BIELEFELD. (hpd) Kann man als Atheist guten Gewissens in eine Kirche gehen, wenn eine Verwandte dort Hochzeit feiern möchte? Der hpd-Leser Walter Stuke verneint das und schreibt der zukünftigen Braut einen langen, aufklärerischen Brief.
Liebe M.,
vielen Dank für die Einladung zu deiner katholischen Hochzeit.
Ich habe lange überlegt, ob ich dir diesen Brief zu deiner kirchlichen Hochzeit senden kann. Denn er setzt sich mit Religion und Kirche kritisch auseinander. Doch aus der Überlegung, dass Religion keinen geeigneten Zeitpunkt für ihre Kritik kennt, habe ich beschlossen, dass deine kirchliche Hochzeit so (un-)geeinet ist wie jeder andere Zeitpunkt auch.
Eines möchte ich vorab klarstellen: kritisch über Religion schreiben, heißt nicht, respektlos gegenüber Menschen sein, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Man kann politische Anschauungen kritisieren wie den Liberalismus oder den Sozialismus und es gibt keinen Grund, religiöse Ideen wie den Katholizismus nicht offen zu diskutieren. Religionen einen kritikfreien Raum zuzugestehen, hieße vor allem, den Extremisten aller Religionen einen Schutzraum zu verschaffen (vgl. Harris: 2008: 17).
I. Naturalistisches Weltbild – Evolution
Stimmen wir nicht in der Annahme eines naturalistischen Weltbildes überein? Darin, dass wir keinen Grund haben, transzendentale Wesen wie Geister, Feen oder Götter zur Erklärung von Vorgängen in unserem Universum zu bemühen.
Immerhin können wir gut erklären, warum wir die Neigung haben, unsichtbare Wesen zu imaginieren und die Behauptung ihrer Existenz so bereitwillig anzuerkennen: sie ist ein Nebenprodukt unserer evolutionsgeschichtlich erworbenen Mechanismen und Verhaltensstrategien (vgl. Boyer 2011; Dennett 2008; Dawkins 2010: 239–267). Hyperaktive Akteurs-Erkennung, intentionales Denken und Bindung sind einige dieser evolutionären Errungenschaften, die uns im Allgemeinen zuverlässige Überlebensvorteile gesichert haben.
Sie lassen sich vergleichen mit dem evolutionär erworbenen “Kompass” der Motte, der Licht zur Orientierung verwendet. Doch was für die Motte im Allgemeinen sehr zuverlässig funktioniert, erweist sich im Hinblick auf das von der glühend heißen Wohnzimmerleuchte ausgestrahlte Licht als fatal (vgl. Dawkins 2010: 239–243). Die Motte begeht keinen "Selbstmord" – sie folgt ihrem Lichtkompass.
In ähnlicher Weise führen uns unsere sonst so zuverlässigen evolutionsgeschichtlich erworbenen Mechanismen im Hinblick auf unsichtbare Wesen komplett in die Irre. Religionen machen sich diese Mechanismen für ihr "Lebensmodell" nutzbar und reisen wie Parasiten auf ihnen mit.
Natürlich schmeichelt es uns, wenn uns eine Religion erzählt, wir gehörten zum auserwählten Volk eines Gottes, der uns ewiges Leben garantiert, wenn wir ihn anbeten (und, das ist die eigentliche Pointe: auf seine irdischen Vertreter hören, die über das Know-how der Riten und Sakramente zu unserer Seelenrettung verfügen). Sind wir uns nicht darüber einig, dass solche Vorstellungen absurd und albern sind?
Unabhängig davon, welchen Gott wir aus dem Überangebot an Göttervorstellungen auch immer anbeten mögen: die Sonne, wie einst die Inkas, Voodoo-Figuren, wie in Afrika oder dieses Männertrio, in das sich die katholische Theologie verstiegen hat und das sie "Dreifaltigkeit" nennt - wir bleiben, was wir sind: sterbliche menschliche Tiere.
Das christliche Menschenbild ist eine Farce. Nicht Gott hat uns nach seinem Bilde erschaffen. Es ist genau umgekehrt: ethnologische Forschung zeigt, dass Menschen ihre Göttervorstellungen überwiegend anthropomorph kreieren.
Wir sind nicht die Krönung der Schöpfung. Der biblische Auftrag "macht [die Erde] euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht" (1. Buch Mose 1: 28) könnte sich als Anweisung zur Selbstauslöschung erweisen, wenn wir diesen Planeten in absehbarer Zukunft komplett geplündert haben. Religion verstellt uns den Blick darauf, dass wir Teil der Biosphäre sind, nicht ihre Herr_innen. Und dass die nicht menschlichen Tiere unsere Verwandten sind, für die wir Verantwortung tragen. Wir dürfen sie nicht misshandeln, nur weil wir, als die für uns erfolgreichste Anpassungsleistung in einer bestimmten Umwelt, ein besonders leistungsfähiges Gehirn statt eines Rüssels wie die Elefanten entwickelt haben (vgl. Pinker 2012: 191–196).
Mittlerweile hat selbst die katholische Kirche erkannt, dass sie nicht mehr bestreiten kann, dass die Evolution uns menschliche Tiere hervorgebracht hat, ohne sich lächerlich zu machen. Kurzerhand erklärt sie nun die Evolution zur Erfindung Gottes, durch die er die Krönung seiner Schöpfung hervorgebracht habe und entstellt damit ein wesentliches Merkmal der Evolution, um sie ihrer religiösen Ideologie einverleiben zu können.
Wesentliches Merkmal der Evolution ist es gerade, dass sie kein Ziel hat. Sie ist zielblind, ein Prozess ohne vorherbestimmte und vorherbestimmbare Ziele. Ein Prozess der offenen Auseinandersetzung der Organismen untereinander und mit der anorganischen Umwelt, in dem sich der den zufällig gegebenen Umständen am besten Angepasste durchsetzt, d. h. sich häufiger reproduzieren kann als andere.
Leben befindet sich in permanenter Veränderung, ist unabgeschlossen und unbestimmt. Unser Eindruck von Konstanz und ewigen Formen ergibt sich nur aus der Kürze unserer Betrachtung. 99 Prozent aller Arten, die je auf der Erde gelebt haben, sind ausgestorben. Massenextinktionen haben wiederholt einen Großteil allen Lebens ausgelöscht. Der letzten Extinktion vor 65 Millionen Jahren, die die Vorherrschaft der Dinosaurier beendete, verdanken wir Säuger unseren Aufstieg. So bleibt auch die Existenz unserer Spezies prinzipiell prekär und eine Episode.
Die Vorgänge bei Entstehung des Lebens auf der Erde, die chemische Evolution vor 4,2 bis 3,8 Milliarden Jahren, sind weitgehend bekannt und haben nichts Mystisches. Leben besteht aus Zellen. Die Vorläufer der späteren Zellen entstanden aus Makromolekülen, die sich aus unbelebter Materie wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff usw. gebildet haben.
II. Ethik
Als die englische Königin in den 1850er Jahren von den Forschungsergebnissen Charles Darwins über die Abstammung des Menschen vom Tier erfuhr, soll sie gesagt haben (vgl. Roth 2011: XV): "Beten wir, dass es nicht stimmt. Falls es doch stimmt, so lasst uns beten, dass es nicht bekannt wird!"
Die Befürchtungen Queen Victorias waren völlig unbegründet. Mehr als 150 Jahre später und nach der Bestätigung der Theorien Darwins durch Genetik und Molekularbiologie, tun wir noch immer so, als wüssten wir es nicht besser. Als wüssten wir nicht, dass Götter die Marionetten der Religionen und ihrer Priester zur Aufführung ihres Theaters sind und dass ihre Sakramente, die sie uns zur Sicherung unseres Seelenheils spenden, so wertlos sind wie die Glasperlen, die europäische Siedler den Indianern im Austausch gegen Edelmetalle und Tierfelle andrehten.
