Definition und Unterschiede aus menschenrechtlicher Perspektive

Feindschaft und Kritik gegenüber Islam und Muslimen

5. “Muslimenfeindlichkeit”

Die bislang behandelten Begriffe bezogen sich alle auf den Islam als Religion, nicht auf die Muslime als deren Anhänger. Für eine Analyse und Bewertung von Einstellungen und Positionen aus menschenrechtlicher Sicht ist dieser Bezug von herausragender Bedeutung, sind doch die Muslime als Menschen und nicht der Islam als Religion Träger dieser Rechte. Außerdem darf auf einen grundlegenden Unterschied verwiesen werden: Eine rigorose Ablehnung des Islam als aufklärungsfeindliche und rückwärtsgewandte Religion muss nicht mit der Diskriminierung der Muslime bezüglich ihrer Bürger- und Menschenrechte verbunden sein.

Einer solchen Gleichsetzung widersprechen mitunter auch empirische Studien, die mit ihren Arbeitsbegriffen diese Ergebnisse ignorieren. Dafür stehen etwa die Daten der erwähnten GMF-Studie von 2003, wonach 69,9 Prozent die Aussage “Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt” ebenso ablehnten wie 65,6 Prozent die Einstellung “Bei Personen muslimischen Glaubens bin ich misstrauischer.”

Nach diesen Ergebnissen (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 103) gibt es empirische wie theoretische Gründe dafür, zwischen der Abneigung zum Islam und der Feindschaft gegen Muslimen als Einstellungen deutlich zu trennen. “Muslimenfeindschaft” - aus menschenrechtlicher Perspektiven definiert - meint demnach, dass es sich einerseits um allgemeine und rigorose Negativ-Bilder von den Anhängern dieser Religion handelt und andererseits ihnen als Individuen mit Benachteiligung und Herabwürdigung begegnet wird. Für die Messung solcher Einstellungen nutzten die Mitarbeiter des GMF-Projekts auch eindeutige und trennscharfe Einstellungsstatements, die eine solche Auffassung mit ihren Dimensionen wie in der Studie von 2006 mit den Zustimmungswerten für “stimme voll und ganz zu” und “stimme eher zu” verdeutlichen: “Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden”: 14,8 Prozent oder “Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden”: 14,3 Prozent (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 142). [3]

Das erstgenannte Einstellungsstatement erhielt bei einer jüngeren Untersuchung der Sozialwissenschaftler Elmar Brähler und Oliver Decker 2010 sogar noch höhere Werte, meinten doch 58,4 Prozent der Befragten mit “stimme voll und ganz zu” und “stimme eher zu”: “Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden” (vgl. Decker u.a. 2010: 134). Eine solche Auffassung steht aber primär weder für einen Ausdruck von Islamfeindlichkeit noch von Islamophobie, sollen hier doch Menschen und nicht einer Religion Grundrechte abgesprochen werden. Daher bedarf es auch einer darauf bezogenen Begriffsverwendung, wofür sich die Bezeichnungen “Antimuslimismus” oder “Muslimenfeindlichkeit” anbieten (vgl. Pfahl-Traughber 2010b: 612f.). Positionen in diesem Sinne prägen auch die Agitation von Organisationen wie den “Pro”-Parteien. Dabei handelt es sich um von langjährig aktiven Rechtsextremisten gegründete angebliche “Bürgerbewegungen” gegen “Islamisierung” (vgl. Häusler 2008; Häusler 2009).

6. “Muslimenkritik”

Von einer “Muslimenfeindlichkeit” in einem solchen politischen Sinne wäre eine “Muslimenkritik” abzugrenzen. Auch hierbei geht es um die Hervorhebung von negativ eingeschätzten angeblichen oder tatsächlichen Eigenschaften der Anhänger des Islam. Worin können dann aber die Kriterien für eine zumindest idealtypische Abgrenzung von beiden Einstellungen gesehen werden? Hier bieten sich die Gesichtspunkte “Realitätsgehalt” und “Reichweite” an. Im erstgenannten Sinne geht es um die Einschätzung der formulierten Auffassungen bezüglich ihrer empirischen Belegbarkeit: Die Angehörigen der unterschiedlichsten sozialen Gruppen, die sich über Kriterien wie Alter, Berufstätigkeit, Bildung, Meinungen, Religion, Sozialstatus oder Wahlverhalten unterscheiden lassen, weisen bestimmte Besonderheiten auf. Wenn auf solche evtl. mit einem kritischen Unterton hingewiesen wird, steht dies nicht notwendigerweise für eine pauschal feindliche Einstellung gegenüber den Angehörigen der gemeinten Gruppe.

So belegt etwa eine Reihe von sozialwissenschaftlichen Studien bestimmte Besonderheiten der in Deutschland lebenden Muslimen, wozu etwa ein relativ geringes Bildungsinteresse, ein relativ traditionelles Frauenbild, eine relativ ausgeprägte Religionsorientierung oder eine relativ starke Segregationsneigung zählen (vgl. u.a. Brettfeld/Wetzels 2007; Haug/Müssig/Stichs 2009). Ob diese bei Muslimen häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung ausgeprägten Einstellungen etwa durch ihren Glauben an den Islam oder ihren Status als Minderheit erklärbar sind, spielt für den hier zu erörternden Kontext keine primäre Rolle. Der kritische Hinweis auf diese Besonderheiten kann daher nicht als Ausdruck von “Islamfeindlichkeit” oder “Islamophobie” gelten, wie dies im bereits erwähnten GMF-Projekt getan wird. Dort nutzte man aber Einstellungsstatements wie “Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung” und “Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben” (vgl. Leibold/Kühnel 2005: 143) in diesem Sinne.

Derartige Auffassungen können sich mitunter als Eindrücke aus dem persönlichen Alltagsleben, aber auch in Kenntnis von sozialwissenschaftlichen Studien bilden. Sie haben deswegen nicht notwendigerweise etwas mit der Akzeptanz von Diskriminierungsideologien zu tun. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Eigenschaften und Handlungen von Minderheiten der Muslime in pauschaler und verzerrter Weise auf die gesamte Gruppe der Gläubigen übertragen werden. Ein solches Feindbild stünde dann in der Tat für “Muslimenfeindschaft”. Davon können Auffassungen abgegrenzt und unterschieden werden, welche sich kritisch auf besondere Entwicklungen und Haltungen unter den Anhängern des Islam beziehen. In Abwandlung einer Aussage zur Unterscheidung von Aufklärung und Islamkritik kann daher formuliert werden: “Muslimenkritik” wendet sich gegen besondere Einstellungen und Missstände in der Gruppe der Gläubigen, “Muslimenfeindlichkeit” klagt die gesamte Bevölkerungsgruppe der Anhänger des Islam an (vgl. Emcke 2010: 222).