Hasenfest 2015

DEUTSCHLAND. (hpd) Obwohl das Wetter nicht dazu einlud, fanden auch in diesem Jahr in mehreren Städten Aktionen zum Hasenfest statt. Unter dem Motto "Tanzverbot abschaffen! Deutschland ist kein Kirchenstaat!" protestierten bundesweit mehrere Gruppen gegen das in der Gesetzgebung der meisten Länder bestehende Tanzverbot an den "stillen Feiertagen" als ein überkommenes Kirchenprivileg, das mit rechtstaatlichen Prinzipien unvereinbar ist.

In Bochum zeigte die Initiative "Religionsfrei im Revier" wie schon in den beiden Vorjahren am Karfreitag den Klassiker "Das Leben des Brian". Der Veranstaltungsraum im Sozialen Zentrum Bochum war zur Aufführung der deutschen Filmversion übervoll, und auch die darauffolgende Aufführung des englischsprachigen Originals war sehr gut besucht. Zum Abschluss wurde der allseits beliebte Pastafariteller gereicht.

Das umfangreiche Medienecho schon im Vorfeld der Aktion zeigt, dass das Tanzverbot nach wie vor für Aufregung sorgt. Das Feiertagsgesetz Nordrhein-Westfalen verbietet am Karfreitag teilweise bis in die Morgenstunden des darauffolgenden Samstags hinein Märkte, gewerbliche Ausstellungen, Sportveranstaltungen, musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art in Gaststätten mit Schankbetrieb. Es verbietet ferner alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Tanz, und sogar alle nicht öffentlichen unterhaltenden Veranstaltungen außerhalb von Wohnungen (also z.B. private Geburtstagsfeierlichkeiten in angemieteten gewerblichen Räumen). Die Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister oder einer von diesem bestimmten Stelle für eine Aufführung am Karfreitag freigegeben wurden, ist ebenfalls verboten. Während der Hauptzeit des Gottesdienstes sind sogar Veranstaltungen, Theater- Film- und musikalische Aufführungen und Vorträge ernsten Charakters verboten, sodass die Intention des Gesetzes, den christlichen Kirchen an diesem Tag ein Veranstaltungsmonopol zu sichern, sehr deutlich wird.

Bochum
Bochum

Martin Budich von der Initiative "Religionsfrei im Revier" kritisierte das Feiertagsgesetz NRW als "vollkommen überkommenes Kirchenprivileg". Die Initiative rechnet damit, dass die Stadt nach der erneuten Vorführung in diesem Jahr ein weiteres Bußgeld-Verfahren einleiten wird. Dies würde jedoch die Chance beinhalten, die Unrechtmäßigkeit der derzeitigen Feiertagsgesetzgebung, die die Anhänger nichtchristlicher Weltanschauungen benachteiligt, nötigenfalls durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen.

In Köln lud der IBKA NRW im achten Jahr in Folge am Karfreitag zur "Religionsfreien Zone" ins Kino im Kölner Filmhaus. Gezeigt wurden die Monty-Python Klassiker "Der Sinn des Lebens" (1983) und "Das Leben des Brian" (1979). Die Veranstaltung richtet sich ebenfalls gegen das Feiertagsgesetz in NRW. 
In Mainz zog die GBS Mainz/Rheinhessen e.V. als singender Sträflingstrupp (unser Vergehen: wir haben getanzt!) durch die Innenstadt und führte an mehreren Stationen kurze Theaterstücke auf, die verdeutlichen sollten, wie absurd und antiquiert die Feiertagsgesetzgebung in Rheinland Pfalz, die der Feiertagsgesetzgebung in NRW weitgehend entspricht, ist. Die Aktion erzeugte einige Aufmerksamkeit, allerdings reduzierte der Nieselregen die Motivation vieler Passanten, sich auf ein längeres Gespräch einzulassen. Erschreckend war mitunter der offenbar weit verbreitete Irrglaube, mit der Abschaffung des Tanzverbots sei automatisch eine Abschaffung eines arbeitsfreien Tages verbunden. Viele Passanten schienen zu glauben, sich quasi durch Verzicht auf einige Grundrechte (das Recht auf staatliche Gleichbehandlung unabhängig von der Weltanschauung, das Recht, sich öffentlich zu versammeln und sich frei zu entfalten – auch durch Tanz und sonstige freudvoll gemeinschaftlich begangene Veranstaltungen) einen freien Tag "erkauft" zu haben. Eine Vorstellung, die nicht nur inhaltlich völlig falsch ist, sondern leider auch offenbart, wie wenig Wert viele Menschen diesen so hart erkämpften Grundrechten zumessen.

In Trier gab es am Samstag eine Protestaktion gegen das Tanzverbot. Mehr als 20 Personen nahmen an einem Tanzflashmob vor dem Trierer Dom teil. Der Humanistische Pressedienst war vor Ort und konnte einige Momente in einem Video festhalten.