Bleibt die Frage, ob wir an Religion einfach deshalb festhalten sollten, weil sie eine erhaltenswerte Fiktion ist, die Menschen ethische Prinzipien für ihr Handeln vermittelt. (Lassen wir das ethische Problem einmal unberücksichtigt, ob man Menschen manipulieren darf, um "gewünschtes" Verhalten zu bewirken und wer festlegen soll, was "gewünscht" ist). Um die Frage mit "ja" zu beantworten, müssten wir an Amnesie leiden, blind und taub sein.
Wir kennen die Geschichte des Christentums und der katholischen Kirche: den Jahrtausende langen Kampf der Kirche mit Königen und Kaisern um die Macht, ihre Bündnisse mit Diktatoren und Oligarchien zur Sicherung ihrer eigenen Privilegien, Kreuzzüge, Inquisition, Sündenablasshandel, Religionskriege, sexueller Missbrauch usw. Deshalb möchte ich hier nur auf grundlegende Mechanismen eingehen, die Religionen typischerweise nutzen.
Im Juli 2014 verkündeten die liberianischen katholischen Bischöfe als Reaktion auf den Ebola-Ausbruch, dass Gott böse sei auf die Liberianer wegen der sich ausbreitenden Homosexualität (vgl. Daily Observer, Monrovia, 31.07.2014). Was wir als groteske, billige Instrumentalisierung einer Infektionskrankheit für religiöse Zwecke durch Religionsführer erkennen, entfaltet in religiösen bildungsfernen Bevölkerungsschichten der Dritten Welt durchaus Wirkung.
Im christlichen Europa hat sich die katholische Kirche das gesamte Mittelalter hindurch der Juden bedient, um nach Katastrophen die Verzweiflung der Menschen, für ihre Zwecke zu nutzen. Dadurch kam es immer wieder zu Pogromen gegen die jüdische Minderheit.
Die Mechanismen, die Religionen nutzen, sind damals wie heute die gleichen: sie spalten aus dem Normalkontinuum einer Gesellschaft eine Gruppe der “Anderen” ab, konstruieren sie als Gefahr und Bedrohung für die Mehrheitsgesellschaft um sich selber als Schutz gegen diese Gefahr darzustellen und daraus die Legitimation für den eigenen Machtanspruch abzuleiten.
Das notwendige Pendant der Heilsbotschaft ist das Konzept des Bösen oder des Teufels. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Dabei sind Religionen nicht wählerisch und konstruieren als Böses, was die Menschen ihnen abzukaufen bereit sind. So wird ein epileptischer Anfall zur Teufelsbesessenheit, dem durch Exorzismus zu begegnen ist.
Die spaltende Kraft der Religion zeigt sich entlang zahlloser Konfliktlinien. Innergesellschaftlich schlägt sich das in Exklusion, Diskriminierung und Verfolgung unterschiedlichster Gruppen nieder wie sogenannte "Hexen", Menschen jüdischen Glaubens, Hugenotten, homosexuellen Menschen.
Die aus der Bronzezeit stammenden Texte der Bibel spiegeln das Weltbild der zu dieser Zeit bestehenden Stammesgesellschaften. Stämme mit unterschiedlichen Göttern, die sich gegenseitig überfielen und den unterlegenen Stamm versklavten. Noch heute markiert Religionszugehörigkeit unzählige Konfliktlinien zwischen Gruppen, verstärkt ihre Konflikte und hält sie über Generationen aufrecht: Nordirland, Kosovo, Irak, Nigeria, indischer Subkontinent….
In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts und in Zeiten asymmetrischer Bedrohungen durch Massenvernichtungswaffen, ist das mit der Bibel und dem Koran verbundene Stammesdenken und die daraus resultierende Moral geradezu gefährlich. Das hat uns der 11. September 2001 drastisch vor Augen geführt. Fanatisierte religiöse Gruppen würden Massenvernichtungswaffen auch unter Inkaufnahme des eigenen Todes einsetzen, im "wirklichen Glauben" daran, als Belohnung direkt in Gottes Reich einzukehren und das unbedeutende irdische Leben hinter sich zu lassen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum rationalen Kalkül des "Gleichgewichts des Schreckens" während des Kalten Krieges zwischen Ost und West.
Die entsetzlichen Verbrechen, die im Namen Gottes zurzeit durch den Islamischen Staat in Syrien und im Irak begangen werden, sind wie ein Déjà-vu, als spielte sich das christliche europäische Mittelalter erneut vor unseren Augen ab. Die religiösen Quelltexte in Bibel und Koran liefern die Legitimation für alle möglichen Gräuel. Sie sind ein moralischer Blankoscheck: Wer Andersgläubige ermorden will, trägt 5. Buch Mose 17: 2–5 ein. Wer sein ungehorsames Kind ermorden will, trägt Markus 7: 9–12 ein. Wer sich an seine untreue Ehefrau rächen und sie ermorden will, trägt 3. Buch Mose 20: 10 ein. Wer Menschen als Sklaven halten will, trägt 3. Buch Mose 25: 44–46 ein.
Ich habe mich immer gefragt, warum ein Gott, der den Menschen zehn Gebote verkündet, drei Gebote darauf "verschwendet", sicherzustellen, dass die Menschen nur ihn anbeten und verehren. Wenn etwas moralisch gut ist, sollte egal sein, von wem das Gebot kommt. Warum sollte ein allmächtiger Gott eifersüchtig sein wie ein kleines Kind sein?
Die Erklärung ist einfach: Die Zehn Gebote greifen Teile unseres intuitiv ohnehin vorhandenen Moralempfindens auf (vgl. Pinker 2012: 499) und präsentieren es uns vermengt mit einer Religion, um damit das eigentliche Ziel, den "Verkauf" einer "Religionsmarke" zu fördern. Aber ich liebe meine Eltern nicht, weil ich das vierte Gebote in der Bibel gelesen habe. Ich liebe sie, weil ich eine Beziehung zu ihnen aufgebaut habe.
Würde nicht jeder Gott, der wirklich an der Verbesserung des Zusammenlebens der Menschen und der Linderung von Leid interessiert wäre, die ersten drei der zehn Gebote streichen und sie durch das Gebot "Du sollst die Götter deiner Nachbarn achten" ersetzen? Oder wie wäre es mit der Verbesserung des siebten Gebots durch die Ersetzung: "Du sollst Reichtum mit allen teilen, die Not leiden?"
Wir sollten aufhören mit der verharmlosenden Behauptung, nicht die Religion sei verantwortlich für die Barbarei sondern nur die Entstellung einer anständigen Religion. Wenn der Islamische Staat nicht islamisch ist, dann war die Inquisition auch nicht katholisch. "Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, der kann dich auch veranlassen, Gräueltaten zu begehen" erkannte bereits Voltaire (vgl. Dawkins 2010: 426).
Glauben ist keine Tugend. Er entbindet von Rechtfertigung, Begründung und Diskussion unserer Ansichten und unseres Handelns und schafft auch heute noch den Nährboden für Unrecht, Dschihadisten und Kreuzzügler.
Am 31.07.2015 zitierte der Schweizer Bischof Vitus Huonder auf dem vom Forum deutscher Katholiken in Fulda veranstalteten Kongress "Freude am Glauben" zwei Textstellen aus dem 3. Buch Mose (18: 22 / 20: 13), in denen die Todesstrafe für homosexuelle Menschen gefordert wird. Unter dem Applaus seines Publikums kommentierte der Bischof diese Passagen mit den Worten: "Die beiden Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben" (vgl. NZZ, 09.08.15).
Wie kann man bei diesen Aussagen nicht sofort an die zurzeit im Internet kursierenden grausamen Bilder denken, auf denen zu sehen ist, wie IS-Anhänger (angeblich) homosexuelle Männer von hohen Gebäuden in den Tod stürzen, während am Boden eine jubelnde Menschenmenge steht, die ruft: "Allah ist groß"?
Wenn es uns nicht gelingt, Religion im Geist des Humanismus zu zähmen (vgl. Albert 2001), entfaltet sie ihr Gewaltpotential. In vielen islamischen Staaten ist es noch immer lebensgefährlich die Religion zu verlassen oder auch nur zu kritisieren, ähnlich wir im christlichen europäischen Mittelalter. Erst die Entmachtung des Klerus im Zuge der Französischen Revolution und die, wenn auch unvollständige Trennung von Staat und Religion, hat uns die heute so selbstverständlich erscheinenden Menschenrechte und Freiheiten in der westlichen Welt verschafft.
