Wenn Humanismus praktisch geworden ist

Der HFV führt seit Dezember 2012 eine eigene Arbeitsgemeinschaft "Betreuungen Gegenseitige Hilfe und Kultur" (BGHK). Hier werden gesetzliche Betreuungen im Auftrag der Betreuungsgerichte geführt, gegenwärtig für 20 Personen. Hinzu kommen ehrenamtliche Beratungen für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, etwa 50 pro Jahr. BGHK fördert nicht nur die o.g. weltlichen Feiern und die Freihandbibliothek, sondern auch humanistische Projekte im In- und Ausland: das "Atheist Centre Vijayawada" in Indien, die Stiftung des atheistischen türkischen Schriftstellers Aziz Nesin in Çatalca bei Istanbul, Flüchtlingshilfe in Syrien-Kurdistan Rojava und Kobanê, die Humanistische Tagesstätte HUKI in Stuttgart, die Jugendarbeit der JuHus oder die "Geschichtswerkstatt Heidenheim".

Gefördert werden auch die Publikationen der informellen HFV-Arbeitsgemeinschaft edition Spinoza, die Bücher und Broschüren herausgibt. Wer hierüber mehr wissen will, kann sich die diesbezüglichen Rezensionen beim hpd.de und bei freigeist-weimar.de anschauen.

Und wie sieht es nun mit der öffentlichen Wahrnehmung dieser weitgefächerten humanistischen Arbeit aus?

Heiner Jestrabek: "Da möchte ich besonders hervorheben, dass ich als Referent Gelegenheit hatte, im Jahr 2012 im Landtag angehört zu werden, als es um die Novellierung des Bestattungsgesetzes des Bundeslandes ging. Das ist ja in ganz Deutschland noch nicht üblich und das zeigt, dass unsere Arbeit auch auf Landesebene anerkannt wird. Auch über die Lokalpresse können wir uns nicht beklagen, die hiesigen Zeitungen haben keine Berührungsängste gegenüber den ‘Heiden’ und berichten regelmäßig über unsere Aktivitäten. Leider nehmen uns die Kommunalpolitik und die örtlichen Parteien nicht zur Kenntnis, diese reden nach wie vor nur mit den Kirchen."

Dass die Resonanz in der Region bei Veranstaltungen und Angeboten nicht gerade klein ist, das liegt aber auch der Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Partnern; wie den Freidenkern Ulm-Neu-Ulm, den Seniorenakademien, den Gewerkschaftssenioren oder den Naturfreunden, gibt Jestrabek Auskunft.

Was bereitet ihm Sorgen, was wünscht er sich? Heiner Jestrabek sagt dazu ganz offen, dass er sich mehr und vor allem jüngere Mitglieder wünscht. Aber das sei wohl das Problem aller Organisationen heute. Nein, mehr treibt ihn um, dass sein Verband so langsam an seine Grenzen kommt. Denn um die Nachfrage bei den Humanistischen Feiern befriedigen zu können, bedarf es unbedingt weiterer Feierredner. Denn alle agieren bisher ehrenamtlich.

Die acht Tage in Heidenheim, welch ein treffender Name für diese Heimstatt organisierter Humanisten, Freidenker und Atheisten, waren sehr erlebnisreich. Denn es wurde nicht nur ein "Interview" mit dem Vorsitzenden geführt, sondern Gespräche auch mit anderen Aktiven. Vor allem aber konnte der Verfasser dieser Zeilen in der Geschäftsstelle miterleben, mit welchen Anliegen sich wie viele Menschen in dieser kurzen Zeit an den HFV gewendet haben. Ja, die oben genannte Formel ist keine Leerformel, sondern steht beispielgebend für gelebten Humanismus.