„Wie redest du eigentlich mit mir?"

MASTERSHAUSEN. (hpd) Die Tragik des sprachlosen Paares liegt genau darin, dass es keine Worte mehr füreinander findet. Was unsere Art zu sprechen über uns aussagt, erzählte der Autor, Philosoph und Psychotherapeut Dr. Mathias Jung in einem Vortrag, und gab gleich ein paar praktische Beziehungstipps.

 

Ohne Punkt und Komma, jedoch sehr gut intoniert und mit spannenden, lebensnahen Beispielen gespickt, berichtet Dr. Mathias Jung im Eiltempo aus seiner Praxis der Paartherapie. Angelehnt an das „Nachrichtenquadrat" des Schulz von Thun, ordnet Jung seinen Vortrag nach der Sach-, Appell-, Beziehungs- und Selbstoffenbarungsebene. So hört das gespannte Publikum im nahezu vollen Saal der Giordano Bruno Stiftung, die Ehe sei „die krisengeschüttelte Branche schlechthin". Mangelnde Kommunikation führe, so Jung, zur Materialermüdung der Ehe, das Paar drifte auseinander, werde mürbe, die Zärtlichkeit leide. Er erntet immer wieder Lacher, zitierte zum Beispiel die französische Schriftstellerin Françoise Sagan mit den Worten: „Von manchen Menschen glaubt man, sie seien tot, dabei sind sie nur verheiratet".

Der Vater präge als erster Mann die Tochter für den zukünftigen Umgang mit „den Männern". Sämtliche Beziehungen des Lebens - zu den Eltern, Geschwistern, vorherigen Lieben - nehme man in eine Beziehung mit.

Manche Frauen zeigten eine Kleinmädchenhaltung und müssten lernen, ihre Wünsche und Forderungen sehr klar, präzise und konkret zu formulieren. Statt also zu jammern: „Du bist nie zärtlich!", solle sie fordern: „Küss mich, wenn du aus dem Haus gehst, auf den Mund, und wenn du wieder nach Hause kommst, auch!"

Einige Scherze des Referenten gingen zwar auf Kosten der Männer, gleichzeitig konnte er die Tragik ihres Rollenkorsetts gut vermitteln: Männer seien im Beruf gewohnt, Masken zu tragen, zu Hause jedoch komme die unaufgearbeitete Kindheit wieder hervor, was sie hilflos mache, da ihnen abtrainiert wurde, ihre Gefühle wahrzunehmen und mitzuteilen.

Schließlich seien, so Jung, Laute und Sprache Vehikel der Menschwerdung. Durch Worte könne in der Liebe ein Partner aus dem/der anderen das Schönste herauslieben. (Oder aber kaputtmachen...)

„Erst wenn ich ohne dich leben kann,..."

Auf einem Schild in seiner Praxis sei zu lesen: „Erst wenn ich ohne dich leben kann, kann ich mit dir leben" - Paare brauchten zwar gemeinsame Zeiten, um miteinander etwas zu unternehmen, aber zugleich müssten beide eigenständig sein, sich nicht voneinander abhängig machen, eigene Freundschaften pflegen, eigenen Interessen nachgehen. Dadurch würden sie auch - als Nebeneffekt - füreinander interessant bleiben.

Eine praktische „kostenlose Paartherapie" stellt das von Jung beschriebene Zwiegespräch dar, in dem einmal im Monat für ca. eine Stunde Themen besprochen würden: jeweils 20 Minuten spricht sie, dann er (oder umgekehrt) - nur Ich-Botschaften - dann beide miteinander, und wer gerade nicht spricht, hört nur zu! Zum Teil lebten Paare nämlich in verschiedenen „Welten", machten im Alltag grundlegend unterschiedliche Erfahrungen und seien prinzipiell nicht offen für die Welt des/der anderen. Jung ist der Meinung, „man sollte in der Partnerschaft nackt sein", sich also zeigen, wie man wirklich denkt, fühlt, handelt. Dazu diene das Zwiegespräch. Auch Verzeihen sei wichtig, statt alte Geschichten noch 30 Jahre später wieder aufzuwärmen.

Ein- bis zweimal im Jahr könne sich ein Paar auch zusammensetzen und per Checkliste verhandeln: Ich möchte dies von dir, dafür gebe ich dir das.

Fazit: Insgesamt ein sehr schneller, aber auch ein sehr informativer und lebendiger Vortrag.

Fiona Lorenz