III. Wissenschaft
Im Frühjahr dieses Jahres forderte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sowie von Partnerschaften Geschiedener (vgl. domradio.de: Auf Mission, 05.06.15). Der Präfekt der römischen Glaubenskongregation Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller (das ist nach dem Papst der oberste Wächter über die Reinheit und Unverfälschtheit der katholischen Lehre, also eine Art "Chefideologe") erklärte daraufhin, dass das ZdK keine Kompetenz habe Inhalte der Offenbarung zu interpretieren und damit am Ende gar Gott zu belehren, was er eigentlich gemeint haben sollte. Denn die Offenbarung sei vor 2.000 Jahren durch Jesus Christus für immer abgeschlossen worden.
Erkenntnis durch Offenbarung – klingt wie eine Posse, ist aber tatsächlich noch immer das Fundament des Glaubens. An solchen Aussagen zeigt sich, wie unvereinbar Wissenschaft und Religion sind.
Richard Feynman (vgl. Coyne 2015) gibt eine originelle Definition von Wissenschaft: "Sie ist ein Mittel, um sich davon abzuhalten sich zu täuschen, denn niemand ist so leicht zu täuschen wie man selbst."
Wissenschaft formuliert ihre Aussagen so, dass sie überprüfbar und prinzipiell widerlegbar sind, um sich dadurch einer (vorläufigen) "Wahrheit" zu nähern.
Religion beruft sich bei ihren Aussagen auf Autorität, Offenbarung, Dogmen und Indoktrination. Sie kennt keine Mittel um ihre Glaubenssätze zu überprüfen und als falsch auszusortieren. Nichtwissen ist für Religion nützlicher als das Streben nach Wissen, denn die Lücken des Wissens lassen sich hervorragend mit Gott besetzen.
Michael Schmidt Salomon (2015) beschreit Religion als: "… institutionell abgesicherte Weltanschauungssysteme, die für sich reklamieren, im Besitz ewig gültiger Wahrheiten zu sein. Das Hauptproblem dieser religiösen Institutionen besteht darin, dass sie dazu neigen, überholte Vorstellungen vergangener Epochen in die heutige Zeit zu transportieren."
IV Menschenrechte
Am 26.06.2015 erklärte der US-amerikanische Supreme Court das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen für unvereinbar mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Dadurch wurde jeder der fünfzig Bundesstaaten verpflichtet die Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare zu ermöglichen. Der Bischof von Lafayette (Indiana, USA) Michael Jarrell erklärte daraufhin: "Lassen Sie mich deutlich sagen, dass kein menschliches Gericht die Autorität hat, das zu verändern, was Gott in das Gesetz der Schöpfung geschrieben hat." Er rief Katholiken auf, gegen die Gleichbehandlung von homosexuellen Menschen aktiv zu werden und empfahl zivilen Ungehorsam als richtigen Weg (vgl. queer.de, 14.07.2015).
Als am 22.05.2015 die Mehrheit der Iren in einem Referendum für eine Verfassungsänderung zur Schaffung von Rechtsgleichheit zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Ehen stimmte, war das ein GAU für die katholische Kirche. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, ein enger Vertrauter des Papstes, bezeichnete das Votum als eine "Niederlage für die Menschheit".
Diese Aussage zeigt, wie die Führer der katholischen Kirche noch immer denken: sie setzen das Interesse ihrer Organisation mit dem Interesse der Menschheit gleich und bestimmen, wer zur Menschheit gehört und wer nicht. Jahrhundertelang hat die Kirche die hierarchisch geordneten Gesellschaften stabilisiert, indem sie die gesellschaftliche Rangordnung als gottgegeben legitimierte und sich selber an die Spitze dieser Gesellschaften setzte. Moderne funktional differenzierte demokratische Gesellschaften sind für die Kirche bedrohlich, weil sie in diesen Gesellschaften nur noch ein System neben vielen anderen ist.
Bis heute hat die katholische Kirche die Menschenrechtscharta der UNO und die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet. Die Ausrufung der Menschenrechte während der Französischen Revolution wurde von Papst Pius VI als Widerspruch zur kirchlichen Lehre verurteilt und kommentiert mit den Worten: "Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?"
Als Recht des Menschen über sich selbst zu bestimmen, formulieren die Menschenrechte, jene Rechte, die Individuen vom Staat einfordern können.
Für die katholische Kirche untergräbt das den päpstlichen Primat, denn der Papst sieht sich als dem Willen des menschlichen Gesetzgebers übergeordnet, da er seine Autorität von Gott erhält. Nach der Lehre der katholischen Kirche hat sich die menschliche Gesellschaft dem Willen Gottes unterzuordnen, nicht aber dem der Menschen.
Da Priester ihrem Gott alles in den Mund legen können und sicher sein dürfen, dass er nicht widersprechen wird, (weil es ihn nicht gibt), bestimmt letztlich die katholische Kirche, welche Menschen welche Rechte erhalten.
Bei der Rechtsprechung um die Ehe geht es immer um die Zivilehe, d. h. um staatliches Recht. Von der katholischen Kirche wird die Ehe jedoch vereinnahmt, als habe sie ein Recht ihre religiösen Vorstellungen nicht nur ihren Mitgliedern sondern der Gesamtgesellschaft aufzuzwingen.
Bleibt zu hoffen, dass wir schon in einigen Jahren mit völligem Unverständnis auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Rechtsgleichheit für heterosexuelle und homosexuelle Ehen zurück schauen werden. So, wie wir heute unverständlich zurück schauen auf die Auseinandersetzungen um die Aufhebung des Verbots von Ehen zwischen Weißen und Schwarzen. Damals argumentierten Religiöse, dass der Mensch nicht mischen dürfe was Gott als getrennte Rassen geschaffen habe.
V Sexualität
Warum ist die katholische Kirche so besessen von Themen, die mit Sexualität zu tun haben? Sind katholische Priester geborene Experten in Sexualfragen? Qualifizieren gar das Zölibat oder ihre umfangreichen Erfahrungen als Täter sexuellen Missbrauchs in Fragen der Sexualität?
Sexualität ist für die Kirche ein hervorragender Sündengenerator. Der Trick besteht darin, Sexualität so zuzuschneiden, dass sie keinem passt und diese Nichtpassung als Sünde oder Böses zu fassen. So schafft Religion die Nachfrage für ihr Angebot, die "Ware" Vergebung. Es geht also gerade nicht um die Eliminierung "sündhaften" Verhaltens, denn das hieße "die Kuh schlachten, die gemolken werden soll". Lust gehört so sehr zum Leben, dass die Kirche sicher sein kann, hier eine Quelle nicht versiegender "Sünde" gefunden zu haben. Der Trick ist ähnlich genial wie die Erfindung der Erbsünde: Schuld qua Geburt!
Die katholische Kirche knüpft Sinn und "sittliche Rechtmäßigkeit" der Sexualität an das Ziel der Fortpflanzung innerhalb einer Ehe (vgl. Sigusch 2011: 28). Dabei soll der Geschlechtsakt "in heiliger und ehrfürchtiger Weise" und "nicht in leidenschaftlicher Begierde" vollzogen werden. Wer "eine Frau [die Perspektive zeigt, dass der Text von Männern geschrieben wurde, Verf.] auch nur lüstern ansieht, hat in Gedanken schon Ehebruch mit ihr begangen". So steht es in der "Persona Humana – Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik" des Vatikans.
Wir stimmen sicher darin überein, dass Sex ohne Lust keinen Spaß macht. So funktioniert Sexualität einfach nicht. Sexuelle Lust sucht Lust, “… das elaborierte Spiel mit Erregung, Reizen und Lust, das Genießen der Erregung” (Schmidt 2014: 39). Etwas vereinfachend auf den Punkt gebracht, kann man es auch so formulieren: Menschen haben nicht Sex, damit sie sich fortpflanzen, sondern pflanzen sich fort, weil sie Sex haben.
