Definition und Unterschiede aus menschenrechtlicher Perspektive

Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen

7. Schlusswort und Zusammenfassung

Die vorstehenden Ausführungen zu Begriffen zu Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen sollten deutlich gemacht haben, dass es bei deren Auswahl und Nutzung keineswegs nur um einen “Streit um Worte” geht. Vielmehr stehen hinter “Islamophobie”, “Islamfeindschaft”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik” auch unterschiedliche Inhalte, die sich zwischen den beiden Endpolen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Islamkritik und einer fremdenfeindlich-hetzerischen Muslimenfeindschaft bewegen.

Eine möglichst klare und trennscharfe Definition und Nutzung der Begriffe kann darüber hinaus mehr Sachlichkeit in eine stark emotionalisierte und politisierte Debatte bringen: Mitunter werden Islamkritiker als “Islamfeinde” diffamiert, mitunter stellen sich tatsächliche Muslimenfeinde selbst als “Islamkritiker” dar, mitunter deuten Muslime alle Kritik als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, mitunter ignorieren Islamkritiker die bedenkliche “Schlagseite” ihrer Argumentation.

Daher sollen hier die vorgenannten Definitionen noch einmal bilanziert und komprimiert vorgetragen werden: “Islamophobie” macht von seiner Wortbedeutung her nur Sinn für Auffassungen, die in einer ausgeprägten Angst vor dem Islam als subjektiver Einstellung bestehen. Für darüber hinausgehende Einstellungen oder Handlungen können inhaltlich geeignetere Begriffe genutzt werden. Hierzu gehört “Islamfeindlichkeit”, was für eine ausgeprägte, fundamentale und unbedingte Ablehnung des Islam als Religion und dessen pauschaler Deutung als gefährlich, unmoralisch und verwerflich steht. Diese Einstellung kann, muss aber nicht mit einer ebensolchen Feindschaft gegenüber den Muslimen verbunden sein. Davon unterscheidbar ist eine “Islamkritik”, die einzelne Bestandteil der Religion und deren Wirken in der Gesellschaft hinterfragt. Solche Auffassungen laufen vielfach auf Forderungen nach einer Aufhebung des allgemeinen Geltungsanspruchs oder einer Modernisierung der traditionellen Lebensauffassungen des Islam hinaus.

Während sich diese drei Begriffe auf die Religion des Islam beziehen, beziehen sich die beiden folgenden Begriffe auf die Muslime als deren Anhänger. “Muslimenfeindschaft” steht hierbei für eine Feindschaft gegen Muslime als Muslime, d. h. eine Ablehnung und Diskriminierung von Einzelnen oder Gruppen erfolgt primär aufgrund deren Glauben an den Islam. Damit geht nicht nur ein negatives Bild im Sinne einer öffentlichen Herabwürdigung, sondern auch eine angestrebte Benachteiligung im Sinne eines niedrigeren Rechtsstatus einher. Genau dies macht “Muslimenfeindschaft” aus extremismustheoretischer und menschenrechtlicher Perspektive zu einer bedenklichen Position. Davon grundlegend zu unterscheiden wäre eine “Muslimenkritik”, die sich auf bedenkliche Einstellungen und Handlungen der Anhänger des Islam bezieht, ohne damit pauschale Verallgemeinerungen und unrealistische Zerrbilder zu verbinden. Eine solche Kritik kann mitunter ein Gebot aus menschenrechtlicher Sicht zugunsten einzelner Muslime in ihrer Glaubensgemeinschaft sein.

