Definition und Unterschiede aus menschenrechtlicher Perspektive

Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen

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"River of people"
"River of people"

BONN. (hpd) Der Politikwissenschaftler und Soziologe Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber definiert und differenziert in diesem längeren Beitrag zwischen den Begriffen “Islamophobie”, “Islamfeindlichkeit”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik”.

1. Einleitung und Fragestellung

Angeblich unabhängige Bürgerbewegungen wollen den Bau von Moscheen verhindern. Bedeutende Teile der Bevölkerung befürworten nach Meinungsumfragen eine Einschränkung der Religionsfreiheit von Muslimen. Buchautoren führen einen rückständigen Islam als Ursache für Ehrenmorde und Zwangsverheiratungen an. Feministinnen sehen im Kopftuch ein Symbol für Frauenunterdrückung und Islamismus. Internetseiten sprechen über den Islam als “grüne Pest” und über die Muslime als “Hinternhochbeter”.

Islamische Organisationen bezeichnen jegliche Kritik am Islam und den Muslimen als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Publizisten sprechen von einer falschen Toleranz gegenüber den Ansprüchen von Muslimen auf gesellschaftlichen Einfluss. Rechtsextremisten behaupten eine existentielle Gefährdung Deutschlands durch die von Muslimen ausgehende Islamisierung und Überfremdung. Vorurteilsforscher sehen in der Kritik an einer Abgrenzung der Muslime von der Mehrheitsgesellschaft einen Ausdruck von Islamfeindlichkeit.

Die vorstehenden Schlaglichter stehen exemplarisch für Positionen in einer aktuell häufig meist mehr emotional denn sachlich geführten Debatte über die Einschätzung von Islam und Muslimen. Hierbei können idealtypisch zugespitzt Einstellungen im Sinne einer aufklärerisch-menschenrechtlich ausgerichteten Islamkritik und im Sinne einer fremdenfeindlich-hetzerisch begründeten Muslimenfeindlichkeit ausgemacht werden. Doch wie lassen sich angesichts der skizzierten Breite an Aussagen die jeweiligen Positionen zuordnen? Darauf gibt die mittlerweile vorliegende Fachliteratur zum Thema meist keine Antwort: Zwar ist dort von einem “Feindbild Moslem” (Sokolowsky 2009) oder von “Islamfeindlichkeit” (Schneiders 2009) die Rede. Eine Definition der genannten Einstellungen noch dazu in Abgrenzung von kritisch ausgerichteten Positionen findet man darin aber nicht.

Angesichts dieser Konfusion und Unklarheit will die vorliegende Abhandlung den Versuch unternehmen, die kursierenden Begriffe zu Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen inhaltlich zu erklären.

Dies soll aus einer menschenrechtlichen Perspektive geschehen, d. h. es wird danach gefragt, wie die jeweils genannten Begriffe und deren Inhalte zu einer Grundauffassung stehen, welche allen Menschen durch ihr Menschsein Rechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit zugesteht. Letztendlich trifft man mit der Nennung dieses Kriteriums auch eine Aussage darüber, inwieweit es sich hier auch um eine extremistische Position im Sinne der politikwissenschaftlichen Extremismusforschung handelt (vgl. Backes 1989; Pfahl-Traughber 2008). In den folgenden Abschnitten geht es dementsprechend um die Begriffe “Islamophobie”, “Islamfeindlichkeit”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik”.

Dabei erfolgt die Auseinandersetzung zunächst mit Ausführungen zur Begriffsbedeutung und zur Verwendung in der Fachliteratur. Anschließend soll anhand von Beispielen aus Gesellschaft, Politik, Publizistik und Sozialforschung das jeweils Gemeinte auch in Abgrenzung zu den anderen Begriffen erläutert werden.