 

 

In Tübingen führten zwei Künstler mit Unterstützung der Tübinger Humanisten und Freidenker am Sonntag, den 5.April eine stille Tanzperformance in der Innenstadt auf um auf das Tanzverbot in BDW aufmerksam zu machen. Die beiden Künstler schritten, tanzten und liefen sie ihren Weg durch Tübingen von der Stiftskirche bis zum Botanischen Garten, wo die Aktion nach gut einer Stunde mit einer Tanzperformance endete.

Tübingen
Tübingen

In Stuttgart war die GBS Stuttgart am 4. April trotz beständigen Regens in der Stuttgarter Innenstadt von 11 bis 16 Uhr mit einem Infostand vertreten.

Eigentlich hatte die grün-rote Landesregierung schon Ende 2014 angekündigt, das Feiertagsgesetz lockern zu wollen, geschehen ist aber bisher nichts. Der Umstand, dass Ministerpräsident Kretschmann im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg sowie Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) ist, dürfte dem Ziel einer baldigen Lockerung nicht eben förderlich sein.

Stuttgart
Stuttgart

Viele Passanten äußerten Unverständnis für die in Baden-Württemberg besonders strikte Regulierung des Sonn- und Feiertagsgesetzes. Noch massiver als am Tanzverbot störten sich viele Bürger daran, dass an den besonders geschützten christlichen Feiertagen den meisten Bäckereien (sofern sie nicht auch zubereitete Speisen verkaufen - also z.B. ein Café betreiben) sogar der sonst übliche Sonntagsverkauf verboten ist. Viele Stuttgarter mussten am Ostersonntag also auf die frischen Brötchen verzichten.

Die Tanzverbots-Demo der Stuttgarter Piratenpartei am Karfreitag auf dem Schlossplatz war medial ein großer Erfolg. Neben den zwei Stuttgarter Zeitungen waren auch die DPA und ein Kamerateam vom SWR vor Ort.

 

 

Augsburg/Karlsruhe: Kein Glück mit dem Wetter hatten die GBS Augsburg und GBS Karlsruhe. Wegen starker Regenfälle und Sturmböen mussten die Veranstaltungen in beiden Städten nach wenigen Minuten abgebrochen werden. Dennoch kam noch ein Fernsehbeitrag im Baden-TV zu der geplanten Aktion in Karlsruhe zustande.

Karlsruhe
Karlsruhe

In Frankfurt fanden sich mehrere Menschen am Karfreitag zum ersten "Säkularen Osterspaziergang" zusammen. Bei schönstem Frühlingswetter ging es auf den Spuren von Säkularismus, Religionskritik und Humanismus quer durch die Frankfurter Innenstadt.

Start war das "Schopenhauerhaus" an der Schönen Aussicht, in dem der Philosoph die letzten seiner Frankfurter Jahre gewohnt hatte. Am Mainufer entlang führte die säkulare Route dann nach Sachsenhausen zum ehemaligen Wohnhaus Ludwig Landmanns. Hier weist eine Tafel auf den wohl berühmtesten Frankfurter Oberbürgermeister hin. Der aus der jüdischen Gemeinde ausgetretene Politiker hatte die Entwicklung der Stadt in den 20er-Jahren entscheidend geprägt – unter anderem durch das von ihm initiierte soziale Wohnungsbauprogramm, das unter dem Namen "Neues Frankfurt" bekannt wurde. Zurück auf der anderen Mainseite ging es dann zum Karmeliterkloster, in dem der 1600 in Rom als Ketzer verbrannte Giordano Bruno ein Jahr lang während seines Aufenthalts in der Stadt gewohnt hatte. Er war nach Frankfurt gekommen, um seine Schriften, die "Frankfurter Trilogie" zu veröffentlichen. Ein guter Anlass, um daran zu erinnern, dass auch heute noch in manchen Ländern religionskritische Äußerungen mit dem Tode bestraft werden. Von dort waren es dann nur wenige Schritte bis zur Paulskirche, dem Geburtsort der deutschen Demokratie.

Frankfurt/M.
Frankfurt/M.

Hier stand die Paulskirchenverfassung im Mittelpunkt, in der erstmals Grundrechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit in modernem Sinn formuliert wurden. Weiter ging es zur Kleinmarkthalle, an deren Westeingang ein Denkmal am Ort seines Geburtshauses an den Frankfurter Nobelpreisträger Otto Hahn erinnert. Der Entdecker der Kernspaltung war nicht nur ein brillanter Wissenschaftler, sondern auch ein mutiger Humanist. Während der Nazizeit setzte er sich aktiv für verfolgte Juden ein und war später ein überzeugter Gegner der atomaren Aufrüstung. Der säkulare Rundgang endete am Caricatura Museum für Komische Kunst, vor dessen Eingang eine Elch-Statue an die Schriftsteller und Zeichner der "Neuen Frankfurter Schule" erinnert. Sie gründeten später die Zeitschrift "Titanic", die von der katholischen Kirche mehrfach wegen Blasphemie verklagt wurde. Mit der Ermahnung an die Teilnehmer, auf dem Nachhauseweg das Tanzen, Lachen und Singen zu vermeiden, endete der erste Säkulare Osterspaziergang. (tb)