 

 

 

Literaturverzeichnis:

Ates 2007: Ates, Seyran: Der Multikulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können, Berlin.
Backes 1989: Backes, Uwe: Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie, Opladen.
Brettfeld/Wetzels 2007: Brettfeld/Wetzels: Muslime in Deutschland. Integration, Integrationsbarrieren, Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt. Ergebnisse von Befragungen im Rahmen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen, Hamburg.
Brumlik 2009: Brumlik, Micha: Das halbierte Humanum – Wie Ralph Giordano zum Ausländerfeind wurde, in: Schneiders 2009, S. 469–476.
Bühl 2010: Bühl, Achim: Islamfeindlichkeit in Deutschland. Ursprünge, Akteure, Stereotype, Hamburg.
Curio 2009: Curio, Claudia: Die Feindbildkonstruktionen des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung 18, Berlin, S. 235–248.
Decker u.a. 2010: Decker, Oliver/Weißmann, Marliese/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar: Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland, Berlin.
Emcke 2010: Emcke, Carolin: Der verdoppelte Hass der modernen Islamfeindlichkeit, in: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutche Zustände 9, Berlin, S. 214–223.
Gopal 2004: Gopal, Jaya: Gabriels Einflüsterungen. Eine historisch-kritische Bestandsaufnahme des Islam, Freiburg.
Gutsch 2011: Gutsch, Jochen-Martin: Der deutsche Geert, in: Der Spiegel, Nr. 1 vom 3. Januar, S. 44–51.
Hafez 2009: Hafez, Farid: Zwischen Islamophobie und Islamophilie: Die FPÖ und der Islam, in: Bunzl, John/Hafez, Farid (Hrsg.): Islamophobie in Österreich, Innsbruck, S. 106–128.
Haug/Müssig/Stichs 2009: Haug, Sonja/Müssig, Stephanie/Stichs, Anja: Muslimisches Leben in Deutschland. Im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nürnberg.
Häusler 2008: Häusler, Alexander (Hrsg.): Rechtspopulismus als “Bürgerbewegung”. Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien, Wiesbaden.
Häusler 2009: Häusler, Alexander: Antiislamischer Rechtspopulismus in der extremen Rechten – die “PRO”-Bewegung als neue Kraft?, Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten, Wiesbaden, S. 130–149.
Kahlweiß/Salzborn 2011: Kahlweiß, Luzie H./Salzborn, Samuel: “Islamophobie” als politischer Kampfbegiff. Zur konzeptionellen und empirischen Kritik des Islamophobiebegriffs, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011, Brühl, i. E.
Kelek 2006: Kelek, Neckla: Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Innern des türkischen Lebens in Deutschland, Köln.
Küpper 2010: Küpper, Beate: Scheinbar neutrale Islamkritik (Leserbrief), in: Die Tageszeitung vom 22. September, S. 11.
Leibold/Kühnel 2003: Leibold; Jürgen/Kühnel, Steffen: Islamophobie. Sensible Aufmerksamkeit für spannungsreiche Anzeichen, in: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 2, Frankfurt/M., S. 100–119.
Leibold/Kühnel 2006: Leibold, Jürgen/Kühnel, Steffen: Islamophobie. Differenzierung tut not, in: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 4, Frankfurt/M., S. 135–155.
Lohlker 2010: Lohlker, Rüdiger: Islamkritik.at – ein österreichischer Subdiskurs des europäischen antimuslimischen Rassismus, in: Hafez, Farid (Hrsg.): Jahrbuch für Islamophobieforschung 2010, Innsbruck, S. 78–85.
Pfahl-Traughber 2008: Pfahl-Traughber, Armin: Extremismus und Terrorismus. Eine Definition aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2008, Brühl, S. 9–33.
Pfahl-Traughber 2010a: Pfahl-Traughber, Armin: in: Das reine Ressentiment. Von “Islamophobie” ist oft die Rede, wenn es um Vorurteile gegen Muslime geht. Besser wäre es aber, von Muslimenfeindlichkeit zu sprechen, in: Die Tageszeitung vom 20. September, S. 12.
Pfahl-Traugher 2010b: in: Pfahl-Traughber, Armin: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Antisemitismus und “Islamophobie”. Eine Erörterung zum Vergleich und ein Plädoyer für das “Antimuslimismus”-Konzept in: Pfahl-Traughber, Armin (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2009/2010, Brühl, S. 604–628.
Pfeiffer 2011: Pfeiffer, Thomas: Islamfeindschaft als Kampagnenthema im Rechtsextremismus. Erfolgspotenzial, strategische Hintergründe und Diskurstechniken am Beispiel der NPD, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011, Brühl, i. E.
Rommeslpacher 2009: Rommelspacher, Birgit: Islamkritik und antimuslimische Positionen – am Beispiel von Necla Kelek und Seyran Ates, in: Schneiders, S. 433–456.
Runnymede Trust 1997: Runnymede Trust (Hrsg.): Islamophobia: A Challenge to Us All, London.
Shooman 2008: Shooman, Yasemin: Islamfeindschaft im World Wide Web, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung 17, Berlin, S. 69–96.
Schneiders 2009: Schneiders, Thorsten Gerald (Hrsg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen, Wiesbaden.
Schneiders 2011: Schneiders, Thorsten Gerald: Grundzüge der Islamfeindlichkeit in Deutschland, in: Martin H. W. Möllers/Robert Chr. van Ooyen (Hrsg.): Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2010/2011, Frankfurt/M., S. 79–96.
Sokolowsky 2009: Sokolowsky, Kay: Feindbild Moslem, Berlin.
Warraq 2004: Warraq, Ibn: Warum ich kein Muslim bin, Berlin.
Widmann 2008: Widmann, Peter: Der Feind kommt aus dem Morgenland. Rechtspopulistische “Islamkritiker” um den Publizisten Hans-Peter Raddatz suchen die Opfergemeinschaft mit Juden, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Jahrbuch füßr Antisemitismusforschung 17, Berlin, S. 45–68.