2. “Islamophobie”

Am Beginn steht die Auseinandersetzung mit “Islamophobie”, da man bezüglich dieses Begriffs zwar noch nicht von einer offiziellen Anerkennung, aber sehr wohl von einer tendenziellen Etablierung sprechen kann. Hiermit einher gingen auch Bemühungen, “Islamophobie” inhaltlich zu definieren.

Zunächst aber allgemein zur Wortbedeutung: Der erste Teil meint die Religion der Muslime, “Phobie” steht im Altgriechischen für “Angst”. Demnach meint “Islamophobie” so verstanden ein auf den Islam oder die Muslime bezogenes stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht, das über ein als angemessen oder normal geltendes Maß hinausgeht. Da es aber bei den hier zu erörternden Begriffen um die Erfassung von Einstellungen im Sinne von Feindschaft oder Kritik gegenüber dem Islam oder den Muslimen gehen soll, wäre “Islamophobie” als Bezeichnung für diese Einstellungen nicht angemessen. Sie legt mit dieser Wortbedeutung irreführend nahe, dass es sich nur um übertriebene Angstgefühle und nicht um folgenreiche Ressentiments handele (vgl. Schneider 2011: 80).

Eine einflussreich wirkende Definition von “Islamophobie” formulierte der britische Runnymede Trust in seinem ersten Bericht zum Thema. Demnach gehörten zu den Kriterien für eine solche Einstellung: die Deutung des Islam als monolithisch und statisch, gesondert und fremd, aggressiv und minderwertig. Außerdem zählten eine pauschale Zurückweisung der Kritik von Muslimen am “Westen” wie die Rechtfertigung eines diskriminierenden Verhaltens gegenüber Muslimen zu den Merkmalen (vgl. Runnymede Trust 1997: 4–12). Der bei der Ausformulierung der erwähnten Gesichtspunkte erhobene Anspruch einer Unterscheidung von legitimer Kritik und unbegründeten Vorurteilen wird allerdings nicht eingelöst. Die monolithische Deutung des Islam kann auf die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die geringe Dynamik in islamisch geprägten Gesellschaften verweisen. Die Auffassung von einem Anders- und Fremdsein des Islam kann reale Bezugspunkte hinsichtlich der Integrationsbereitschaft oder Kleidung mancher Muslime haben.

In Deutschland fand “Islamophobie” als Bezeichnung im Kontext der Forschungen zu “Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit” (GMF), die das Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung durchführte, besonders starke Verbreitung. Demnach stand die Bezeichnung für generell ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 101–103). Bereits in dieser Definition von “Islamophobie” geraten aber die Ebenen durcheinander: Während eine Ablehnung von Muslimen als Muslime für eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit steht, muss eine Ablehnung aller Praktiken und Symbole des Islam keineswegs für eine solche Einstellung sprechen. Jeder Andersgläubige oder Atheist dürfte eine solche bewertende Position einnehmen, ohne dabei notwendigerweise eine Diskriminierungsabsicht gegenüber Muslimen zu verbinden (vgl. zur ausführlichen Kritik: Kahlweiß/Salzborn 2011; Pfahl-Traughber 2010a).

3. “Islamfeindlichkeit”

Während bezüglich “Islamophobie” in der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch Definitionen und Kriterien formuliert wurden, lässt sich dies meist nicht mehr für die nun folgenden Begriffen sagen. So liegt etwa ein Sammelband mit dem Titel “Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen” (Schneiders 2009) mit zahlreichen wissenschaftlichen Aufsätzen zum Thema vor, ohne dass der Begriff “Islamfeindlichkeit” auch und gerade im Verhältnis zur im Titel genannten “Kritik” definiert und erläutert wird. Es kann definitorisch allenfalls allgemein formuliert werden, dass es sich um Auffassungen zu dieser Religion mit einer rigoros ablehnenden Einstellung handelt. Hierbei zeichnet man zum einen ein durchgängig negatives Bild vom Islam und bringt seine eigenen Auffassungen demgegenüber in eine konfrontative Gegenposition. Als typisch dafür kann eine allgemeine und undifferenzierte Auffassung vom Islam als Bedrohung gelten, welche um der Wahrung des wie auch immer beschriebenen Eigenen bekämpft werden muss.