"Evolutionsbiologen gehen nicht mehr davon aus, dass Instinktmuster auf ein Ziel hin orientiert sind. […] Nicht einmal unbewusst muss der Träger eines bestimmten Verhaltensmusters die Fortpflanzung intendieren, es genügt, dass er dem 'Lust-Signal' […] folgt. Das Ziel des Individuums ist Lust; wenn diese zur Nachkommenschaft führt, wird sich das entsprechende 'Lust-Findeprogramm' verbreiten und eine nächste Generation wird es wieder anwenden" (Berner 2005: 161). Dieser Betrachtung liegt die Unterscheidung von Zweckursache und Wirkursache zugrunde und ist sehr bedeutsam für ein naturalistisches Weltverständnis (vgl. Rovelli 2014: 39).
Nun hat die katholische Kirche in der westlichen Welt längst den Großteil ihres Einflusses auf das Sexualleben der Menschen verloren: Sexualkontakte vor der Ehe sind die Regel, jede zweite Ehe zerbricht, Geschiedene begehen ohne Schuldgefühl die Sünde der Wiederheirat, über dreißig Prozent der Kinder werden unehelich geboren, Verhütungsmittel sind selbstverständlich, Pornographiekonsum alltäglich, Masturbation wird von Urologen als gesundheitsfördernd empfohlen.
Dennoch hat die Paarbeziehung für die Mehrzahl der Menschen einen hohen Stellenwert für das persönliche Glück. Aber nicht mehr im "Format der katholischen Ehe" sondern eher im Format der "reinen Beziehung" wie sie von Anthony Giddens beschrieben wird (vgl. Lewandowski 2004: 30–47). "Die reine Beziehung wird nicht durch materiale Grundlagen oder Institutionen gestützt, sie wird nur um ihrer selbst willen eingegangen; sie hat nur sich selbst und besteht nur, solange sich beide darin wohl fühlen, solange beide einen emotionalen 'Wohlfahrtsgewinn' haben" (Schmidt 2014: 22).
Die gleichgeschlechtliche Ehe ist für die katholische Kirche von besonderer symbolischer Bedeutung, da in ihr die "reine Beziehung" besonders klar in Erscheinung tritt, und weil sie sich als Bedrohung für das im Untergang befindliche traditionelle Sexualitäts- und Ehemodell stilisieren lässt. Wenn in Frankreich hunderttausende Demonstranten gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit dem Slogan "Mama – Papa – Kind" durch die Straßen ziehen, beschwören sie damit vor allem die Rückkehr von Modellen, nach denen sie selber nicht mehr leben. So hat ironischerweise gerade die Diskussion um die gleichgeschlechtliche Ehe die Ehe aufgewertet.
Ein realistisches Verständnis menschlicher Sexualität auf der Basis des Katholizismus zu erlangen, ist in etwa so, als müssten wir den Kosmos auf der Basis des geozentrischen Weltbildes erforschen (der Vorstellung, dass die Erde das Zentrum des Universums ist, um die alle anderen Planeten kreisen).
Was die katholische Kirche als "Sünde wider die Natur" verteufelt, ist tatsächlich Ausdruck der faszinierenden Vielgestaltigkeit menschlicher Sexualität, die wir wertschätzen sollten: "Dass alle Menschen, unabhängig vom körperlichen Geschlecht, erotisch und sexuell aufeinander und miteinander reagieren können, ist ein menschliches Vermögen. […] Im Grunde sind unsere Erotik und unsere Sexualität Kunstwerke" (Sigusch 2011: 95).
Sexualwissenschaft liefert uns spannende Ansätze zum Verständnis menschlicher Sexualität wie z. B. Gagnon und Simons "Theorie sexueller Skripte". Sie zeigt, wie sehr Sexualität im Kontext sozialer Beziehungen, Wahrnehmungsweisen und Interpretationsmuster verankert ist. Das Geschlecht des begehrten "Objekts" ist für die Auslösung sexueller Erregung keineswegs der informativste Aspekt sondern höchstens eine Minimalvoraussetzung, die für die meisten Individuen meist erfüllt sein muss (vgl. Simon 1990: 110; Simon und Gagnon 1987; Lewandowski 2004: 47–56). Deutlich erkennbar wird dabei: "Kein Mensch ist als Geschlechts-und als Sexualwesen mit einem anderen Menschen identisch. […] die individuellen Erfahrungs-, Begehrens- und Erlebensstrukturen […] sind so zahlreich wie es Menschen gibt" (Sigusch 2013: 212).
VI Schluss
Was folgt aus der Erkenntnis, dass Evolution der Schlüssel zu unserem Selbstverständnis ist. Robert G. Ingersoll (Myers 2014: 4) hat das so beschrieben: "When I became convinced that the universe is natural, that all the ghosts and gods are myths, there entered into my brain, into my soul, into every drop of my blood the sense, the feeling, the joy of freedom. The walls of my prison crumbled and fell. The dungeon was flooded with light and all the bolts and bars and manacles became dust."
Die Erkenntnis fegt die ganze Armada der Priester, Mullahs und Rabbis hinweg, die ihre Kunst der religiösen Manipulation in mehr als 2000 Jahren so perfektioniert haben, dass diese Märchenonkel mit ihren Texten aus der Bronzezeit und der Antike noch heute auf unsere Gesellschaft Einfluss nehmen und wir unseren Verstand gegen ihre Glasperlen eintauschen (s. o.: II.).
Die Einladung zu einer religiösen Hochzeit wäre für mich kein Problem, wenn es um eine Segnung durch Feen, Elfen oder Erdstrahlen ginge, die nicht zur Rechtfertigung von Ausgrenzung, Verfolgung und Tötung anderer Menschen genutzt werden. Der damit verbundene esoterische Mumpitz ließe sich als interessante Erfahrung verbuchen. Aber die Segnung durch eine Organisation, die die Würde der Menschen mit Füßen tritt und die so viel Böses hervorgebracht hat wie die katholische Kirche? Dann könnte man auch um den Segen eines Mafia-Paten bitten.
Wir sind es allein schon jeder einzelnen der ungezählten namenlosen Frauen schuldig, die die katholische Kirche im Namen ihres Gottes als “Hexe” gefoltert und anschließend lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat, dieser Kirche die Gefolgschaft zu verweigern. Denn für die Kirche sind die schweigend mitlaufenden "Schäfchen" die nützlichsten: sie stellen keine Fragen, sie meckern nicht und sie erheben keine Forderungen.
An einer katholischen Hochzeit ohne Protest teilzunehmen, käme für mich einer stillschweigenden Zustimmung zur Ausgrenzung, Diskriminierung, Kriminalisierung und Verfolgung von LGBT-Menschen in der ganzen Welt durch die katholische Kirche gleich.
Wir sind in der privilegierten Lage, Zugang zum Wissen über Religion zu haben und wir haben die Freiheit darüber zu sprechen. Daraus erwächst die Verpflichtung das Offensichtliche auszusprechen und den Religionen konsequent aufgeklärtes Denken, Verstand und Vernunft entgegenzusetzen. In ein Milieu katholischer Traditionen hineingeboren zu werden, kann uns nicht dazu verdammen ein Leben in intellektueller Unredlichkeit zu führen und dieses absurde religiöse Theater wider besseren Wissens bis an unser Lebensende mitzuspielen.
Bertrand Russell bezeichnet Religion als das größte Hindernis für moralischen Fortschritt (vgl. Russell 1927). Und Michael Schmidt-Salomon (2015) folgert: "Ohne die zusätzlichen Irritationen, die die Religionen erzeugen, würde es uns viel leichter fallen, globale Ungerechtigkeiten zu beseitigen und für eine Durchsetzung der Menschenrechte zu sorgen".
