Die Geheimnisse von Fatima

Die Geheimnisse von Fatima II – Das Sonnenwunder

Am 13. Mai 1917 begannen die “Marienerscheinungen” von Fatima. Am sechsten und letzten Erscheinungstag, also am 13. Oktober, ereignete sich das berühmte “Sonnenwunder”, das bis heute als unumstößlicher Beweis für die Echtheit der Ereignisse gilt.

Wirklich? Sehen wir uns die Sache näher an.

Schon am dritten Erscheinungstag am 13. Juli hatte die “Seherin” Lucia ein großes Wunder für den 13. Oktober angekündigt – und damit für eine entsprechend gläubige Erwartungshaltung bei den Zuschauern gesorgt.

Schätzungsweise zwischen 50.000 und 70. 000 Menschen versammelten sich daher am letzten Erscheinungstag in der Cova da Iria, wo wiederum Lucia Santos das “Signal” gab und kurz nach 14 Uhr mit lauter Stimme rief: „Schaut auf die Sonne!“ Portugiesische Zeitungen zitierten in den folgenden Tagen einige Zeugen, die gesehen haben wollen, wie sich die Sonne wie ein Rad drehte, am Himmel „tanzte“, rotierte oder zu Boden stürzte. Manche nahmen Marias Gesicht auf der Sonnenscheibe wahr oder eine besonders intensive Strahlung in allen Farben.

Nüchtern betrachtet ist an dem vermeintlichen „Sonnenwunder“ indes wenig Wundersames. Keineswegs alle Anwesenden sahen etwas, und nur die wenigen Ausnahmen machten Schlagzeilen. In einer frommen Kleinschrift zu Fatima etwa wird gesagt, 16 Augenzeugen hätten sich bei einem Pfarrer unter Eid zu dem „Sonnenwunder“ geäußert. Überflüssig zu erwähnen, dass kein Astronom, keine Sternwarte das Phänomen bestätigen konnte.

Allerdings weisen die meisten Aussagen starke Übereinstimmungen auf. Sie beziehen sich in erster Linie auf anscheinend unerklärliche Farbeffekte der Umgebung sowie auf das Phänomen der wild am Himmel tanzenden Sonne. Das alles legt den Schluss nahe, dass es sich bei dem „Sonnenwunder“ um ein rein subjektives Phänomen handelte. Genauer gesagt: Dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem In-die-Sonne-Sehen und den übereinstimmenden Wahrnehmungen.

Was ist tatsächlich geschehen? Sehr wahrscheinlich dieses: Kurz vor dem „Sonnenwunder“ hatte es geregnet. Durch den Dunst war die Lichtstärke der Sonne vorübergehend etwas herabgesetzt, sodass einige der Schaulustigen einen Blick auf die Sonnenscheibe riskieren konnten. Wegen der immer noch enormen Helligkeit des Himmelskörpers versucht das Auge, ihr aus Selbstschutz auszuweichen. Der Sonnentanz ist also nichts anderes als ein autokinetischer Effekt, eine optische Täuschung, bei der Lichtquellen durch unwillkürliche Augenbewegungen als bewegt wahrgenommen werden.

Der geschilderte Farbwechsel der Umgebung ist auf den Nachbild-Farbumkehreffekt zurückzuführen, wie wir ihn zur Genüge kennen: Die Umgebung verfärbt sich gelb, weil sie im Nachbild die Farbe der Sonne annimmt.

Dass auch Gläubige in einiger Entfernung von Fatima das Schauspiel beobachtet haben wollen (und sogar Papst Pius XII. im Jahr 1950 sein eigenes „Sonnenwunder“ im Vatikan sah) ist mithin nichts Mysteriöses: Jeder kann unter vergleichbaren Bedingungen Fatima nacherleben – auch wenn man solche Experimente besser unterlassen sollte, da irreparable Netzhautschäden entstehen können.

In der allgemeinen Euphorie um das „Sonnenwunder“ gehen zwei wichtige Punkte unter: Zum einen äußert die Gottesmutter auch an diesem letzten Erscheinungstag nichts, was man als “besonderes Anliegen” interpretieren könnte – so, wie sie es am ersten Erscheinungstag angekündigt hatte. Bei allen sechs Begegnungen der „schönen Dame“ mit Lucia, Francisco und Jacinta ging es um nichts weiter als um einen schlichten Aufruf zum Rosenkranzgebet für den Frieden, realistisch betrachtet genährt durch die Ängste und Hoffnungen von Kindern, deren Familienangehörige kurz davor zum Kriegsdienst eingezogen worden waren.

Zum anderen unterläuft der Seherin Lucia an diesem 13. Oktober ein herber Schnitzer. Bei einer Befragung am Abend nach dem „Sonnenwunder“ erklärt sie, die Gottesmutter habe gesagt, „dass wir uns bessern sollen, dass wir unseren Herrn, der sehr beleidigt sei, nicht beleidigen sollen, dass wir den Rosenkranz beten und Verzeihung unserer Sünden erbitten sollen, dass der Krieg heute aufhören werde und dass wir unsere Soldaten sehr bald erwarten sollen“.

Der Erste Weltkrieg endet jedoch mitnichten an diesem 13. Oktober 1917. Auf Nachfragen betont die Seherin am 19. Oktober: „Ich habe es so gesagt, wie Unsere liebe Frau es gesagt hat.“ In den Fatima-Schriften steht heute zu lesen, Lucia habe lediglich gesagt, der Krieg gehe „bald“ zu Ende. Das ist erstens falsch. Zweitens wenig mehr als eine vage Binse. Und drittens zog sich der Krieg noch ganze sechzehn Monate hin. Für die Gegner der Echtheit der Prophezeiungen zu lange.