Die bedeutendsten politischen Propagandisten und Träger dieser Einstellung dürften gegenwärtig die rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien in Europa sein. Als exemplarisch für die Erstgenannten können die “Freiheitliche Partei Österreichs” (FPÖ) oder die “Nationaldemokratische Partei Deutschlands” (NPD) gelten. Da die allgemeine Agitation mit Feindbildern bei derartigen Parteien bereits seit Jahren bekannt ist, lässt sich Fremdenfeindlichkeit als eigentliche Auffassung im Gewand der Islamfeindlichkeit hinter solchen Auffassungen recht gut belegen (vgl. Hafez 2009; Pfeiffer 2011).

Komplizierter verhält es sich bei den rechtspopulistischen Parteien, deren Propaganda ebenfalls mit dramatisierenden Darstellungen und negativen Stereotypen aufwarten, aber damit laut Selbstdarstellung angeblich nur eine Frontstellung gegen den Islam und nicht gegen die Muslime verbinden. Hierfür stehen “Die Freiheit” in Deutschland oder die “Partij voor de Vrijheid” in den Niederlanden (vgl. Curio 2009; Gutsch 2011).

Gleichwohl hält man diese Differenzierung, die auch meist nur auf kritische Nachfrage hin vorgetragen wird, in der öffentlichen Agitation nicht durch: Der beschworene Kampf gegen die “Islamisierung” soll auch immer mit der allgemeinen Ablehnung des Baus von Moscheen und der pauschalen Verhinderung der Einwanderung von Muslimen verbunden werden. Ähnliche politische Auffassungen in Verbindung mit Negativ-Bildern über den Islam findet man mal mehr, mal weniger deutlich formuliert auf Internet-Seiten mit offenbar hohen Besucherzahlen wie “Die grüne Pest”, “Islamkritik.at”, “Politically Incorrect”, “Stop Islam” oder “Akte Islam. Für Europa - gegen Eurabien”. Gerade die letztgenannte Formulierung macht die erwähnte inhaltliche Stoßrichtung exemplarisch deutlich (vgl. Lohlker 2010; Shooman 2008).

Indessen muss nicht jede rigorose Abwertung des Islam etwa als totalitär oder vernunftfeindlich wie von atheistischer oder ex-muslimischer Seite (vgl. Gopal 2004; Warraq 2004) extremistisch oder muslimenfeindlich motiviert sein. [1]

4. “Islamkritik”

Als weiterer Begriff zu Einstellungen gegenüber Islam und Muslimen kursiert “Islamkritik”, wobei dafür die unterschiedlichsten Anwendungen belegbar sind: Islamfeinde im oben genannten Sinne bezeichnen sich selbst als “Islamkritiker”, da diese Bezeichnung im öffentlichen Diskurs weniger negativ belegt ist. Dann unterstellen mitunter aber auch Repräsentanten islamischer Organisationen oder Protagonisten spezieller Vorteilsforschung einigen Kritikern des Islam, hinter ihren Einwänden und Positionen stünde tatsächliche eine “Islamfeindschaft”. Um angesichts der damit einhergehenden Emotionalisierung und Politisierung der Kontroverse eine möglichst trennscharfe Begriffsdefinition zu entwickeln, wird folgende Arbeitsdefinition vorgeschlagen: “Islamkritik” richtet sich mit Einwänden gegen bestimmte Erscheinungsformen der Religion, verwirft sie aber nicht im Sinne eines pauschalen Feindbildes. Dies bedeutet dann aber auch, dass nicht jede Islamkritik auch als differenziert und sachlich in einem sozialwissenschaftlichen Sinne anzusehen ist.

