunderbare Oberangertheater

, mitten in München und im SPD-Haus gelegen, ist am Abend des 14.September 2008 bis auf den letzten Platz besetzt, als Josef Hader und Marcus H. Rosenmüller auf Einladung des bfg München an einem einfachen Tisch auf der Bühne Platz nehmen. Ob - wie SZ-online heute berichtete - die Künstler Busch, Hader, Rosenmüller und den bfg der Sinn für Humor und die Hassliebe zur Religion" vereint und dieser Abend deshalb, neben den Gedichten des alten Meisters Busch mit zahlreichen Limericks von Rosenmüller, mit Auszügen aus "Indien" von Dorfer/Hader, mit Gedichten von Heinrich Heine, Bemerkungen zu Erich Kästner und vielen schrägen, kabarettistischen Einlagen unvergesslich und so wohl einmalig ist?

Die beiden Künstler verzichteten auf Gage und Spesen zugunsten des Waisenhaus "Nesin Vakfi" und warben bei einer spontan inszenierten Versteigerung von Wilhelm-Busch-Briefmarken im zweiten Teil des Benefiz-Abends zusätzliche 142,00 Euro aus Publikumsbeiträgen und eigenem Geld ein. Die Veranstaltung wurde vom bfg München von lauter Ehrenamtlichen organisiert und durchgeführt, und das Oberangertheater verzichtete auf Miete. Somit steht jetzt schon fest, dass nach Abzug der Werbungskosten mindestens 2.500,00 ins Kinderparadies geschickt werden können.

Der bfg München bedankte sich für einen unsterblichen Abend, für alle Hilfe und Unterstützung und die zahlreichen Besucher/innen. Bis zum nächsten Mal in diesem Leben?

Der Club der toten und lebendigen Dichter

Als eines von sieben Kindern ist Wilhelm Busch, der Erfinder des Comic, 1832 in Wiedensahl (Niedersachsen) geboren worden und wird ab seinem 9.ten Lebensjahr von seinem Onkel, einem Pfarrer, erzogen. Auch als längst Erwachsener, der nach Abbruch eines Maschinenbaustudiums u.a. an der Kunstakademie in München studiert, wohnt er Jahre seines Lebens wieder in einem Pfarrhaus. Vielleicht ist das der Grund für seine nicht wenigen, teilweise augenzwinkernden Satiren wider amtstheologische Verlogenheit und Bigotterie! Und für die überlieferte Ansicht, dass „wer in christlichen Dingen den Verstand befragt (...) unchristliche Antworten" bekommt.

Josef Hader, Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller, 1962 in Oberösterreich geboren, durchläuft das bischöfliche Knabenseminar und das öffentliche Stiftsgymnasium in Melk. Dort werden die ersten „Kabarettgrundlagen als Chorsänger, Mesner, Organist und Bettnässer" gelegt. In seiner Jugend hat er Wetten geschlossen darüber, dass er während des Gottesdienstes Schlager auf der Orgel spielen könnte ohne dass es die Kirchgänger merken. Ob nun die Tatsache, dass er damals verloren oder damals gewonnen hat, der Grund dafür ist, dass „Religion eine Hassliebe" bleibt, die ihn „nicht mehr los lässt"? (Quelle:)

Der Satiriker, Dichter und Schriftsteller Aziz Nesin, 1915 in Istanbul geboren, ist als bekennender religionsfreier Demokrat in über 200 politischen Prozessen vor Gericht und 5 Jahre im Gefängnis, u.a. aufgrund des Verstoßes gegen das Verbot der Herausgabe der „Satanischen Verse" von Salman Rushdie in türkischer Sprache. Islamische Fundamentalisten erklären ihn zum Staatsfeind, zum Hassobjekt und zum Abtrünnigen vom Islam. Beim „Sivas-Massaker" 1993 überlebt er den Brandanschlag auf ein Tagungshotel leicht verletzt, wobei 37 Menschen ums Leben kommen und er zeitlebens davon überzeugt ist, dass dieser Anschlag alleine ihm gegolten hat. Seinen Landsleuten, die er öffentlich als "feige" bezeichnet, hinterlässt er ein unsterbliches Erbe, das Kinderparadies "Nesin Vafki", weil nur Bildung für alle demokratische Gesellschaften erschaffen und erhalten kann.

Marcus H. Rosenmüller, Regisseur, Drehbuchautor und Dichter , 1973 am Tegernsee geboren, ist mit seiner bayrischen Bearbeitung von Schuld und Sühne weit über Bayern hinaus bekannt geworden. „Wer früher stirbt ist länger tot" ist eine echt irdische Feststellung und ein Film fürs Leben. Die Frage, wie tot man ist, wenn man stirbt, wird nicht beantwortet; die Bemühungen aber, lebend richtig unsterblich zu werden, sehr kurzweilig dargestellt. Vielleicht spielt eine nächste Folge in der bayerisch-katholischen Ewigkeit? Oder in einer anderen? Noch Fragen?

Nuray Kalkan