Definition und Unterschiede aus menschenrechtlicher Perspektive

Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen

BONN. (hpd) Der Politikwissenschaftler und Soziologe Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber definiert und differenziert in diesem längeren Beitrag zwischen den Begriffen “Islamophobie”, “Islamfeindlichkeit”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik”.

1. Einleitung und Fragestellung

Angeblich unabhängige Bürgerbewegungen wollen den Bau von Moscheen verhindern. Bedeutende Teile der Bevölkerung befürworten nach Meinungsumfragen eine Einschränkung der Religionsfreiheit von Muslimen. Buchautoren führen einen rückständigen Islam als Ursache für Ehrenmorde und Zwangsverheiratungen an. Feministinnen sehen im Kopftuch ein Symbol für Frauenunterdrückung und Islamismus. Internetseiten sprechen über den Islam als “grüne Pest” und über die Muslime als “Hinternhochbeter”.

Islamische Organisationen bezeichnen jegliche Kritik am Islam und den Muslimen als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Publizisten sprechen von einer falschen Toleranz gegenüber den Ansprüchen von Muslimen auf gesellschaftlichen Einfluss. Rechtsextremisten behaupten eine existentielle Gefährdung Deutschlands durch die von Muslimen ausgehende Islamisierung und Überfremdung. Vorurteilsforscher sehen in der Kritik an einer Abgrenzung der Muslime von der Mehrheitsgesellschaft einen Ausdruck von Islamfeindlichkeit.

Die vorstehenden Schlaglichter stehen exemplarisch für Positionen in einer aktuell häufig meist mehr emotional denn sachlich geführten Debatte über die Einschätzung von Islam und Muslimen. Hierbei können idealtypisch zugespitzt Einstellungen im Sinne einer aufklärerisch-menschenrechtlich ausgerichteten Islamkritik und im Sinne einer fremdenfeindlich-hetzerisch begründeten Muslimenfeindlichkeit ausgemacht werden. Doch wie lassen sich angesichts der skizzierten Breite an Aussagen die jeweiligen Positionen zuordnen? Darauf gibt die mittlerweile vorliegende Fachliteratur zum Thema meist keine Antwort: Zwar ist dort von einem “Feindbild Moslem” (Sokolowsky 2009) oder von “Islamfeindlichkeit” (Schneiders 2009) die Rede. Eine Definition der genannten Einstellungen noch dazu in Abgrenzung von kritisch ausgerichteten Positionen findet man darin aber nicht.

Angesichts dieser Konfusion und Unklarheit will die vorliegende Abhandlung den Versuch unternehmen, die kursierenden Begriffe zu Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen inhaltlich zu erklären.

Dies soll aus einer menschenrechtlichen Perspektive geschehen, d. h. es wird danach gefragt, wie die jeweils genannten Begriffe und deren Inhalte zu einer Grundauffassung stehen, welche allen Menschen durch ihr Menschsein Rechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit zugesteht. Letztendlich trifft man mit der Nennung dieses Kriteriums auch eine Aussage darüber, inwieweit es sich hier auch um eine extremistische Position im Sinne der politikwissenschaftlichen Extremismusforschung handelt (vgl. Backes 1989; Pfahl-Traughber 2008). In den folgenden Abschnitten geht es dementsprechend um die Begriffe “Islamophobie”, “Islamfeindlichkeit”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik”.

Dabei erfolgt die Auseinandersetzung zunächst mit Ausführungen zur Begriffsbedeutung und zur Verwendung in der Fachliteratur. Anschließend soll anhand von Beispielen aus Gesellschaft, Politik, Publizistik und Sozialforschung das jeweils Gemeinte auch in Abgrenzung zu den anderen Begriffen erläutert werden.

2. “Islamophobie”

Am Beginn steht die Auseinandersetzung mit “Islamophobie”, da man bezüglich dieses Begriffs zwar noch nicht von einer offiziellen Anerkennung, aber sehr wohl von einer tendenziellen Etablierung sprechen kann. Hiermit einher gingen auch Bemühungen, “Islamophobie” inhaltlich zu definieren.

Zunächst aber allgemein zur Wortbedeutung: Der erste Teil meint die Religion der Muslime, “Phobie” steht im Altgriechischen für “Angst”. Demnach meint “Islamophobie” so verstanden ein auf den Islam oder die Muslime bezogenes stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht, das über ein als angemessen oder normal geltendes Maß hinausgeht. Da es aber bei den hier zu erörternden Begriffen um die Erfassung von Einstellungen im Sinne von Feindschaft oder Kritik gegenüber dem Islam oder den Muslimen gehen soll, wäre “Islamophobie” als Bezeichnung für diese Einstellungen nicht angemessen. Sie legt mit dieser Wortbedeutung irreführend nahe, dass es sich nur um übertriebene Angstgefühle und nicht um folgenreiche Ressentiments handele (vgl. Schneider 2011: 80).

Eine einflussreich wirkende Definition von “Islamophobie” formulierte der britische Runnymede Trust in seinem ersten Bericht zum Thema. Demnach gehörten zu den Kriterien für eine solche Einstellung: die Deutung des Islam als monolithisch und statisch, gesondert und fremd, aggressiv und minderwertig. Außerdem zählten eine pauschale Zurückweisung der Kritik von Muslimen am “Westen” wie die Rechtfertigung eines diskriminierenden Verhaltens gegenüber Muslimen zu den Merkmalen (vgl. Runnymede Trust 1997: 4–12). Der bei der Ausformulierung der erwähnten Gesichtspunkte erhobene Anspruch einer Unterscheidung von legitimer Kritik und unbegründeten Vorurteilen wird allerdings nicht eingelöst. Die monolithische Deutung des Islam kann auf die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die geringe Dynamik in islamisch geprägten Gesellschaften verweisen. Die Auffassung von einem Anders- und Fremdsein des Islam kann reale Bezugspunkte hinsichtlich der Integrationsbereitschaft oder Kleidung mancher Muslime haben.

In Deutschland fand “Islamophobie” als Bezeichnung im Kontext der Forschungen zu “Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit” (GMF), die das Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung durchführte, besonders starke Verbreitung. Demnach stand die Bezeichnung für generell ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 101–103). Bereits in dieser Definition von “Islamophobie” geraten aber die Ebenen durcheinander: Während eine Ablehnung von Muslimen als Muslime für eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit steht, muss eine Ablehnung aller Praktiken und Symbole des Islam keineswegs für eine solche Einstellung sprechen. Jeder Andersgläubige oder Atheist dürfte eine solche bewertende Position einnehmen, ohne dabei notwendigerweise eine Diskriminierungsabsicht gegenüber Muslimen zu verbinden (vgl. zur ausführlichen Kritik: Kahlweiß/Salzborn 2011; Pfahl-Traughber 2010a).