Demnach können entgegen anderslautender Einschätzungen (vgl. Bühl 2010: 183–198; Rommelspacher 2009) Publikationen von Autorinnen wie Seyran Ates oder Necla Kelek (vgl. Ates 2007; Kelek 2006) nicht als islamfeindlich, sondern nur als islamkritisch eingeschätzt werden. Beide türkischstämmige Autorinnen wuchsen in einem muslimisch geprägten Umfeld auf, machten ebendort häufig die Erfahrung von frauenfeindlichem Verhalten und schrieben darüber Bücher mit einer islamkritischen Ausrichtung. Sie kam in der Auffassung zum Ausdruck, wonach in den Einstellungen und Vorgaben der Religion die Ursachen für die beklagten Gegebenheiten zu sehen seien. Im engeren Sinne verstanden handelte es sich dabei um keine Bücher mit wissenschaftlichem Anspruch, sondern um Erfahrungsberichte mit persönlichen Reflexionen. Inhaltlich und methodisch kritikwürdig ist daran, dass es sich um monokausale Analysen sozialer Phänomene wie Frauenfeindlichkeit und Männlichkeitskult nur oder primär aus dem Islam heraus handelt.

Gleichwohl macht diese Einseitigkeit aus der Kritik noch keine Feindschaft, plädieren doch beide Autorinnen für eine Modernisierung und nicht für eine Verdammung des Islam. [2] Genau über die Einnahme der jeweiligen Grundposition besteht denn auch die Möglichkeit einer Unterscheidung von “Islamfeindlichkeit” und “Islamkritik” im hier erörterten Kontext. Eine Ignorierung dieses bedeutsamen Gesichtspunktes, wie es mitunter in der Literatur geschieht (vgl. Bühl 2010; Schneiders 2009), könnte zu einer bedenklichen Grenzverwischung führen: Demnach käme es zu einer Gleichsetzung der Kritik an Frauenunterdrückung mit einem Hinweis auf den Islam mit einer pauschalen Verdammung der Religion als Ausdruck von Gewalt und Verderbnis. Indessen bestehen sehr wohl Unterschiede zwischen einer frauenrechtlichen und einer fremdenfeindlichen Position. Eine Auffassung, die diese Differenzen verkennt, behindert die Erfassung tatsächlicher Feindlichkeit gegenüber dem Islam und diffamiert alle Einwände in Richtung des Islam als Ausdruck von Vorurteilen.

5. “Muslimenfeindlichkeit”

Die bislang behandelten Begriffe bezogen sich alle auf den Islam als Religion, nicht auf die Muslime als deren Anhänger. Für eine Analyse und Bewertung von Einstellungen und Positionen aus menschenrechtlicher Sicht ist dieser Bezug von herausragender Bedeutung, sind doch die Muslime als Menschen und nicht der Islam als Religion Träger dieser Rechte. Außerdem darf auf einen grundlegenden Unterschied verwiesen werden: Eine rigorose Ablehnung des Islam als aufklärungsfeindliche und rückwärtsgewandte Religion muss nicht mit der Diskriminierung der Muslime bezüglich ihrer Bürger- und Menschenrechte verbunden sein.

Einer solchen Gleichsetzung widersprechen mitunter auch empirische Studien, die mit ihren Arbeitsbegriffen diese Ergebnisse ignorieren. Dafür stehen etwa die Daten der erwähnten GMF-Studie von 2003, wonach 69,9 Prozent die Aussage “Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt” ebenso ablehnten wie 65,6 Prozent die Einstellung “Bei Personen muslimischen Glaubens bin ich misstrauischer.”

