„Freiheit statt Angst!"

FRANKFURT. (HU) Mit diesem Ruf zogen am Dienstag (6. November) ungefähr 1.200 Menschen durch die Frankfurter Innenstadt.

"Freiheit statt Angst" lautete aber auch bundesweit das Motto der Demonstrationen gegen die Vorratsdatenspeicherung, die an diesem Abend zeitgleich in 40 verschiedenen deutschen Städten stattfanden.

40 Demonstrationszüge

Allein in Hessen protestierten drei Demonstrationszüge durch Kassel, Wetzlar und Frankfurt gegen die drohende Einschränkung der Freiheitsrechte. In der Main-Metropole trafen sich Kritikerinnen und Kritiker des Überwachungs-Wahns um 17 Uhr vor der Paulskirche. An diesem geschichtsträchtigen Ort, wo 1848 das erste demokratisch gewählte Parlament Deutschlands zusammengetreten war, fand die Auftakt-Kundgebung symbolträchtig erst nach Einbruch der Abenddämmerung statt.

Trotz des Lautsprechers war von den Reden auf der Bühne in den hinteren Reihen kaum etwas zu verstehen. Dafür sorgte ein knatternder Polizei-Hubschrauber, der lautstark lärmend über dem Platz hin- und herflog.

Schweigepflicht wird zur Makulatur

Die erste Rede hielt ein Psychologe. Er kritisierte die überaus problematischen Folgen der geplanten Vorratsdatenspeicherung für die therapeutische Arbeit. Klienten könnten keinen Kontakt zu Therapeuten aufnehmen, ohne dass ihre Telefonate aufgezeichnet würden. Möglicherweise wirke das für viele als Hemmnis, den Schritt zu einem Therapeuten zu wagen.

Auch die gerade erst mit viel Mühe aufgebauten Beratungs-Plattformen im Internet könne man künftig vermutlich wieder schließen, wenn alle Zugriffsdaten erfasst und gegebenenfalls auch der Polizei und anderen Diensten zur Verfügung gestellt würden. So werde die therapeutische Schweigepflicht praktisch zur Makulatur.

Gläserne Patienten

Ähnliche Probleme schilderte anschließend auch ein Mediziner, der in Nordrhein-Westfalen als Hausarzt tätig ist. Hinzu kämen nach seiner Einschätzung noch die Eingriffe in den Datenschutz der Patienten, die durch die geplante Einführung der "Elektronischen Gesundheitskarte" entstehen würden.

Über die wahren Planungen dafür werde die Bevölkerung systematisch getäuscht, erklärte er. Trotz anderslautender öffentlicher Erklärungen seien auf dem Chip in der neuen Karte nicht alle wesentlichen medizinischen Daten der Patienten gespeichert. Vielmehr sollten diese Daten in einer gigantischen Online-Datenbank abgespeichert werden, erklärte er. Zu dieser Datenbank sollten zwei Millionen Menschen aus Ärzteschaft, Krankenhäusern und Krankenkassen Zugriff erhalten.

Hier seien dann die allerintimsten persönlichen Gesundheitsdaten gespeichert. Er warte nur noch auf den Tag, an dem solche Daten dann erstmals öffentlich im Internet zirkulieren, orakelte er.

Alle Menschen unter Generalverdacht

Als dritte Rednerin erinnerte eine Vertreterin von ATTAC an die Notstandsgesetze. 1968 habe mit ihnen der erste Dammbruch stattgefunden, bei dem die Freiheitsrechte der bundesdeutschen Bevölkerung systematisch eingeschränkt wurden. Nun drohe mit Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und der so genannten "Anti-Terror-Datei" eine noch viel schwerwiegendere Einschränkung der Bürgerrechte. Alle Menschen würden damit ohne Ansehen der Person unter Generalverdacht gestellt.

Gegen die verdachtsunabhängige Speicherung aller Verbindungsdaten von Telefon, Handy und Internet protestierten anschließend Menschen aller Altersstufen. Vom Paulsplatz zogen sie über die Berliner Straße zur Taunus-Anlage, zur Alten Oper und weiter durch die "Fressgass" über die Hauptwache wieder zurück zum Paulsplatz.

Friedlicher Verlauf

Ein Lautsprecher versorgte die Demonstrierenden dabei regelmäßig mit rhythmisch vorgebrachten Parolen wie "Wolfgang Schäuble in den Knast, weil er die Verfassung hasst!". Zwischendurch führte eine Trommelgruppe diesen Rhythmus fort.

"Auch in Deutschland herrscht bald schon Orwells Horrorvision", riefen Demonstranten spontan. Die Demo sang und rief auf ihrem Weg quer durch die Frankfurter Innenstadt. Es war ein überaus friedliches Bild, das sich den abendlichen Stadtbummlern in der Fußgängerzone bei leichtem Nieselregen bot.

Gegen 18.30 Uhr erreichte der Zug seinen Ausgangspunkt wieder. Hier wurde noch einmal eine Abschlusskundgebung durchgeführt, bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich mit einer Mahnwache vor der Paulskirche des drohenden Verlusts ihrer Freiheit gedachten.

In einer Nachrichtensendung des Hessischen Rundfunks (HR) wurde die Zahl der Protestierer am Abend mit 150 angegeben. Tatsächlich dürften es aber trotz des Regens beinahe zehnmal so viele gewesen sein.

Franz-Josef Hanke