"Wer A sagt und gerichtlich Fahrverbote durchsetzt, muss auch B sagen und Fleischverbote durchsetzen"

Schweine_Tierhaltung.jpg

So schön haben es Schweine in Massentierhaltung nicht
Ferkel im Stroh

Eine neue Studie hält die Feinstaubbelastung für noch viel gefährlicher, als bisher schon bekannt. Der Hauptschuldige ist aber nicht das Auto, sondern die Tierhaltung. Deshalb fordert die Vegane Gesellschaft die Deutsche Umwelthilfe auf, konsequent zu sein und sich neben Fahrverboten auch für Fleischverbote einzusetzen. Das alarmiert die Presse und die Union.

Der Fleischkonsum der Deutschen und die dafür notwendige Massentierhaltung stehen mal wieder in der Kritik. Abgesehen von den tierschutzrechtlich äußerst bedenklichen Haltungsbedingungen schädigt das von den Tieren produzierte Methan das Klima, ihre Exkremente belasten das Grundwasser. Nun sollen sie auch einen erheblichen Anteil am derzeit viel diskutierten Feinstaubproblem haben. Denn aus der auf bewirtschafteten Feldern ausgebrachten Gülle entweicht Ammoniak, das sich in der Luft mit Stoffen wie Schwefel- und Salpetersäure zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen verbindet. Daraus entstehen Feinstaubpartikel. "Wären die landwirtschaftlichen Emissionen um 50 Prozent niedriger, könnten demnach pro Jahr weltweit 250.000 Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, vermieden werden", schrieb die Max-Planck-Gesellschaft schon im Herbst 2017 auf ihrer Website. Neu sind diese Erkenntnisse also eigentlich nicht. Neu ist nur das Ausmaß.

Das ARD-Magazin "Monitor" berichtete vergangene Woche darüber, dass die Landwirtschaft laut Max-Planck-Institut für Chemie einen Anteil von 45 Prozent an unserem Feinstaubproblem habe, der Verkehr lediglich 20 und der Energiesektor 15 Prozent. Laut einer neuen, internationalen und noch nicht veröffentlichten Studie des Wissenschaftlers Prof. Jos Lelieveld verliert der Durchschnittsbürger in Deutschland zweieinhalb Lebensjahre durch die Luftverschmutzung. Insgesamt sterben an ihr über 120.000 Menschen pro Jahr, deutlich mehr, als man bislang dachte. Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes, bezeichnet dies in der Sendung als Spekulation.

Das rief andere Akteure auf den Plan: "Da der meiste Feinstaub aus der Massentierhaltung stammt, begrüßen wir Musterklagen, die die Verursacher-Betriebe dicht machen und den Beginn von Fleischverboten. Alles andere wäre angesichts der Diesel-Fahrverbote  ja geradezu unehrlich und inkonsequent", äußerte sich der Vorsitzende der Veganen Gesellschaft Deutschland, Christian Vagedes, daraufhin auf deren Internetseite. Damit spricht er die Deutsche Umwelthilfe an, die gerichtlich ein Dieselfahrverbot nach dem anderen durchsetzt, um die Luft in deutschen Innenstädten zu verbessern. "Wer A sagt und gerichtlich Fahrverbote durchsetzt, muss auch B sagen und Fleischverbote durchsetzen. Alles andere wäre unlogisch und dementsprechend ganz schön verlogen. Ob sich die Umwelthilfe und die Gerichte dazu durchringen? Spannend, welche Ausreden wir noch erleben werden", heißt es in der Stellungnahme weiter. Das Ganze muss man wohl mit einer Spur Ironie betrachten, so kann man jedenfalls den Hinweis deuten, der als P. S. unter der Forderung steht: Man könne die ganze Feinstaubdebatte auch in Frage stellen. Solange Gerichte aber ernsthaft Straßen für Diesel-Autos sperrten, könne man über den Fleischkonsum nicht hinwegsehen.

Dieser letzte Absatz hat es freilich nicht in die Berichterstattung geschafft. Zu schön sind die empörten Überschriften in der Welt ("Vegane Gesellschaft fordert Musterklagen für Fleischverbote"), im Focus ("Vegane Gesellschaft kämpft für Musterklagen, um Fleischverbote durchzusetzen") und der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) ("Veganer fordern Fleischverbote für saubere Luft"). Besagte Empörung ist auch schon in der Politik angekommen, genauer gesagt in der Lieblingspartei des Bauernverbands: Am vergangenen Wochenende sagte die CDU-Parteivorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer, in ihrem Grußwort auf dem CSU-Sonderparteitag in München: "Menschen sollen leben, wie sie wollen. Wer ein grünes Paradies schaffen will und da auf diesem Weg dorthin das Leben für die Menschen hier zur Hölle macht, dem darf man keine politische Verantwortung übergeben." Tosender Applaus. Man wolle Klimaschutz ohne die Industrie abzuschaffen und Arbeitsplätze in Gefahr zu bringen. "Wir wollen beweisen, dass beides geht. Stark im Klimaschutz und stark in der Wirtschaft." Verhaltener Applaus.

Auch darauf gibt es bereits eine Reaktion bei der Veganen Gesellschaft: "Wenn unsere Politiker nicht aufpassen, bleibt die Tierhaltung nicht nur Hölle für Millionen Tiere, sondern wird aufgrund der drastischen Folgen für die Umwelt auch zur Hölle für uns Menschen. (…) Ich fordere AKK zu einer freien Debatte über die dringenden und grundlegenden Zukunftsthemen auf – so wie sich das für eine offene Gesellschaft gehört", meldete sich der Vorsitzende Christian Vagedes erneut zu Wort. Wer sich noch nicht zu Wort gemeldet hat, ist die Deutsche Umwelthilfe. Darauf angesprochen sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner dem hpd, man werde sich die Studie erst einmal ansehen, sobald sie vorliege. Aktuell könne man ihren Inhalt noch nicht beurteilen. "Wir glauben allerdings nicht, dass Klagen hier der richtige Weg sind." Es gebe viele Gründe, warum Massentierhaltung aus ökologischer Sicht problematisch sei, Veränderungen müssten aber über die EU-Landwirtschaftspolitik und die Düngemittelverordnung angestrebt werden. "Fleischverbote halten wir nicht für sinnvoll", man wolle den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollten. Beim Thema Stickoxide und Dieselautos lägen die Dinge anders, außerdem sei Landwirtschaft nicht ihr Schwerpunkt. "Wir können ja nicht alles machen."