Nach diesen Ergebnissen (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 103) gibt es empirische wie theoretische Gründe dafür, zwischen der Abneigung zum Islam und der Feindschaft gegen Muslimen als Einstellungen deutlich zu trennen. “Muslimenfeindschaft” - aus menschenrechtlicher Perspektiven definiert - meint demnach, dass es sich einerseits um allgemeine und rigorose Negativ-Bilder von den Anhängern dieser Religion handelt und andererseits ihnen als Individuen mit Benachteiligung und Herabwürdigung begegnet wird. Für die Messung solcher Einstellungen nutzten die Mitarbeiter des GMF-Projekts auch eindeutige und trennscharfe Einstellungsstatements, die eine solche Auffassung mit ihren Dimensionen wie in der Studie von 2006 mit den Zustimmungswerten für “stimme voll und ganz zu” und “stimme eher zu” verdeutlichen: “Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden”: 14,8 Prozent oder “Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden”: 14,3 Prozent (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 142). [3]

Das erstgenannte Einstellungsstatement erhielt bei einer jüngeren Untersuchung der Sozialwissenschaftler Elmar Brähler und Oliver Decker 2010 sogar noch höhere Werte, meinten doch 58,4 Prozent der Befragten mit “stimme voll und ganz zu” und “stimme eher zu”: “Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden” (vgl. Decker u.a. 2010: 134). Eine solche Auffassung steht aber primär weder für einen Ausdruck von Islamfeindlichkeit noch von Islamophobie, sollen hier doch Menschen und nicht einer Religion Grundrechte abgesprochen werden. Daher bedarf es auch einer darauf bezogenen Begriffsverwendung, wofür sich die Bezeichnungen “Antimuslimismus” oder “Muslimenfeindlichkeit” anbieten (vgl. Pfahl-Traughber 2010b: 612f.). Positionen in diesem Sinne prägen auch die Agitation von Organisationen wie den “Pro”-Parteien. Dabei handelt es sich um von langjährig aktiven Rechtsextremisten gegründete angebliche “Bürgerbewegungen” gegen “Islamisierung” (vgl. Häusler 2008; Häusler 2009).

6. “Muslimenkritik”

Von einer “Muslimenfeindlichkeit” in einem solchen politischen Sinne wäre eine “Muslimenkritik” abzugrenzen. Auch hierbei geht es um die Hervorhebung von negativ eingeschätzten angeblichen oder tatsächlichen Eigenschaften der Anhänger des Islam. Worin können dann aber die Kriterien für eine zumindest idealtypische Abgrenzung von beiden Einstellungen gesehen werden? Hier bieten sich die Gesichtspunkte “Realitätsgehalt” und “Reichweite” an. Im erstgenannten Sinne geht es um die Einschätzung der formulierten Auffassungen bezüglich ihrer empirischen Belegbarkeit: Die Angehörigen der unterschiedlichsten sozialen Gruppen, die sich über Kriterien wie Alter, Berufstätigkeit, Bildung, Meinungen, Religion, Sozialstatus oder Wahlverhalten unterscheiden lassen, weisen bestimmte Besonderheiten auf. Wenn auf solche evtl. mit einem kritischen Unterton hingewiesen wird, steht dies nicht notwendigerweise für eine pauschal feindliche Einstellung gegenüber den Angehörigen der gemeinten Gruppe.

So belegt etwa eine Reihe von sozialwissenschaftlichen Studien bestimmte Besonderheiten der in Deutschland lebenden Muslimen, wozu etwa ein relativ geringes Bildungsinteresse, ein relativ traditionelles Frauenbild, eine relativ ausgeprägte Religionsorientierung oder eine relativ starke Segregationsneigung zählen (vgl. u.a. Brettfeld/Wetzels 2007; Haug/Müssig/Stichs 2009). Ob diese bei Muslimen häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung ausgeprägten Einstellungen etwa durch ihren Glauben an den Islam oder ihren Status als Minderheit erklärbar sind, spielt für den hier zu erörternden Kontext keine primäre Rolle. Der kritische Hinweis auf diese Besonderheiten kann daher nicht als Ausdruck von “Islamfeindlichkeit” oder “Islamophobie” gelten, wie dies im bereits erwähnten GMF-Projekt getan wird. Dort nutzte man aber Einstellungsstatements wie “Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung” und “Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben” (vgl. Leibold/Kühnel 2005: 143) in diesem Sinne.

