„Eiszeit in der Ökumene“

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Prof. Dr. Peter Dawrock, Bischöfin Margot Käßmann, Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, Matthias Drobinski / Foto: Erdmuthe Sturz

MARBURG. (hpd) "Meist sind Erfolge der Grund für die größten Konflikte." Mit diesem Zitat des Physikers und Philosophen Prof. Dr. Carl-Friedrich von Weizsäcker erklärte die EKD-Ratspräsidentin Margot Käßmann ihre Einschätzung zum Stand der Zusammenarbeit der beiden großen christlichen Konfessionen.

Unter dem Titel "Neuer Konfessionalismus – Eiszeit in der Ökumene" diskutierten die evangelische Landesbischöfin aus Hannover, der katholische Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann aus Speyer und der Journalist Matthias Drobinski von der Süddeutschen Zeitung (SZ) am Samstag (23. Januar) beim 12. Marburger Ökumene-Gespräch in der Aula der Alten Universität.

Zeit der kleinen Schritte

Nach ersten großen Erfolgen in der Zusammenarbeit von Katholiken und Protestanten sei jetzt die Zeit der kleinen Schritte angebrochen, analysierte Käßmann. "Die Mühen der Ebene" seien aber das Ergebnis vorheriger Erfolge, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wären.

Die Bischöfin plädierte für eine Vielfalt unterschiedlicher Rituale und Glaubenspraktiken innerhalb einer gemeinsamen Religion. Diese Unterschiedlichkeit verstehe sie als Bereicherung.

Wichtig sei allerdings der gegenseitige Respekt vor der divergenten Haltung des Anderen, forderte Käßmann. Keinesfalls dürfe Ökumene auf eine Gleichmacherei oder Einebnung religiöser Unterschiede hinauslaufen.

Befremden habe hier bei vielen Protestanten allerdings die Schrift "Dominus Jesus" der katholischen Kirche ausgelöst. Der amtierende Papst Benedikt XVI. hatte dieses Traktat noch unter seinem bürgerlichen Namen Josef Ratzinger in seiner Funktion als Präfekt der "Heiligen Glaubenskongregation" verfasst.

Die katholische Kirche habe darin den Protestanten die Eigenschaft abgesprochen, überhaupt Kirche zu sein. Das habe viele evangelische Christen gekränkt.

Befremden auf katholischer Seite

Diese Schrift sei aber eher nach innen gerichtet gewesen als nach außen, beschwichtigte Wiesemann. Der 69. Bischof von Speyer äußerte wiederum Befremden darüber, dass die Evangelische Kirche ihre Vertreter aus einer gemeinsamen Kommission zur Erarbeitung einer "Einheits-Übersetzung" der Bibel zurückgezogen hatte. Anlass dafür war die Forderung des Vatikan, dass die Übersetzung kompatibel sein müsse mit der katholischen Liturgie.

Diese Forderung halte er für eine Selbstverständlichkeit, erklärte der Repräsentant der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz im bundesweiten Arbeitskreis Christlicher Kirchen (ACK). Das Ausscheren der protestantischen Theologen aus der Arbeitsgruppe bedaure er außerordentlich, da damit die Chance auf eine gemeinsame Textgrundlage verschenkt werde.

Sowohl Wiesemann wie auch Käßfmann mochten trotz aller Widrigkeiten aber nicht von einer "Eiszeit in der Ökumene" reden. Vielmehr habe man bislang die Gemeinsamkeiten ausgelotet, um nun auch auf die Unterschiede zu stoßen.

„Eiszeit“ als Beschreibung angemessen

Drobinski hingegen hielt die Definition des derzeitigen Stands der Zusammenarbeit als "Eiszeit" für angemessen. "Ich habe mich über das Thema oberflächlich informiert, wie Journalisten das so tun", berichtete er.

Seine Recherche bei der Internet-Enzyklopädie habe ergeben, dass die Welt derzeit in einer Eiszeit lebe. Auch während einer Eiszeit gebe es aber durchaus sonnige und wärmere Zeiten.