Letztlich kann es nur noch darum gehen, wie wir uns dem kulturellen Erbe des Katholizismus gegenüber verhalten. Wir können weiterhin eine katholische Messe besuchen, weil wir den Geruch von Weihrauch lieben – ohne uns dabei das Hirn vernebeln zu lassen. Neben den zahlreichen widerlichen und abstoßenden Texten in der Bibel gibt es in ihr auch schöne Stellen wie 1. Korinther 13: 1–13, "Das Hohelied der Liebe". Mir gefällt besonders die geringe Verwendung von Adjektiven. Die sich daraus ergebende Kargheit der Syntax, ist von ähnlicher Schönheit wie minimalistische Architektur. Wir können die Texte der Bibel lesen, wie wir auch griechische Göttersagen lesen, ohne deshalb an Zeus oder Odysseus zu glauben. Ralph Waldo Emerson (Dawkins 2010: 45) hat es so formuliert: "Die Religion des einen Zeitalters ist die literarische Unterhaltung des nächsten."
Literatur:
Albert, Hans (2001): Plädoyer für kritische Vernunft. Der Philosoph und Sozialwissenschaftler
Hans Albert im Gespräch, MIZ 3/2001, [online] http://www.schmidt-salomon.de/albert.htm [07.08.2015].
Berner, Wolfgang (2005): Von der Perversion zur Paraphilie, in: Quindeau, Ilka; Sigusch, Volkmar (Hg.): Freud und das Sexuelle. Neue psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven, Campus Verlag: Frankfurt am Main, S. 153–177.
Boyer, Pascal (2011): Und Mensch schuf Gott, Klett-Cotta: Stuttgart.
Coyne, Jerry (2015): Im Zeitalter der Wissenschaft – ist Religion “gefährlicher Aberglaube”?, [online] http://de.richarddawkins.net/articles/im-zeitalter-der-wissenschaft-ist-... [27.07.15].
Dennett, Daniel C. (2008): Den Bann Brechen. Religion als natürliches Phänomen, Verlag der Weltreligionen: Frankfurt am Main.
Dawkins, Richard (2013): Der blinde Urmacher, dtv: München.
Dawkins, Richard (2010): Der Gotteswahn, Ullstein Verlag: Berlin.
Harris, Sam (2008): Brief an ein christliches Land. Eine Abrechnung mit dem religiösen Fundamentalismus, C. Bertelsmann Verlag: München.
Lewandowski, Sven (2004): Sexualität in den Zeiten funktionaler Differenzierung. Eine systemtheoretische Analyse, transcript Verlag: Bielefeld.
Myers, Pz (2014): The Happy Atheist, Vintage Books: New York.
Pinker, Steven (2012): Wie das Denken im Kopf entsteht, Fischer Taschenbuch Verlag: Frankfurt am Main.
Roth, Gerhard (2011): Wie einzigartig ist der Mensch? Die lange Evolution der Gehirne und des Geistes, Spektrum Akademischer Verlag: Heidelberg.
Rovelli, Carlo (2014): Wie scheinbare Endgültigkeit entsteht, in: Brockman, John (Hg.): Wie funktioniert die Welt. Die führenden Wissenschaftler unserer Zeit stellen die brillantesten Theorien vor, Fischer Taschenbuch: Frankfurt am Main, S. 39–40.
Russell, Bertrand (1927): Warum ich kein Christ bin, [online] http://atheisten-info.at/downloads/russell.pdf [16.02.2014].
Schmidt, Gunter (2014): Das neue Der Die Das. Über die Modernisierung des Sexuellen, Psychosozial-Verlag: Gießen.
Schmidt-Salomon, Michael (2015): “Es gibt keine guten und bösen Menschen”, Tagblattzürich, 16.06.2015: Interview mit Michael Schmidt-Salomon [online] http://www.tagblattzuerich.ch/aktuell/interview/interview-detail/article... [16.08.15].
Sigusch, Volkmar (2013): Sexualitäten. Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, Campus Verlag: Frankfurt am Main.
Sigusch, Volkmar (2011): Auf der Suche nach der sexuellen Freiheit. Über Sexualforschung und Politik, Campus Verlag: Frankfurt am Main.
Simon, William (1990): Die Postmodernisierung der Sexualität, in: Zeitschrift für Sexualforschung, Jg. 3, Nr. 2, S. 99–114.
Simon, William; Gagnon, John H. (1987): Wie funktionieren sexuelle Skripte? In: Schmerl, Christiane u. a. (Hg.) (2000): Sexuelle Szenen, Leske + Budrich: Opladen, S. 70–95.
42 Kommentare
Kommentare
UNKRAUT am Permanenter Link
Ein lautstarkes und begeistertes BRAVO !!! Mehr Kommentar braucht es hier nicht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Walter Stuke,
vielen herzlichen Dank für diesen kenntnisreichen und gut aufgebauten Brief an eine katholische Heiratswillige. Gibt es eigentlich eine Antwort?
Am Sonntag zappte ich zufällig in den katholischen Gottesdienst im ZDF. Ich blieb ein wenig dabei und fragte mich, was eine Travestie-Show von dieser Veranstaltung mit einem Mann in Frauenkleidern, der Lieder singt, unterscheidet. Meine Antwort: Bei Letzterer fehlte jeglicher Spaß.
Und noch ein Gedanke kam mir: In zehn Jahren wird (fast) jeder der Anwesenden tot oder für einen weiteren Besuch zu alt sein. Wer wird dann in der Kirche sitzen? Die neuen Alten - also wir?
Brauchen wir wirklich diese Ernsthaftigkeit, mit der harmlose Oblaten in Menschenfleisch verwandelt werden, süffiger Wein in Menschenblut? Mich würde es gruseln, diesen kannibalischen Spuk mitzumachen.
Doch dies erschließt sich nur dem informierten, kritischen Bürger. Also das Gegenteil des idealen Gläubigen. Der lässt sich gefangen nehmen von würdevoll vorgetragenen Liedern, unverständlichen Floskeln und einem Bad in überschwänglicher Gottesliebe.
Glaubt nur ordentlich und fest, dann wird - WIRD!!! - alles ganz fein. Die irdische Plage und Pein wird überwunden und Gott bereitet uns ein ewiges Daunenbett in seiner durchlauchten Nachbarschaft.
Gerade haben Menschen im Namen dieses einen Gottes den Tempel von Baal Schamin gesprengt. Wären diese Menschen nur ein wenig gebildet in Sachen ihrer eigenen Religion, wüssten sie, dass Ba'al einer der Götter war, die mit diversen anderen Jahus (JHWH) und weiteren Göttern der Levante zu "ihrem" Allah verschmolzen. D.h. sie haben im Grunde ein Heiligtum ihres eigenen Gottes vernichtet. Folge ich deren absurder Logik, müssten sie sich jetzt wegen Blasphemie gegenseitig erschießen.
Jedoch interessiert mich nicht der religiöse Aspekt dieser Bauten, sondern ihr kulturhistorischer Wert, ihre zeitlose Schönheit - und (für die Menschen des Landes) ihre Magnetwirkung für Tourismus.
Da sich alle Monotheismen auf diesen einen Gott berufen (was auch - folgt man der Geschichte der Häresien - nicht zu bestreiten ist), sind alle gleichermaßen verantwortlich für ihr Tun. Das klingt hart, doch warum positioniert sich die katholische Kirche nicht eindeutig gegen die "Maßnahmen" des Islams? Weil sie damit ihre eigenen Positionen infrage stellen würden. Die Dogmatik ist hier glasklar. Daher das Herumgeeier, dass Kirche zwar einzelne Taten verurteilt, aber nie den einen Gott angreift. Im Zweifel hat alles nie etwas mit Religion zu tun. Schließlich - und das weiß die hohe Geistlichkeit natürlich - haben Muslime völlig Recht, wenn sie auf entsprechende Verse zur göttlichen Vernichtungsweihe in AT und NT verweisen.
"Gott" ist im Katholizismus heute nur noch zu einem sehr kleinen Teil "erträglich" - doch die Dogmatik verlangt, ihn in seiner Gänze anzunehmen. Also auch in der jüdischen, islamischen, zoroastrischen und mormonischen Variante. Sogar die evangelische Variante müssten Katholiken akzeptieren.
Aus diesem dualistischen Gestrüpp wird die Kirche nie mehr entkommen. Für sich selbst hat sie wohl keinen Heilsplan parat. Und der Heiland, der alles regeln sollte, verspätet sich eins ums andere Jahrtausend.