Derartige Auffassungen können sich mitunter als Eindrücke aus dem persönlichen Alltagsleben, aber auch in Kenntnis von sozialwissenschaftlichen Studien bilden. Sie haben deswegen nicht notwendigerweise etwas mit der Akzeptanz von Diskriminierungsideologien zu tun. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Eigenschaften und Handlungen von Minderheiten der Muslime in pauschaler und verzerrter Weise auf die gesamte Gruppe der Gläubigen übertragen werden. Ein solches Feindbild stünde dann in der Tat für “Muslimenfeindschaft”. Davon können Auffassungen abgegrenzt und unterschieden werden, welche sich kritisch auf besondere Entwicklungen und Haltungen unter den Anhängern des Islam beziehen. In Abwandlung einer Aussage zur Unterscheidung von Aufklärung und Islamkritik kann daher formuliert werden: “Muslimenkritik” wendet sich gegen besondere Einstellungen und Missstände in der Gruppe der Gläubigen, “Muslimenfeindlichkeit” klagt die gesamte Bevölkerungsgruppe der Anhänger des Islam an (vgl. Emcke 2010: 222).

7. Schlusswort und Zusammenfassung

Die vorstehenden Ausführungen zu Begriffen zu Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen sollten deutlich gemacht haben, dass es bei deren Auswahl und Nutzung keineswegs nur um einen “Streit um Worte” geht. Vielmehr stehen hinter “Islamophobie”, “Islamfeindschaft”, “Islamkritik”, “Muslimenfeindlichkeit” und “Muslimenkritik” auch unterschiedliche Inhalte, die sich zwischen den beiden Endpolen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Islamkritik und einer fremdenfeindlich-hetzerischen Muslimenfeindschaft bewegen.

Eine möglichst klare und trennscharfe Definition und Nutzung der Begriffe kann darüber hinaus mehr Sachlichkeit in eine stark emotionalisierte und politisierte Debatte bringen: Mitunter werden Islamkritiker als “Islamfeinde” diffamiert, mitunter stellen sich tatsächliche Muslimenfeinde selbst als “Islamkritiker” dar, mitunter deuten Muslime alle Kritik als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, mitunter ignorieren Islamkritiker die bedenkliche “Schlagseite” ihrer Argumentation.

Daher sollen hier die vorgenannten Definitionen noch einmal bilanziert und komprimiert vorgetragen werden: “Islamophobie” macht von seiner Wortbedeutung her nur Sinn für Auffassungen, die in einer ausgeprägten Angst vor dem Islam als subjektiver Einstellung bestehen. Für darüber hinausgehende Einstellungen oder Handlungen können inhaltlich geeignetere Begriffe genutzt werden. Hierzu gehört “Islamfeindlichkeit”, was für eine ausgeprägte, fundamentale und unbedingte Ablehnung des Islam als Religion und dessen pauschaler Deutung als gefährlich, unmoralisch und verwerflich steht. Diese Einstellung kann, muss aber nicht mit einer ebensolchen Feindschaft gegenüber den Muslimen verbunden sein. Davon unterscheidbar ist eine “Islamkritik”, die einzelne Bestandteil der Religion und deren Wirken in der Gesellschaft hinterfragt. Solche Auffassungen laufen vielfach auf Forderungen nach einer Aufhebung des allgemeinen Geltungsanspruchs oder einer Modernisierung der traditionellen Lebensauffassungen des Islam hinaus.

