Debatte über den Ursprung der Menschenrechte

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J. Beck, U. Foraci, M. Wagner, Ü. Kaymakci, D. Winkler, Dr. H. Düringer / Foto: Dennis Merbach

FRANKFURT. (gbs/hpd) Schon seit über einem Jahr finden im Rahmen der von den Säkularen Humanisten organisierten Reihe „Humanismus und Aufklärung statt Fundamentalismus oder Beliebigkeit“ Veranstaltungen im Frankfurter Saalbau Bornheim statt.

Während es in der Vergangenheit Vorträge mit ReferentInnen wie Michael Schmidt-Salomon, Arzu Toker oder Amardeo Sarma gegeben hatte, betrat man am Freitag den 6. November Neuland.

Zur Podiumsdiskussion unter dem Motto „Interkulturelle Werte = Universelle Werte. Chance oder Illusion?“ saßen erstmals nicht nur Referenten aus dem säkularen Spektrum am Mikrofon. Bewusst hatten die Säkularen Humanisten auch Vertreter von Religionsgemeinschaften eingeladen.

Neben Jochen Beck und Dirk Winkler von den Säkularen Humanisten saßen Dr. Hermann Düringer, Direktor der Evangelischen Akademie Arnoldshain, und Ünal Kaymakci, Stellvertretender Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) auf dem Podium. Außerdem nahm Ulrike Foraci, Geschäftsführerin des Hessischen Landesausländerbeirates an der Diskussion Teil, die Gesprächsleitung hatte Martin Wagner, Mitglied der Säkularen Humanisten und Vertreter von DiKoM e.V., übernommen.

Debattiert werden sollte über die Frage nach dem Wertefundament einer kulturell vielfältigen Gesellschaft. Kann man von universellen Werten ausgehen? Oder können Werte im Sinne eines Kulturrelativismus relativiert werden? Moderator Wagner hoffte auf einen spannenden, streitbaren Dialog – aber keinen „Kuscheldialog“.

Nach einem Kuscheldialog sah es allerdings anfangs sehr wohl aus – zumindest von Seiten der Vertreter der Religionen. Alle Diskussionsteilnehmer betonten die Möglichkeit und Notwendigkeit universeller Werte. Diese fänden ihren Ausdruck in den Menschenrechten und dem Grundgesetz – so der Konsens unter Säkularen und Religiösen. Vor allem Düringer und Kaymakci betonten vor allem die – vermeintlichen oder realen –Übereinstimmungen zwischen der säkularen und der religiösen Position.

Begründung der universellen Werte

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M. Wagner, D. Winkler, Dr. H. Düringer
Uneinig waren sich die Diskussionspartner allerdings in der Frage der Begründung dieser universellen Werte. Während Jochen Beck den Ursprung der Menschenrechtsidee in der rationalistischen Philosophie verortete und Dirk Winkler, in Anlehnung an Schmidt-Salomon eine „Ethik ohne Moral“ einforderte, betonte vor allem Muslim Kaymakci die Rolle der abrahamitischen Religionen als Wertegeber. Ulrike Foraci hingegen maß dem Ursprung der Werte keine große Bedeutung bei. Werte wie Aufrichtigkeit, Respekt und Solidarität fänden sich sowohl bei Religiösen und Atheisten. Das Problem sei nicht die Begründung der Werte – sondern ihre Umsetzung. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien nicht mit diesen universellen Werten vereinbar, aber nach wie vor ein großes Problem in der Gesellschaft.

Die Frage nach dem Ursprung der Menschenrechte nahm dennoch den Großteil der weiteren Diskussion ein. Hermann Düringer gestand ein, dass die Menschenrechte gegen die Machtansprüche der christlichen Kirchen erkämpft werden mussten, und bescheinigte den Religionen eine „Anfälligkeit für Fundamentalismus“. Den Ursprung der Menschenrechte sah der Theologe allerdings dennoch in der Religion. Kaymakci wies darauf hin, dass auch die „islamischen Länder“ die Erklärung der Menschenrechte unterschrieben hätten. Die Menschenrechte seien im Islam bereits enthalten, insbesondere die Stellung der Frau im Koran sei für die die damalige Zeit „revolutionär“ gewesen.

Diese Ansichten blieben nicht unwidersprochen. Jochen Beck sah die zehn Gebote als unethisch an, da dort Sippenhaft und Glaubenszwang gefordert würden. Die so genannte „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“ stelle sämtliche Menschenrechte unter Scharia-Vorbehalt, was einer praktischen Entwertung gleich komme. Ünal Kaimakci wich einer deutlichen Stellungnahme zur Kairoer Erklärung leider aus.

Kein Konsens

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J. Beck, U. Foraci
Ein Konsens konnte auf dem Podium erwartungsgemäß nicht erzielt werden. Während die Säkularen Kritik am Absolutheitsanspruch der Religionen übten, empfanden die Vertreter der Religionen (und auch einige ZuhörerInnen) das engagierte Eintreten für den säkularen Humanismus als intolerant und „missionierend“. Dem widersprach Jochen Beck. Er betonte die Wichtigkeit der Toleranz und schloss seine Rede mit dem berühmten Zitat von Voltaire: „Du bist anderer Meinung als ich und ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.“

Wie bereits erwähnt, hatte die Diskussion über die Herkunft und Begründung der Menschenrechte einen sehr großen Teil der Diskussion eingenommen. Die Frage, wie diese Werte in der Praxis umgesetzt werden könnten, kam kaum zur Sprache. So konnte die Diskussion zwar einen guten Überblick über den Konflikt zwischen dem kritisch-rationalen und dem religiösen Weltbild liefern - an ihrem Ziel, nämlich aufzuzeigen, welchen Beitrag universelle Werte für die Überwindung ideologischer Gräben leisten können, war sie leider etwas vorbeigeschossen. Ulrike Foraci gestand allerdings ein, dass ihr das erste mal bewusst geworden sei, dass die säkulare Position in der interreligiösen Debatte bislang ausgegrenzt worden ist. So bleibt zu hoffen, dass die Podiumsdiskussion vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte, dies zu ändern.

Die Themen Kulturrelativismus und universelle Werte werden sicherlich auch bei der nächsten Veranstaltung der Reihe „Humanismus und Aufklärung statt Fundamentalismus oder Beliebigkeit“ eine große Rolle spielen.

Am 20.11.2009 wird die Menschenrechtsaktivistin und Islamkritikerin Mina Ahadi zum Thema: „Ich habe abgeschworen: Warum ich für die Freiheit und gegen den Islam kämpfe“ sprechen. Der Vortrag wird wie gewohnt um 19:30 im Saalbau Bornheim stattfinden.

Malte Jessl