So sieht Drobinski auch den Stand der Ökumene als "Eiszeit", die mitunter wärmere Phasen und dann wieder kältere Zeiten durchlaufe. In Gesprächen über die Ökumene werde von beiden Seiten zwar immer betont, dass das Klima untereinander gut sei, doch in der Praxis stoße die Zusammenarbeit dann auf zahlreiche Hindernisse.

Grund dafür sei ein vollkommen unterschiedliches Verständnis davon, was überhaupt eine Kirche sei. Für die Katholiken sei Kirche ein homogener Körper, der hierarchisch strukturiert sei und einheitlich ausgerichtet sei. Protestanten hingegen verstünden darunter eher die Vielfalt der Einzelnen, die ihrer persönlichen Überzeugung anhingen.

Hinzu kämen auch kulturelle Unterschiede, die sich beispielsweise in der Heiligen-Verehrung der Katholiken oder bei den Protestanten in der Bezugnahme auf Martin Luther ausdrückten.

Ein Beispiel von der Berichterstattung über eine Ökumenische Konferenz machte seine Einschätzung anschaulich: Eine evangelische Journalistin habe ihm zugeraunt: "Es riecht sehr stark nach Weihrauch hier." Daraufhin habe er als Katholik geantwortet: "Das klingt sehr stark nach Posaune hier!"

Zeit der Gemeinsamkeiten vorbei

Alle drei Diskutanten vermuteten, dass die Zeit der optimistischen Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den beiden großen Konfessionen nun vorüber sei. Jetzt gelte es, die Unterschiede herauszuarbeiten und nach Lösungen zu suchen, um damit konstruktiv umzugehen.

Drobinski warnte hier aber vor einem Abgleiten in fundamentalistische Positionen. Mitunter erinnere ihn das Verhalten der Vertreter beider Konfessionen an das eifersüchtige Buhlen um öffentliche Aufmerksamkeit.

"Sie zählen die Zeilen, wie oft sie in der Zeitung vorkommen und wie oft die Anderen", berichtete der Redakteur im SZ-Ressort "Innenpolitik". Dass dabei die Katholische Kirche besser abschneide, liege vor allem in den Skandalen begründet, von denen sie einfach mehr zu bieten habe. Für Journalisten sein Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester oder die Wiederaufnahme der erzreaktionären Pius-Bruderschaft nun mal ein gefundenes Fressen.

Im Vergleich zu den Schwierigkeiten im Dialog mit der Orthodoxie sei das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten noch halbwegs gut, meinten Wiesemann und vor allem Käßmann. Sie kündigte an, dem orthodoxen Metropoliten den Kulturschock zumuten zu wollen, dass die deutschen Protestanten von einer Frau geleitet werden.

Publikumsfragen

Die theologischen Probleme der Kirchenoberen beispielsweise bei der noch nicht gelösten Auseinandersetzung um ein gemeinsames Abendmahl kritisierten gleich mehrere Teilnehmer aus dem Publikum. Sie bemängelten eine zunehmende Distanz der Kirchenoberen von den Gemeinden.

Gerade Gläubige aus "konfessionsverbindenden Ehen" – wie nach Käßmanns Aussage die Verbindungen zwischen katholischen und evangelischen Partnern neuerdings genannt werden – verlangten nach mehr Anstrengungen in der Ökumene. In den Gemeinden sei die Zusammenarbeit kein Problem, berichteten gleich mehrere Teilnehmer aus dem Publikum.

Käßmann warnte hier jedoch vor allzu großem Optimismus. Bei genauerer Betrachtung werde man auch in den Gemeinden viel Trennendes finden, vermutete sie.

Die deutschen Kirchen seien aber in der luxuriösen Position, viele gut ausgebildete Theologen zu haben, die solche Probleme sachkundig hinterfragen und ausdiskutieren könnten. Damit seien sie der Weltkirche voraus, meinte die Präsidentin des Rats der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD).

Ihr und Wiesemann sowie dem Publikum gab Drobinski einige Tipps zum Verhalten in einer Eiszeit mit: Man solle sich warm anziehen, sich über jeden Sonnenstrahl freuen und man müsse sich einfach mehr anstrengen, um ausreichend Nahrung zu finden.

Franz-Josef Hanke