Solange die Verhältnisse im Haus Gottes aber nicht geregelt sind im Sinne einer modernen demokratischen rechtsstaatlichen und freiheitlichen Organisationsstruktur, die künftig wirklich nur noch Gutes tun will, kann ich derartige Häuser während der Travestie-Show auch nicht mehr betreten.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Ein schöner und überzeugender Text, mit einer Fülle an Argumenten, von denen schon jedes einzelne ausreicht, sich dieses Phantasiesystems zu entledigen.
Einer der letzten Absätze klingt wie einem humanistischen Manifest entnommen:
»Wir sind in der privilegierten Lage, Zugang zum Wissen über Religion zu haben und wir haben die Freiheit darüber zu sprechen. Daraus erwächst die Verpflichtung, das Offensichtliche auszusprechen und den Religionen konsequent aufgeklärtes Denken, Verstand und Vernunft entgegenzusetzen. In ein Milieu katholischer Traditionen hineingeboren zu werden, kann uns nicht dazu verdammen ein Leben in intellektueller Unredlichkeit zu führen und dieses absurde religiöse Theater wider besseren Wissens bis an unser Lebensende mitzuspielen.«
Einer vor der Hochzeit stehenden Frau, die sich eine glanzvolle Feier wünscht mit weißem Kleid und schmückendem Schleier, hat sich vielleicht diese dekorative Dienstleistung der Kirche losgelöst von deren desaströsen Vergangenheit. So mag sie von einem solchen Brief nicht abgehalten werden, einem Wunsch zu folgen, den der Verstand eigentlich verbieten würde.
Wenn sie überhaupt bereit ist, sich mit den im Brief ausgebreiteten Überlegungen zu befassen, dann wird sie es später noch tun. Spätesten dann, wenn der Zweifel gesät ist, lassen sich Bedenken und Nachdenken nicht mehr verhindern.
Vertrauen wir auf die »destruktive« Kraft von Verstand und Vernunft.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Entschuldigung, muss im 1. Satz des 3. Absatzes vollständig heißen:
Einer vor der Hochzeit stehenden Frau, die sich eine glanzvolle Feier wünscht mit weißem Kleid und schmückendem Schleier, hat sich vielleicht diese dekorative Dienstleistung der Kirche, losgelöst von deren desaströsen Vergangenheit, gewünscht. ...
Klarsicht am Permanenter Link
Satire: „Götterspeise“ als Abendmahl:
https://www.youtube.com/watch?v=tKwXhK6Yhd4
Es grüßt Klarsicht/Klarsichtig
john am Permanenter Link
Die einfache Antwort auf diesen Brief:
tl;dr
(ein einfaches ich kann leider nicht teilnehmen, hätte wohl ausgereicht.)
Robinson_Crusoe am Permanenter Link
nein, hat in diesem Fall wohl nicht ... tja.
Heide am Permanenter Link
Och nöö, bitte nicht den Tag mit so einem langen Brief verhunzen... Wo man sich doch auf ganz in weiß – was heute wahrscheinlich keine Bedeutung mehr hat (ganz fettes grinsen!) - gefreut hat. Schafft nur böses Blut.
Und die Scheidung abwarten (Chance liegt bei 30...40%).
Bei der dann folgenden neuen Partnerschaft und der dann folgenden Feststellung, dass nochmalige katholische Hochzeit nicht ist und vielleicht auch noch arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen, hier und da schnippische Bemerkungen einfließen lassen. Das ist wesentlich effektiver, da die Leute dann gemerkt haben, wem sie da aufgesessen sind. Vorher damit zu kommen ist idR zwecklos; die Leute müssen erfahrungsgemäß erst einmal den Griff ins Klo getätigt haben.
Martin Wolf am Permanenter Link
Vielleicht sollte er doch wieder mal hingehen zur kath.
Heide am Permanenter Link
2/3 aller Ehen halten ein Leben lang. Und die sind mit Sicherheit nicht alle katholisch.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... der aber halt nichts schreibt, wo er selbst die Kraft herbekommt zur immer wiederkehrenden positiven Hinwendung zum Menschen in Nächstenliebe ..."
Das ist das zentrale, offenbar nicht auszurottende Missverständnis Gläubiger: Da in einem alten Buch steht, dass die Nächstenliebe ein "Gottesgebot" sei, glauben sie nun, dass diese Nächstenliebe von einem "Gott" stammen muss. Folglich kann jeder, der nicht an diesen "Gott" glaubt, keine Nächstenliebe haben. Dass wir inzwischen wissen, dass Nächstenliebe einen evolutionären Vorteil bietet und deshalb angeboren ist - sprich: aus uns selbst kommt - wird beharrlich ignoriert.
Was sagt mir das über das Realitätsverständnis Gläubiger...?
Kampfministrant am Permanenter Link
1.) Alles, aber auch wirklich alles, was hier über die katholische Kirche geschrieben wird, ist falsch!!! Es stimmt zwar, dass manche Texte heute befremdlich wirken.
2.) Es geht dem Priester während der Messe nicht darum, seine "Show" abzuziehen. Er ist in der Messe der Stellvertreter Jesu Christi!
3.) Es stimmt nicht, dass nur alte Menschen in die Kirche gehen! Ich bin 13 Jahre alt und gehe mindestens 3 mal pro Woche in die Kirche. In meiner Gemeinde gibt es garantiert mehr Kinder als Erwachsene.
4.) Ein einfaches: " Ich kann nicht, weil ich mit der katholischen Kirche auf Kriegsfuß bin" , hätte durchaus ausgereicht !
Heide am Permanenter Link
"Er ist in der Messe der Stellvertreter Jesu Christi!"
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Kampfministrant (kein besonders friedlicher Nick nebenbei oder siehst du dich als "Gotteskrieger"?),
"1.) Alles, aber auch wirklich alles, was hier über die katholische Kirche geschrieben wird, ist falsch!!!"
Ich weiß nicht, ob du dich für die katholische Kirche wirklich interessierst - es könnte ja ein reines Freizeithobby sein. Wenn ja, dann könntest du dir einmal Literatur darüber besorgen und nachlesen, was für eine feine Organisation das ist, die du hier so kampfbereit verteidigst.
Ich empfehle Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentum". Auf über 6.000 Seiten hat er darin chronologisch die schlimmsten Verbrechen des Christentums seit seinen Anfängen bis vor wenigen Jahren aufgelistet. Vielleicht korrigierst du dein positives Urteil nach der Lektüre.
"Es stimmt zwar, dass manche Texte heute befremdlich wirken. Das heißt aber nicht, dass sie nicht richtig sind!"
Woher weißt du, dass diese Texte richtig seien? Hast du deren Inhalte selbst überprüft oder vertraust du deinem Pfarrer? Und woher weiß der das?
Am Anfang dieser Kette von "Hörensagen" stehen clevere Herrscher, die sich Legitimationen für ihr unethisches Tun selbst fabriziert haben - auf Basis vieler alten Mythen und Legenden, die im Volksmund tradiert wurden. So war die Grundlage für den Forderungskatalog gelegt.
Wenn du magst, kannst du deinen natürlichen Instinkten vertrauen: Wenn etwas befremdlich erscheint, dann ist es das vermutlich auch. Im Zweifelsfall musst du recherchieren. Und lass dich nicht mit der dümmsten aller Ausreden reinlegen: "Das steht halt so in einem alten Buch und DESWEGEN ist es wahr!"
Ich behaupte nicht, dass alles Alte automatisch falsch ist, aber man muss dann sehr genau hinschauen, ob dort ein Körnchen Wahrheit zu finden ist. Und Zweifel sind immer gut, damit man nicht leichtgläubig ist.
Kampfministrant am Permanenter Link
Ich denke, dass die Texte richtig sind, weil ich in den Sommerferien die Bibel durchgelesen habe und die Texte auch auf die heutige Zeit gut übertragen kann.
Den Spitznamen "Kampfministrant" habe ich
scherzhaft von meinen Freunden erhalten, da ich 3-4 mal am Altar diene.
