Ein ereignisreiches Jahr für den IBKA

KÖLN. (hpd) Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) hat ein ereignisreiches Jahr hinter sich. Die vom IBKA unterstützte Klage gegen die Kirchenaustrittsgebühr wurde vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen und geht nun vor den Europäischen Gerichtshof; der runderneuerte IBKA-Preis „Sapio" wurde erstmals vergeben, und: einige regionale Gruppen sind entstanden, die „vor Ort" Politik machen.

Vor allem der nordrhein-westfälische Landesverband war überaus aktiv. Über das vergangene Jahr und die Perspektiven für 2009 sprach hpd mit Rainer Ponitka.

hpd: Ein Infostand anlässlich des Soldatengottesdienstes im Januar, eine Religionsfreie Zone mit Filmprogramm, ein Sommerfest mit Zaubereinlage - der nordrhein-westfälische Landesverband des IBKA hat sich 2008 stark um öffentliche „Präsenz" bemüht. War das nach deiner Einschätzung erfolgreich?

Rainer Ponitka: Das vergangene Jahr war für den Landesverband sehr erfolgreich, und zwar in mehrerer Hinsicht. Der IBKA konnte in der Region einen Mitgliederzuwachs von über 10 Prozent verzeichnen, die Aktionen haben unter anderem zur Gründung eines neuen Kölner Regionalverbandes geführt. Wir haben viele Personen erreichen können und die politischen Standpunkte des IBKA, die im politischen Leitfaden festgeschrieben sind, einer durchaus interessierten Öffentlichkeit nahe bringen können.

hpd: Früher stand der IBKA vor allem für die Entwicklung inhaltlicher Positionen; nun scheint die öffentliche Wahrnehmbarkeit stärker im Vordergrund zu stehen. Ist darin ein Wechsel der politischen Konzeption zu sehen?

Rainer Ponitka: Ich sehe hier eine Erweiterung und keinen Wechsel. Die besten inhaltlichen Standpunkte führen zu nichts, wenn sie nicht in die öffentliche Debatte gebracht werden. Zu diesem Zweck führen wir Veranstaltungen wie die Religionsfreie Zone am Karfreitag und das Sommerfest  durch. Die meisten Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, sind höchst erstaunt über die immer noch bestehenden kirchlichen Privilegien und fühlen sich ins Mittelalter zurückversetzt. Gerade zu der überwiegenden öffentlichen Finanzierung konfessioneller Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen besteht ein massives Informationsdefizit in der Bevölkerung.

hpd: Wo genau liegen denn die inhaltlichen Schwerpunkte des Landesverbands NRW?

Rainer Ponitka: Unsere Schwerpunkte richten sich auch ein wenig nach den regionalen Gegebenheiten. So haben wir im Januar 2008 einen Flyer anlässlich Kardinal Meisners Soldatengottesdienst in Köln erstellt und diesen auf der Kölner Domplatte verteilt. Beim Justizministerium NRW haben wir Informationen erbeten, wie denn Kirchenaustrittswillige darüber informiert werden, dass eine Ermäßigung und sogar der Erlass der Kirchenaustrittsgebühr möglich ist.
Ähnlich wie das Feiertagsgesetz ist die Schulgesetzgebung eine Angelegenheit der Länder. Ein wichtiges Thema für uns in NRW ist die Information der Schüler, Lehrer und Eltern über ihre Rechte bezüglich der Teilnahme am Religionsunterricht und an religiösen Veranstaltungen wie zum Beispiel Schulgottesdiensten. Zu dem Zweck schrieb der Landesvorstand wie bereits im Vorjahr auch zum Schuljahreswechsel 2008 alle öffentlichen Schulen des Landes an. Das Rundschreiben aus dem Jahr 2007 hat die Schulleitervereinigung NRW als Handreichung auf Ihrer Internetpräsenz veröffentlicht.

hpd: Du selbst warst auch als „Privatmann" in eine Auseinandersetzung mit den für Schulfragen zuständigen Behörden verwickelt; dabei ging es um die Erstattung von Fahrtkosten für konfessionslose Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ist das Verfahren mittlerweile abschließend entschieden?

Rainer Ponitka: Es ging darum festzustellen, dass die Zeit eines Schulgottesdienstes oder des grundsätzlich freiwilligen Religionsunterrichtes für daran nicht teilnehmende Schüler keine teilnahmepflichtige Unterrichtszeit sondern reine Wartezeit ist. Wenn Schüler nun regelmäßig länger als 40 Minuten auf den Schulbus oder den Beginn des regulären Unterrichtes warten müssen, so können sie im privaten PKW befördert werden und es besteht Anspruch auf Fahrtkostenerstattung durch den Schulträger. Vom ersten Antrag auf Kostenerstattung bei der Kommune bis zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Köln hat es etwa drei Jahre gedauert. Mit dem Erfolg, dass der Vertreter der beklagten Gemeinde im letzten Moment den Anspruch anerkannte, um ein Urteil zu verhindern. Nun müsste sich ein nächster Kläger in NRW finden, um ein Urteil zu erstreiten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 1997 festgestellt, dass der zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtete Staat die Kirchen nur ausnahmsweise in seinem Bereich - nämlich in der Schule - agieren lässt. Dafür ist es aber ebenso vom Gesetzgeber gewollt, dass am Angebot der Religionsgemeinschaften freiwillig teilnehmende Schüler einen Mehraufwand zu tragen haben, zeitlich wie durch ein weiteres benotetes Schulfach. Es kann nicht sein, dass dieser Mehraufwand von schlecht informierten Schulleitungen und -verwaltungen auf nicht am Religionsunterricht teilnehmende Schüler ausgeweitet wird, sei es durch unzumutbare Wartezeiten oder durch die Verpflichtung zur Teilnahme an einem beliebigen anderen Unterricht.

