Anhang 1: Das Interview
Hier eine Mitschrift des relevanten Teils des Interviews, die ich selbst angefertigt habe. Im Internet habe ich keine Mitschrift gefunden.
Mod: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wenn Sie sich das ganze Ausmaß dieser Missbräuche anschauen, die hinter Kirchenmauern jahrzehntelang vertuscht wurden, ohne, dass der Staat eingreifen konnte: Wie hilflos fühlt sich da eigentlich eine Bundesjustizministerin?
SLS: Das ist wirklich erschütternd. Das Ausmaß ist ja noch gar nicht absehbar. Es steht zu befürchten, dass – auch in Deutschland – viele dieser Missbrauchsfälle nicht mehr strafrechtlich geahndet werden können, weil sie verjährt sind. Aber das Allerschlimmste ist: Was hier jungen Menschen angetan wurde, das kann ihr ganzes Leben zerstört haben – und das macht auch etwas hilflos.
Mod: Kann man auch, ihrer Ansicht nach, den Eindruck haben, die Kirche entziehe sich dem staatlichen Rechtssystem?
SLS: Bisher war jedenfalls nicht der Eindruck da – und ist auch durch nichts gefestigt worden – , dass, bei auch nur dem Verdacht auf Missbrauch, hier die Verantwortlichen der Katholischen Kirche mit den Strafverfolgungsbehörden konstruktiv zusammenarbeiten. Es ist leider bisher nicht ersichtlich, dass sie ein aktives Interesse an wirklich rückhaltloser und lückenloser Aufklärung gezeigt haben, und deshalb muss natürlich überall da, wo nicht verjährt ist, das ganz klar erfolgen, und ich erwarte, dass die Verantwortlichen der Katholischen Kirche endlich konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, Hinweise geben, mit aufklären.
Mod: Wie soll das geschehen? Nach den bisherigen Leitlinien der Katholischen Kirche wird immer erst eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet, und dann gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Müsste das nicht sofort in jedem Verdachtsfall geschehen?
SLS: Kindesmissbrauch ist ein Offizialdelikt. Und da können nicht andere drüber entscheiden, ob dieses Delikt verfolgt wird oder nicht. Und dann muss es eben andere Richtlinien geben. Ich glaube, es ist vorbei, zu versuchen, solche Richtlinien zu rechtfertigen. Über 120 Missbrauchsfälle allein in den letzten wenigen Wochen, und es ist ja wohl zu befürchten, dass es immer mehr werden, und deshalb muss natürlich sofort die Staatsanwaltschaft informiert werden, und es muss aufgeklärt werden – im Interesse der Katholischen Kirche.
Anhang 2: Die einschlägigen Stellen Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche
I. Zuständigkeit
1. Der Diözesanbischof beauftragt eine Person, die den Vorwurf sexuellen Missbrauchs Minderjähriger prüft. Wer von sexuellem Missbrauch Kenntnis erhält, soll sich an die beauftragte Person wenden. Alle kirchlichen Mitarbeiter sind verpflichtet, Fälle, die ihnen zur Kenntnis gebracht werden, weiterzuleiten. Der Beauftragte recherchiert den Sachverhalt und ist Kontaktperson für die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. [...]
II. Prüfung und Beurteilung
3. Jede Anzeige oder Verdachtsäußerung wird umgehend geprüft. Unmittelbar nach Kenntnisnahme eines Verdachts oder eines Vergehens leitet der Beauftragte die Prüfung ein. Er führt mit dem Verdächtigten ein Gespräch, zu dem er einen Juristen hinzuzieht. Über das Gespräch wird ein Protokoll angefertigt, das von den Beteiligten zu unterzeichnen ist. Mit dem (mutmaßlichen) Opfer bzw. seinen Erziehungsberechtigten wird umgehend Kontakt aufgenommen. Aufgrund der protokollierten Tatbestände wird beurteilt und festgestellt, wie den Betroffenen am besten zu helfen ist und weiter vorgegangen werden muss. Die Fürsorge der Kirche gilt zuerst dem Opfer. Dem Schutz des Opfers vor weiterem Missbrauch oder öffentlicher Preisgabe von Informationen wird besondere Sorgfalt gewidmet. Auch dem Verdächtigten gegenüber bleibt die Pflicht zur Fürsorge. Er steht bis zum Erweis des Gegenteils unter Unschuldsvermutung. Erweist sich der Verdacht als unbegründet, werden die notwendigen Schritte unternommen, den guten Ruf der Person wiederherzustellen.
4. Der Diözesanbischof wird sofort unterrichtet. Die Verantwortung des Diözesanbischofs bleibt – unbeschadet der Einsetzung des Beauftragten – bestehen. Er wird unverzüglich nach Kenntnisnahme eines Verdachts oder eines Vergehens informiert.
III. Kirchliche Voruntersuchung
5. Bei Erhärtung des Verdachts wird eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet. Erhärtet sich der Verdacht, wird eine kirchenrechtliche Voruntersuchung gemäß c. 1717 CIC eingeleitet. Diese wird von einer geeigneten Person, die der Bischof bestimmt, durchgeführt. Je nach Sachlage wird entschieden, ob der Verdächtigte für die Dauer der Voruntersuchung von seinem Dienst freigestellt werden und sich von seinem Dienstort entfernt halten muss. [...]
6. Bestätigt die Voruntersuchung den Verdacht sexuellen Missbrauchs, wird der Apostolische Stuhl befasst. [...]
IV. Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden
7. In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten zur Selbstanzeige geraten und ggf. das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht (vgl. I, 1). In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten – falls nicht bereits eine Anzeige vorliegt oder Verjährung eingetreten ist – zur Selbstanzeige geraten und je nach Sachlage die Staatsanwaltschaft informiert. Kontaktperson für die staatlichen Strafverfolgungsbehörden ist der vom Bischof Beauftragte (vgl. Leitlinie I, 1). Wenn die Staatsanwaltschaft bereits aufgrund einer Anzeige recherchiert, wird mit ihr Verbindung aufgenommen.
Forderung: Kinderschutz vor Beichtgeheimnis (23.2.2010)
Missbrauch: Es ist alles seit Jahren bekannt (8.2.2010)
Forderung: Kinderrechte ins Grundgesetz (31.5.2007)
Innaiah Narisetti: Religion und Kindesmissbrauch (15.5.2007)
UN-Konvention: Kinderrechte sind Menschenrechte (3.5.2007)
Umfrage: Wichtigste Werte im Leben der Kinder (26.10.2006)