Während sich diese drei Begriffe auf die Religion des Islam beziehen, beziehen sich die beiden folgenden Begriffe auf die Muslime als deren Anhänger. “Muslimenfeindschaft” steht hierbei für eine Feindschaft gegen Muslime als Muslime, d. h. eine Ablehnung und Diskriminierung von Einzelnen oder Gruppen erfolgt primär aufgrund deren Glauben an den Islam. Damit geht nicht nur ein negatives Bild im Sinne einer öffentlichen Herabwürdigung, sondern auch eine angestrebte Benachteiligung im Sinne eines niedrigeren Rechtsstatus einher. Genau dies macht “Muslimenfeindschaft” aus extremismustheoretischer und menschenrechtlicher Perspektive zu einer bedenklichen Position. Davon grundlegend zu unterscheiden wäre eine “Muslimenkritik”, die sich auf bedenkliche Einstellungen und Handlungen der Anhänger des Islam bezieht, ohne damit pauschale Verallgemeinerungen und unrealistische Zerrbilder zu verbinden. Eine solche Kritik kann mitunter ein Gebot aus menschenrechtlicher Sicht zugunsten einzelner Muslime in ihrer Glaubensgemeinschaft sein.

 

 

 

Literaturverzeichnis:

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Brettfeld/Wetzels 2007: Brettfeld/Wetzels: Muslime in Deutschland. Integration, Integrationsbarrieren, Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt. Ergebnisse von Befragungen im Rahmen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen, Hamburg.
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Pfeiffer 2011: Pfeiffer, Thomas: Islamfeindschaft als Kampagnenthema im Rechtsextremismus. Erfolgspotenzial, strategische Hintergründe und Diskurstechniken am Beispiel der NPD, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011, Brühl, i. E.
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Warraq 2004: Warraq, Ibn: Warum ich kein Muslim bin, Berlin.
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  1. Dies lässt sich an folgendem Vergleichsbeispiel exemplarisch erläutern: Ein Atheist im Sinne eines säkularen Humanismus lehnt auch das Christentum grundlegend ab, wird aber aus dieser Auffassung heraus nicht für die Abschaffung von Grundrechten für die Anhänger dieses Glaubens plädieren.  ↩

  2. Anders verhält es sich hier möglicherweise bei Autoren wie Ralph Giordano oder Hans-Peter Raddatz, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden kann (vgl. Brumlik 2009; Widmann 2008).  ↩

  3. Bezogen auf eine frühere Kritik des Autors (vgl. Pfahl-Traughber 2010a) reagierte man aus dem GMF-Projekt wie folgt: Bei der Erfassung von “Islamophobie” über eine “auf den ersten Blick durchaus unverdächtige Meinung” wie bei der von 44 Prozent der Befragten erfolgten Ablehnung der Aussage “Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht” hätten auch 77 Prozent die Aussage “Islamische und westeuropäische Wertvorstellungen lassen sich mit einander vereinbaren” verneint und 38,8 Prozent die Aussage “Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden” bejaht. Weiter heißt es dazu: “Eine scheinbar rational begründete Kritik am Islam verbirgt also nicht selten eine Antipathie gegenüber Muslimen …” (Küpper 2010). Dazu kann folgender Einwand formuliert werden: Auch muslimenfeindlich eingestellte Personen bedienen sich ähnlicher Aussagen wie islamkritische Personen, etwa bezüglich der Frage nach einer Wertschätzung der islamischen Kultur. Im erstgenannten Fall ist das eigentliche Motiv fremdenfeindlicher, im letztgenannten Fall offenbar nicht-fremdenfeindlicher Natur. Auf das erwähnte Beispiel bezogen heißt dies: Von den Befragten, die im Islam keine bewundernswerte Kultur sehen, haben 38,8 Prozent eine muslimenfeindliche Einstellung und demnach 61,2 Prozent keine muslimenfeindliche Einstellung. Diese Erkenntnis bestätigt aber gerade die formulierte Kritik: Unter denjenigen Personen, die im Islam keine bewundernswerte Kultur sehen, finden sich noch nicht einmal 40 Prozent mit einer fremdenfeindlichen Position. Dies macht deutlich, dass es sich offenkundig um unterschiedliche Einstellungen handelt und hier keine pauschale Gleichsetzung bei der Zuordnung vorgenommen werden kann.  ↩