Und ich weiß natürlich, dass nicht alles, was die Kirche in den letzten Jahrtausenden alles getan hat, gut und richtig ist!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sicherheitshalber schreibe ich es am Anfang: Ich will niemandem seinen Glauben nehmen, da ich dies als Privatsache ansehe.
"Ich denke, dass die Texte richtig sind, weil ich in den Sommerferien die Bibel durchgelesen habe und die Texte auch auf die heutige Zeit gut übertragen kann."
Die ganze Bibel?
Ich habe natürlich auch die Bibel gelesen und mich wissenschaftlich damit befasst, allerdings historisch, nicht theologisch, da Theologie keine erkenntnisgewinnende Wissenschaft ist. Mein Urteil deckt sich mit dem vieler anderer Historiker und sogar immer mehr Theologen kehren der "Heile-Welt-Exegese" der Bibel den Rücken.
Ich will gar nicht auf die vielen Widersprüche und den naturwissenschaftlichen Unsinn (der zu Ideen wie der eines "Schöpfergottes" geführt hat) eingehen, sondern mir reicht die unglaublich unmenschliche Ethik der Bibel (AT und NT).
Nur ein Beispiel:
Als Frau oder Mädchen wirst du vielleicht nachvollziehen können, wie du dich fühlen müsstest, wenn du als Minderjährige von deinem eigenen Vater zusammen mit deiner ebenfalls minderjährigen Schwester einer größeren Gruppe von Männern zur "freien Verfügung" ausgeliefert werden solltest. Wäre das toll? Was würdest du von einem solchen Vater halten? Und was würdest du dazu sagen, wenn dieser Vater nun als gerechtester Mann zweier großer Städte angesehen würde? Komisch, oder?
Aber "Gott" - der "Gott" an den du offenbar glaubst - hat Lot - so heißt der Vater in der Bibel - aus Sodom und Gomorra gerettet, weil alle anderen schlimmer als er gewesen sein sollen. Sogar kleine Babys und Ungeborene hat "Gott" vernichtet, weil sie in seinen Augen nicht gerecht seien. Babys und Ungeborene!!! Geht's noch?
Findest du das in Ordnung? Kann man solche Geschichten wirklich in die heutige Zeit "gut übertragen"? Und solche Geschichten gibt es zuhauf in der Bibel, auch im neuen Testament.
Kann das sein, dass du dich nur mit ganz wenigen, vom Pfarrer wohlweißlich ausgesuchten Textstellen beschäftigt hast? Lies auch den Rest aufmerksam und offen für Erkenntnis. Du wirst - wie ich - feststellen, dass die Bibel ein blutiges, unethisches Werk ist, das sehr zweckgerichtet von machtgierigen Männern einer Beduinenkultur geschrieben wurden, die über andere herrschen wollten.
"Die katholische Kirche ist nicht mein "Hobby" , sondern mein Leben! Ich bin überzeugte Katholikin!"
Das will ich dir nicht nehmen, aber lass dich nicht zu tief hineinziehen. Der Weg raus könnte steinig und hart werden. Aber es ist und bleibt deine Privatsache.
"Und ich weiß natürlich, dass nicht alles, was die Kirche in den letzten Jahrtausenden alles getan hat, gut und richtig ist!"
Und trotzdem ist diese Kirche "dein Leben"? Wie geht das? Wenn ich in einer Organisation aktiv wäre, von der ich weiß, dass sie Verbrechen begeht, dann würde ich nach dem nächstbesten Ausgang suchen. Oder wurdest du als Kind derart indoktriniert, dass du diese Rille in deinem Kopf nicht mehr verlassen kannst?
Dann gebe ich dir einen Tipp: Informiere dich objektiv über "deine" Kirche (Finanzen, Arbeitsrecht etc.) und engagiere dich als Kampfministrant gegen die Unarten, die dort vorherrschen. Z.B. gegen sexuelle Unterdrückung, Frauen- und Homosexuellendiskriminierung, gegen die Diskriminierung Andersgläubiger oder wiederverheirateter Geschiedener. Gegen die Selbstbedienung aus dem Taschen selbst konfessionsloser Bürger. Etc. pp. Es gibt viel in "deiner" Kirche zu tun. Es liegt viel im Argen.
Da muss der Glaube an sich gar nicht angegriffen werden (wobei ich nie nach einem derart unethischen Buch wie der Bibel leben könnte, denn ich mag meine Mitmenschen und wünsche ihnen keinen Mühlstein an den Hals oder Steine an den Kopf, nur weil sie eine andere Lebenseinstellung haben). Es reicht völlig, sich das aktuelle Fehlverhalten (Thema: Moral, "christliche Werte", Einfluss in Politik und Medien) vorzunehmen und zu korrigieren.
Damit würdest du "deiner" Kirche einen großen Dienst erweisen (weil sie in ihrer jetzigen Verfassung untergeht), auch wenn ich hier anmerken muss, dass du gegen die Altherrenriege keine Chance haben wirst. Die beherrschen ihr einträgliches Geschäft...
Trotzdem: Viel Glück!
Sonntag am Permanenter Link
Lieber Kampfministrant, danke für Deinen mutigen Post. Du bist nicht alleine hier. :)
Und sowohl an unsere Mit-Kommentatoren als auch an den Autor dieses "Briefes" (ein Brief mit Literaturverzeichnis, Respekt!) sei gerichtet:
* Ihr sprecht von Fehlern der katholischen Kirche in der Vergangenheit. Sprechen wir einmal über etwas anderes: die wissenschaftliche Aussage, dass die Frau dem Mann von Natur aus unterlegen ist, ist unter anderem eine Grundthese des Humanismus.
* Ihr sprecht von Hexenverbrennung in der katholischen Kirche. Wisst ihr auch, dass über 90% der Hexenprozesse der Inquisition für die Hexe mit Freispruch endeten? Und der wütende Mob (nicht die Kirche) sie so manches Mal dann doch lynchten?
* Ihr sprecht von Toleranz. Wir sprechen alle ganz viel von Toleranz. Das ist doch ein guter Zeitpunkt, die Toleranz einmal zu beweisen - und Christen Christen sein zu lassen, ohne irgendwelche Hetzbriefe, ohne Ausgrenzung. Wir zwingen niemanden, an Christus zu glauben - ich glaube, man kann gar niemanden zum Glauben zwingen.
Danke. Und einen schönen Abend Euch allen!
Sonntag
Heide am Permanenter Link
Mutig vielleicht, aber nicht wirklich überzeugend!
Für Kritik gibt es zudem genug aktuelle Themen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... die wissenschaftliche Aussage, dass die Frau dem Mann von Natur aus unterlegen ist, ist unter anderem eine Grundthese des Humanismus."
Und wo finde ich diese Grundthese in einem aktuellen humanistischen Buch (wir evolutionäre Humanisten neigen dazu, Bücher regelmäßig zu aktualisieren)? Außerdem ist dies in der katholischen Kirche keine "Grundthese", sondern gelebte Praxis. So viel dazu!
"Wisst ihr auch, dass über 90% der Hexenprozesse der Inquisition für die Hexe mit Freispruch endeten?"
Wir sollen also positiv anerkennen, dass 10-mal mehr Frauen wegen eines lächerlichen abergläubischen Vorwurfs angeklagt, als verbrannt wurden?
"Und der wütende Mob (nicht die Kirche) sie so manches Mal dann doch lynchten?"
Ach, das waren sicher Humanisten, die sich, nachdem die Kirche die unschuldigen Frauen haltlos angeklagt hatte, aus humanistischen Gründen über die Freigesprochenen hermachten? Glauben Sie eigentlich, was Sie schreiben?
"Das ist doch ein guter Zeitpunkt, die Toleranz einmal zu beweisen - und Christen Christen sein zu lassen, ohne irgendwelche Hetzbriefe, ohne Ausgrenzung."
Eine Faktensammlung ist also ein Hetzbrief? So, wie die Bibel vielleicht, die an jeder passenden Stelle gegen Ungläubige und Ketzer hetzt, ihnen den Tod wünscht? Vielleicht habe ich es überlesen, aber an welcher Stelle des Briefes wird der Tod Gläubiger gefordert? In Ihrer "heiligen" Schrift finden sie problemlos hunderte dieser "toleranten" Aufforderungen. Oder ist Glaube inzwischen losgelöst von der Bibel? Gilt "Gottes" Wort gar nichts mehr unter Christen?
