Grundrechte für freien Binnenmarkt verhökert?

BERLIN. (hu/hpd) Humanistische Union enttäuscht über Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung.

 

Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner heute veröffentlichten Entscheidung die Klage der Republik Irland gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung abgewiesen. In seiner Entscheidung verweist das Gericht darauf, dass die umstrittene Richtlinie allein den Umfang und die Dauer der zu speichernden Daten bei den Providern behandle, der Zugriff staatlicher Stellen auf diese Daten dagegen national geregelt sei.

Die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Prof. Dr. Rosemarie Will, zeigt sich von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes schwer enttäuscht: "Die heutige Entscheidung trägt leider nicht dazu bei, den europäischen Rechtsstandard des Datenschutzes zu verbessern. Der Datenschutz bleibt auf europäischer Ebene weiterhin ein Anhängsel des Wettbewerbsrechts." Auch wenn das Gericht nur die kompetenzrechtlichen Fragen der Vorratsdatenspeicherung geprüft habe, sieht Rosemarie Will in der Entscheidung eine falsche konzeptionelle Einordnung des Datenschutzes. Vor allem die Begründung des Gerichts, bei der angegriffenen Richtlinie handle es sich vorrangig um eine wettbewerbsrechtliche Regelung, hält die Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation für eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Es sei richtig, dass die Richtlinie die Speicherung bei den privaten Telekommunikationsbetreibern beschreibt. "Jedoch sind die Provider hierbei nur Mittel zum Zweck - die Daten werden nicht für sie, sondern für den späteren Zugriff staatlicher Stellen gespeichert", stellt Rosemarie Will klar. Der Zweck der Vorratsdatenspeicherung gehe eindeutig aus Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie hervor: sie diene der "Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten".

"Es gleicht einem Taschenspielertrick, wenn das Gericht die Vorratsdatenspeicherung jetzt einfach zu einem wettbewerbsrechtlichen Akt umdeutet", kritisiert Will. Ein Interesse an der Vereinheitlichung der Datenspeicherung habe es nicht auf Seiten der Wirtschaft, sondern der Justiz- und Innenminister gegeben. Es sei heuchlerisch, so Will weiter, die Notwendigkeit einer einheitlichen Vorratsdatenspeicherung nun den Providern in die Schuhe zu schieben. "Die Telekommunikationsanbieter haben weder im Vorfeld der Richtlinie noch im Laufe der nationalen Umsetzungsprozesse ein besonderes Interesse an der Durchleuchtung ihrer Kunden gezeigt. In Deutschland haben sich zahlreiche Provider an den Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung beteiligt. Es macht deshalb überhaupt keinen Sinn, zu behaupten, dies sei alles nur in deren Interesse beschlossen worden."

Sven Lüders