Religionsunterricht

Die Thüringer Kirchen barmen

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Erfurter Dom und Severikirche am Domplatz, Wahrzeichen von Erfurt
Erfurter Dom und Severikirche am Domplatz, Wahrzeichen von Erfurt

WEIMAR. (hpd) Pünktlich zu den diesjährigen Minoritäten-Festen, dem evangelischen Reformationstag am 31. Oktober und dem katholischen Allerheiligen am 1. November, barmen die Kirchen im Freistaat über “Wachsende Probleme beim Religionsunterricht”. Und schuld daran ist natürlich aus deren Sicht der Staat, sprich die Regierung des Frei(!)-Staates Thüringen.

Der Religionsunterricht in Thüringen stehe vor wachsenden organisatorischen Problemen, heißt es unisono. Die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche bemängeln vor allem, dass immer häufiger schulübergreifender Nachmittagsunterricht angeboten werden müsse. Damit werde das Angebot für die Kinder aus christlichen Familien immer unattraktiver, sagte der Leiter der Schulabteilung im Bistum Erfurt, Martin Fahnroth, dem Rundfunksender MDR THÜRINGEN. Im Schulamtsbezirk Süd hätten im vergangenen Schuljahr nur noch 31 Prozent der Kinder aus katholischen Familien auch den katholischen Religionsunterricht besucht.

Hm, das ist doch eigentlich gut, wenn die religiöse und konfessionsgebundene Glaubensunterweisung außerhalb der regulären Stundentafel staatlicher Schulen stattfindet. Und wenn die Teilnehmerzahl gesunken ist, dann bedeutet das doch wohl, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr zu solch einer Unterweisung anmelden wollen. Zwingen kann der Staat, kann die Schulleitung, diese dazu ja nicht, siehe Artikel 7 (2) GG.

Andererseits wirft die angesprochene Prozentzahl auch ein Licht auf die tatsächliche Gläubigkeit formaler Kirchenmitglieder. Und man sollte bei dem klerikalen Wehklagen auch dies bedenken: Üblicherweise ist für die Erteilung von “Religionsunterricht” eine Mindestteilnehmerzahl von acht Schülern erforderlich. Und wenn diese Mindestzahl bei einem Katholikenanteil in der angesprochenen Religion von etwa 5 (in Worten: FÜNF) Prozent nicht mehr pro Jahrgang und/oder Schule erreicht wird, dann ist doch ein “schulübergreifender Nachmittagsunterricht” eine gute Lösung mit staatlicher Duldung.

Die evangelische Kirche kritisiert ihrerseits vor allem die kurzfristige Planung des Bildungsministeriums. Der zuständige Referatsleiter der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Klaus Ziller bemängelte, dass kirchliche Lehrer immer nur für ein Schuljahr angefordert würden. Nun, auch der Lutheraneranteil ist in Thüringen sehr niedrig, er liegt bei etwa 20 Prozent. Und wenn da vielleicht die empirische Erfahrung besagt, dass auch hier immer weniger Kinder von ihren Eltern angemeldet werden, dann kann das Ministerium eben nicht auf Jahrzehnte im voraus planen, sondern muss von den realen Gegebenheiten ausgehen.

Die Herren Theologen scheinen auch in Thüringen wohl immer noch in monarchistischen Zeiten zu leben, als etwa 99 Prozent aller Untertanen einer der beiden Staatskirchen angehörten und die Kirchen sogar die Aufsicht über das öffentliche Schulwesen ausübten. Ja, damals konnten sie unbesorgt über die Köpfe der Menschen hinweg auf ewig und drei Tage den “Religionsunterricht” planen. Doch, die Zeiten sind heuer gänzlich andere, denn mehr als zwei Drittel aller Menschen hierzulande sind religionsfrei. Und selbst von den formalen Kirchenmitgliedern praktizieren wohl die wenigsten auch tatsächlich ihren Glauben. Zumindest deuten Daten über Gottesdienstbesuche darauf hin. Wenn nun aber Eltern und Kinder das zu bekundende Interesse an einer Glaubensunterweisung an den Schulen verloren haben, dann sollten das die Kirchenfunktionäre akzeptieren und nicht den Staat zur zwangsweisen Missionierung auffordern.

Übrigens, dieses klerikale Barmen relativiert sich, wenn man den Staat, also das zuständige Ministerium, zu Wort kommen lässt. Von dort heißt es, es werde in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Religionsunterricht angeboten. - Mehr als Anbieten darf der Staat ja aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht! - Und wie es weiter heißt, werde der notwendige Bedarf durch Lehrer aus dem Landesdienst und fachlich geeignete Mitarbeiter der Kirchen abgedeckt. Ziel sei es sogar, den Anteil staatlicher Lehrer von derzeit 80 Prozent weiter zu erhöhen. Oho, man beachte diese kirchenfreundliche Zielstellung und vergleiche diese mit dem klerikalen Barmen.

Zuguterletzt, der aktuellen Schulstatistik zufolge nimmt fast jedes dritte Kind an Allgemeinbildenden Schulen am Religionsunterricht teil… Was dem Anteil religiös gebundener Menschen an der Thüringer Bevölkerung entspricht, sogar leicht darüber liegt!

Also, ist das klerikale Barmen nichts anderes als ein Sturm im Wasserglas, allerdings in der Hoffnung, dass der Staat dem Wunsche nach einer quasi Zwangsmissionierung per Religionsunterricht noch besser nachkommen möge. Zwei der jetzt zur Regierung strebenden Parteien werden diese Signale wohl noch besser erhören als die jetzige Zwei-Pastoren-Regierung.