hpd: Zu einem Themenbereich hat sich, soweit ich sehe, der IBKA NRW nicht positioniert, obwohl 2008 in Köln im Mai zunächst die Kritische Islamkonferenz stattfand und dann im September die Protestaktionen gegen das geplante Treffen von Pro Köln und anderen rechten Gruppierungen. Warum gibt es keine Stellungnahme zum Moscheebau in Köln, zum Islamunterricht, der nun in Nordrhein-Westfalen sukzessive eingeführt wird, und zur Frage, welche Rolle Religion für „Integration" spielt?

Rainer Ponitka: Mit Erlass vom 28.5.1999 hat das nordrhein-westfälische Ministerium für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung den Islamkunde-Unterricht eingeführt; der Erlass betonte die Freiwilligkeit der Teilnahme und stellte klar, dass Islamkunde weder den Glauben zu verkünden noch zum Glauben zu erziehen habe. Seit 1998 klagen islamische Verbände auf die Einführung islamischen Religionsunterrichtes in NRW. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Februar 2005 (BVerwG 6 C 2.04) und der Zurückweisung der Angelegenheit an das OVG Münster startete die neue NRW-Landesregierung im Juni 2006 ihren „Aktionsplan Integration", der unter Punkt sieben vorsieht, „... zu einer einheitlichen Vertretung aller Muslime [zu] kommen". Über einen Schulversuch in den Städten Köln und Duisburg soll es bis Ende der Legislaturperiode 2010 die Grundlagen für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht unter deutscher Schulaufsicht geben.

Meines Wissens ist der Stand der Dinge, dass der Beginn des Schulversuchs in Köln und Duisburg von der Landesregierung verschoben wurde. Begründet wird dies mit dem 2007 erfolgten Zusammenschluss islamischer Verbände zum Koordinationsrat der Muslime, der die Anerkennung als Religionsgemeinschaft erreichen will. Fast zeitgleich zum Schuljahresbeginn 2008/09 hat das Land Nordrhein-Westfalen in den Städten Bergkamen, Dortmund, Köln und Wuppertal an insgesamt sieben Grundschulen alevitischen Religionsunterricht gestartet.

Bereits seit 1985 bzw. 2000 sind der griechisch-orthodoxe und der syrisch-orthodoxe Religionsunterricht in NRW eingeführt. Solange das Recht der Religionsgemeinschaften besteht, ihre Mission staatlich finanziert als Religionsunterricht in die öffentlichen Schulen zu tragen, wird man es auch weiteren, als Religionsgemeinschaft anerkannten Gruppierungen nicht verwehren können. Völlig unklar bleibt natürlich, was eine Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach Bekenntnis nebst Unterweisung in den unterschiedlichen Glaubenssätzen mit Integration zu tun haben soll. Und dass Religionsunterricht tatsächlich eine systematische und vertiefende Behandlung der für das Zusammenleben der Menschen in einer demokratischen Gesellschaft wichtigen Werte betreibt, bestreite ich mit Nicht-Wissen!

Die rechten Gruppen um Pro Köln / Pro NRW planen für Mai 2009 übrigens eine Wiederholung ihres sogenannten Anti-Islamisierungskongresses in Köln. Ich kann mir vorstellen, dass auch der IBKA NRW aus dem Anlass Aktivitäten zeigen wird.

hpd: Du wirst im kommenden Jahr die Geschäftsstelle des IBKA leiten; auch wenn das keine Tätigkeit im Sinne einer politischen Geschäftsführung sein wird, wirst du wohl doch stärker bundesweit relevante Themen bearbeiten und regionale Aktivitäten koordinieren müssen. Bleibt dir da noch genug Zeit für dein Amt als Sprecher des Landesverbands?

Rainer Ponitka: Der Vorstand und ich müssen noch genau ausarbeiten, welche Aufgaben ich im Einzelnen ab 2009 übernehmen werde. Ich erwarte schon ein zusätzliches Arbeitsaufkommen von etwa acht bis zehn Wochenstunden. Darüber hinaus bleibt aber noch viel Zeit für politische Arbeit im Landesvorstand, zumal dieser zwischenzeitlich aus einem gut eingespielten Team besteht.

hpd: Was steht dann schon konkret an für 2009?

Rainer Ponitka: Am 8. Januar 2009 werden wir mit Unterstützung des neugegründeten Kölner Regionalverbandes des IBKA einen Info-Tisch zum Soldatengottesdienst aufstellen, am Karfreitag wird es wieder eine Veranstaltung im Kölner Filmhaus geben. Ein erneutes Sommerfest ist für Juni geplant. Es soll auch wieder einen Stammtisch in Köln geben, der erste Termin wird schon im Januar unter Federführung des IBKA-Köln stattfinden.

hpd: Und welche Themen siehst du in Nordrhein-Westfalen mittelfristig auf der Tagesordnung?

Rainer Ponitka: Bereits im kommenden Jahr wollen wir sehen, ob wir Landtagsabgeordnete in Düsseldorf für die Themen des IBKA interessieren können. Und zur Landtagswahl 2010 werden wir den Parteien Wahlprüfsteine vorlegen.

hpd: Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Martin Bauer.