FRANKFURT/O. (hpd) Was man aus Frankfurt (Oder) gewöhnlich läuten hört, ist nur allzu oft unerfreulich: Hochwasser, Grenzkriminalität, Babymord, Einwohnerschwund… Umso lieblicher klingelt die glockenhelle Botschaft in den geneigten Ohren: Das Geläut der Marienkirche ist kurz nach Ostern wieder auferstanden.
Osanna, Maria, Adalbert und Hedwig heißen die tonnenschweren und eine reichliche halbe Million Euro teuren “Meisterwerke abendländischer Glockengießerkunst”, die unlängst mit angemessenem Pomp in der Stadt Einzug hielten und sodann in ihrem Gestühl Platz nehmen durften.
Bischof Huber, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, nahm höchstpersönlich die Weihe vor und bejubelte das “beeindruckende Gemeinschaftswerk der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Oder-Spree und des Fördervereins von Sankt Marien.” Hoppla. Hieß es nicht noch kurz vorher im rbb wohltönend, diese beispielgebende Kulturtat sei ausschließlich aus privaten Spenden finanziert worden?
Die Märkische Oderzeitung sah etwas genauer hin: 120.000 Euro Spenden vom Förderverein, 240.000 Euro von der Sparkasse und 167.000 Euro “streckte” die Stadt “vor”. Nanu, seit wann ist die Stadt Frankfurt(Oder) mit ihrer chronisch klammen Kasse ein Kreditinstitut? Schon klar, dass man dies nur ungern an die große Glocke hängt.
Aber was spricht eigentlich gegen öffentliche Gelder? Schließlich kommen ja ab Pfingsten alle Einwohner und Gäste der Stadt in den über siebzig Jahre lang entbehrten Genuss des hochdezibelischen Gescheppers. Läuten kommt von laut, und an diesem lieblichen Fest wird es dann erstmals hernieder brausen, auf dass die konfessionslose Mehrheit der Stadtbewohner vom Heiligen Geist geläutert werde. Und die veröffentlichte Freude wird groß sein.
Bleibt zu hoffen, dass endlich auf diesem Wege himmlische Ratschlüsse die geneigten Ohren der Ratsdamen und –herren im benachbarten Rathaus heimsuchen mögen, und dass sie von Herzinfarkt, Hörsturz und Tinnitus verschont bleiben, wenn Osanna loswummert. Immerhin ist Oberbürgermeister Wilke Glockenpate dieses 5,2-Tonnen-Trumms. Was es nicht alles gibt – Hosianna!
Die Passion ist damit aber noch keineswegs zu Ende. Der Förderverein will weitere Spenden eintreiben: Zwei Glocken für das “kleine Stundengeläut” sollen das Gesamtwerk einst komplettieren. Dass es um Mitternacht vom Turme Dreizehn schlägt – im Zeitalter des allgegenwärtigen Smartphones ist das einfach unerlässlich.
Wer hat da einen an der Glocke?