  1. Dies lässt sich an folgendem Vergleichsbeispiel exemplarisch erläutern: Ein Atheist im Sinne eines säkularen Humanismus lehnt auch das Christentum grundlegend ab, wird aber aus dieser Auffassung heraus nicht für die Abschaffung von Grundrechten für die Anhänger dieses Glaubens plädieren.  ↩

  2. Anders verhält es sich hier möglicherweise bei Autoren wie Ralph Giordano oder Hans-Peter Raddatz, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden kann (vgl. Brumlik 2009; Widmann 2008).  ↩

  3. Bezogen auf eine frühere Kritik des Autors (vgl. Pfahl-Traughber 2010a) reagierte man aus dem GMF-Projekt wie folgt: Bei der Erfassung von “Islamophobie” über eine “auf den ersten Blick durchaus unverdächtige Meinung” wie bei der von 44 Prozent der Befragten erfolgten Ablehnung der Aussage “Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht” hätten auch 77 Prozent die Aussage “Islamische und westeuropäische Wertvorstellungen lassen sich mit einander vereinbaren” verneint und 38,8 Prozent die Aussage “Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden” bejaht. Weiter heißt es dazu: “Eine scheinbar rational begründete Kritik am Islam verbirgt also nicht selten eine Antipathie gegenüber Muslimen …” (Küpper 2010). Dazu kann folgender Einwand formuliert werden: Auch muslimenfeindlich eingestellte Personen bedienen sich ähnlicher Aussagen wie islamkritische Personen, etwa bezüglich der Frage nach einer Wertschätzung der islamischen Kultur. Im erstgenannten Fall ist das eigentliche Motiv fremdenfeindlicher, im letztgenannten Fall offenbar nicht-fremdenfeindlicher Natur. Auf das erwähnte Beispiel bezogen heißt dies: Von den Befragten, die im Islam keine bewundernswerte Kultur sehen, haben 38,8 Prozent eine muslimenfeindliche Einstellung und demnach 61,2 Prozent keine muslimenfeindliche Einstellung. Diese Erkenntnis bestätigt aber gerade die formulierte Kritik: Unter denjenigen Personen, die im Islam keine bewundernswerte Kultur sehen, finden sich noch nicht einmal 40 Prozent mit einer fremdenfeindlichen Position. Dies macht deutlich, dass es sich offenkundig um unterschiedliche Einstellungen handelt und hier keine pauschale Gleichsetzung bei der Zuordnung vorgenommen werden kann.  ↩