Wulff: Nichts lief wie geschmiert

Ergebnis des 3. Wahlgangs

Als der Bundestagspräsident die allgemeinen Abstimmungsdaten bekannt gibt, brandet schließlich Beifall auf. Teilgenommen haben 1242 Miglieder, ungültige Stimmen 2, Enthaltungen 121, das ist klar, die Linke hat sich also so gut wie geschlossen enthalten.

Im 3. Wahlgang entfallen auf Christian Wulff 625 Stimmen und auf Joachim Gauck 494 Stimmen. Damit ist Christian Wulff zum 10. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

 

Nach lang anhaltenden Beifall und einem kurzen Gratulationsdefilee erklärt der Bundestagspräsident, dass Christian Wulff mit sofortiger Wirkung sein Amt als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen niedergelegt habe und fragt Christian Wulff ob er die Wahl annehme. Wulff nimmt an.

„Gott schütze unser Land“

Der gewählte Bundespräsident tritt sein Amt an, sobald die Amtszeit des Vorgängers abgelaufen ist. Im Falle des Rücktritts mit sofortiger Wirkung, wie bei Horst Köhler, tritt der Nachfolger das Amt an, sobald er die Annahme der Wahl erklärt hat. Dies kann bereits in der Bundesversammlung selbst geschehen. Da er aber erst am Freitag vereidigt wird, ist er erst ab Freitag im Amt.

In einer kurzen Rede erklärt der neu gewählte Bundespräsident, dass er sich bemühen werde, auch die Erwartungen derer zu erfüllen, die ihn nicht gewählt haben. Er wolle zur inneren Einheit Deutschlands beitragen. Er spricht von Land, nicht von „Vaterland“, und bekräftigt: „Wir brauchen alle Menschen in unserem Land“. Abschließend formuliert er: „Deutschland ist unsere Heimat“ und „Gott schütze unser Land“.


Kritische Stimmen

Kritische Stimmen hatten noch gestern gefragt: „Wulff: Ein Missionar auf dem Weg nach Bellevue?“ Belegt wurde diese Frage mit den bekannt gewordenen Kontakten des Katholiken Wulff zu religiösen Eiferern aus dem evangelikalen Spektrum. Er ist nicht nur Mitglied im Kuratorium von „Pro Christ“, einem evangelikalen Verein für Massenevangelisationen, sondern vor erst fünf Wochen, also kurz vor seiner Nominierung zum Bundespräsidenten, eine Rede vor dem Arbeitskreis Christlicher Publizisten, der von Insidern politisch dem eher rechten Rand zugeordnet wird.

Auf diese Verbindungen hatte auch die gemeinsame Initiative säkularer Organisationen „Wulff im Schafspelz – nein danke!“ hingewiesen.

Erste Enttäuschungen

Bundesbürger des konfessionsfreien Drittels der Bevölkerung, die gehofft hatten, dass Bundespräsident Wulff dem Beispiel des US-Präsidenten Barack Obama folgen würde, wurden enttäuscht. Präsident Obama hatte zum ersten Mal in der Geschichte der USA in der Inaugurationsrede eines US-Präsidenten auch ausdrücklich die Nicht-Gläubigen mit benannt („We are a nation of Christians and Muslims, Jews and Hindus and non-believers."). Mit der Schlussformel seiner ersten Erklärung „Gott schütze unser Land“ hat Wulff seine Kritiker allerdings erst einmal in ihrer Kritik bestätigt.

Perspektive?

Wird Bundespräsident Wulff nun genau so frömmeln wie seine direkten Vorgänger Köhler und Rau oder wird er sich schließlich doch an dem korrekten Verhalten eines anderen Amtsvorgängers orientieren? Bundespräsident Gustav Heinemann, persönlich ein frommer Protestant, hat das nicht in seine Amtsführung einfließen lassen. Er verstand sich im Amt als der „Bundespräsident aller Deutschen“, den sich die Konfessionsfreien von Christian Wulff als Bundespräsidenten ebenso erwarten.

Diese Chance hat Christian Wulff jetzt erhalten und er kann sich gewiss sein, dass die Konfessionsfreien es sehr genau beobachten werden, ob er sich weltanschaulich neutral verhält und in dieser Hinsicht zumindest ein Bundespräsident aller Deutschen sein wird.

René Hartmann, der Vorsitzende des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) hat dazu auch schon zwei Essentials formuliert:

  • Wenn er diesen Zweifeln begegnen will, ist sein Ausscheiden aus dem Kuratorium von „Pro Christ“ unabdingbar.
  • Wenn er der Präsident aller Deutschen sein will, sollte er sich in seiner Funktion öffentlich weltanschaulich neutral verhalten und als Bundespräsident beispielsweise keine Kirchentage besuchen.

Er soll sich ja nicht persönlich verbiegen, sondern nur in seinem Amt das tun, was von diesem Amt erwartet wird: Neutral zu sein.

Carsten Frerk.