"Wir zwingen niemanden, an Christus zu glauben - ich glaube, man kann gar niemanden zum Glauben zwingen."
Na, das ist doch beruhigend zu hören. Da hatten die Vorgängergenerationen aber noch ganz andere Vorstellungen... Noch was: Mit dem "wir" wäre ich vorsichtig, wenn ich z.B. nach Afrika schaue. Oder bezeichnet "wir" eine erlesene Gruppe von Katholiken, die sich mit der weltweiten Kirche nicht mehr identifizieren mag?
Noch eine letzte Frage: Wann beginnen Gläubige wie Sie mal damit, sich für ihre Kirche und die dahinterstehende Ideologie zu entschuldigen?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Da bin ich ja froh, dass mein Neffe und A. kürzlich lediglich standesamtlich geheiratet haben; nebenbei eine der schönsten Hochzeiten, an denen ich jemals teilnahm.
Ich gehe nicht mehr einmal auf kirchliche Beerdigungen - und benötige dazu keine Rechtfertigung. Ich bin nicht in dem Verein, Punkt.
Und was sind denn Religionen anderes als esoterischer Mumpitz? Welche interessanten Erfahrungen ließen sich im letzteren Fall verbuchen?
Norbert Reimann am Permanenter Link
Hans, Du schreibst: "Ich bin nicht in dem Verein, Punkt." Ich müsste schreiben: "bin nicht mehr in dem Verein", wobei ich heute meinen Kirchenaustritt eher kritisch sehe.
Ob die Kirchen solche aufgeklärte Zwangsmitglieder aus ihren Reihen entfernen kann, ist mir nicht bekannt; auf alle Fälle könnte man mehr bewirken.
Heinz am Permanenter Link
"Wir sind es allein schon jeder einzelnen der ungezählten namenlosen Frauen schuldig, die die katholische Kirche im Namen ihres Gottes als “Hexe” gefoltert und anschließend lebendig auf dem Scheiterhaufen verbran
Wegen der gefolterten und getöteten Männer schämen wir uns dagegen natürlich nicht. -.-
selberdenken am Permanenter Link
Wusstet ihr, wie viele Menschen heute als Hexen oder Zauberer getötet werden?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Natürlich werden auch heute vom IS Zauberer und vermeintliche Hexen umgebracht. Auch in anderen Religionen und Regionen ist dies furchtbarer Usus.
Aber wie haben die Volksgläubigen (was ist das eigentlich für ein Glaube...?) die christliche Kirche dazu gebracht, Hexen anzuklagen und zu verbrennen? Allein die spanische Inquisition (eine mit Genehmigung des Papstes eingerichtete staatliche Behörde zur Bekämpfung der Häresie in Spanien) hat zwischen 1481 und 1820 34.658 Opfer verbrannt. Mit allen brutalen Strafen zusammen kommt man allein dort auf 340.951 Opfer kirchlicher Willkür.
Da muss dieser Volksglaube ja mächtig und stark sein, wenn er die Kirche zu diesen Gräueltaten verführen konnte...
Ich kann wenigstens selberdenken...
Robert Marxreiter am Permanenter Link
Ich finde es völlig unverständlich, warum sich der Autor der Braut hier so aufdrängen muss. Dieser Tag ist ihr sehr wichtig und das sollte man wenn schon nicht respektieren dann wenigstens akzeptieren.
Ich kann es ja verstehen, wenn jemand bezüglich einer Taufe zu bedenken gibt, dass ein Eintrag im Taufregister nicht rückgängig gemacht werden kann. Aber in diesem Fall treffen zwei mündige Erwachsene eine Entscheidung, die noch nicht mal echte Konsequenzen für sie hat (bindend ist nur das Standesamt) und sehr wohl rückgängig gemacht werden kann. Lasst sie doch einfach in Ruhe ihr Fest geniessen. Ich war auch sehr froh, dass auf meiner säkularen Trauung keiner der anwesenden engagierten Christen auch nur einen Hauch von Missgunst hat aufkommen lassen. Sie waren im Gegenteil begeistert, wie gefühlvoll und emotional echt eine Hochzeit ohne religiösem Anhang sein kann.
Dadurch erreicht man Menschen. Nicht dadurch, dass man sie so plump vor den Kopf stößt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Herr Marxreiter,
ich kann viele Ihrer Einlassungen nachvollziehen. Doch eines ist dezidiert nach Ansicht der katholischen Kirche nicht so:
"Aber in diesem Fall treffen zwei mündige Erwachsene eine Entscheidung, die noch nicht mal echte Konsequenzen für sie hat (bindend ist nur das Standesamt) und sehr wohl rückgängig gemacht werden kann."
Aus katholischer Sicht gibt es das Sakrament der Ehe und das ist unauflöslich. Daher das Dilemma, falls sich das Paar scheiden ließe und sie oder er wieder heiratet. Dann beginnt der Spießrutenlauf der katholischen Kirche und falls einer der beiden (oder auch der neue Ehepartner) in katholischen Diensten steht, ist mit Kündigung zu rechnen.
Insofern gibt es schon einige Dinge für die weitere Lebensplanung zu bedenken, wenn man sich in offizieller Mission in diese Gebäude begibt. Sie erwähnten die Taufe, die sogar explizit gegen den erklärten Willen des Täuflings mit LEBENSLANGEN Konsequenzen zwangsverübt wird. Selbst wenn dies nur ein symbolischer Akt wäre und nicht sogar steuerrechtliche Konsequenzen - von denen das Baby noch gar nichts ahnen kann - nach sich zöge, bliebe die Anmaßung der Kirche, über das Leben wildfremder Menschen frei bestimmen zu können. Es ist der Gedanke hinter dem, der mich erzürnt.
Und gerade diesen Punkt hat Walter Stuke hervorragend herausgearbeitet. Das bunte Trallala und die romantische Show ist ja gut für den, der es braucht. Aber leider erkauft man dies im Gesamtpaket mit Umständen, die in einem freiheitlichen Rechtsstaat einfach keine Rolle mehr spielen sollten.
Robert Marxreiter am Permanenter Link
Ob der Autor das gut gemacht hat hängt letztlich davon ab, was er damit erreichen wollte und ob er es erreicht hat.
Glaubt hier wirklich jemand ernsthaft, dass die Braut sich das ergebnisoffen durchgelesen hat? Dass sie etwas anderes als "Der ist komisch, den bzw. das Thema werde ich in Zukunft meiden" mitgenommen hat? Die Trauung wird sie mit Sicherheit nicht abgesagt haben und anstatt einer ehrlichen Auseinandersetzung mit ihrem Glauben wird die Bulldozermethode sie eher verschrecken. Was sie empfangen hat ist eben nicht "ich möchte ehrlich sein" sondern "ich möchte dich beschämen". Und so geht man mit Menschen die man mag nicht um.
Was die katholische Kirche denkt kann man hier getrost ausblenden, weil es die Braut höchstwahrscheinlich ohnehin nicht wirklich interessiert. Wenn sie in kirchlichen Einrichtungen arbeitet, dann kann sie auch in "wilder Ehe" Probleme bekommen. Wenn das die Sorge des Autors gewesen wäre, dann hätte er besser bis nach der Trauung gewartet.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Die Trauung wird sie mit Sicherheit nicht abgesagt haben ..."
Ich habe den Brief nicht so verstanden, dass dies das Ziel gewesen sei. Der Autor hat lediglich sehr gut begründet, warum er an dieser Veranstaltung nicht teilnehmen kann. Gerade wenn er ihr im Leben sehr nahe steht, hätte sie eine Ausrede eher irritiert. So weiß die Braut: Das hat nichts mit mir zu tun, sondern mit dem Ort der Show.
Wie sie im Nachhinein damit umgeht - vermutlich ist sie sowieso nicht sonderlich gläubig - ist sekundär. Walter Stuke wollte lediglich - so mein Eindruck - begründen, warum er die Kirche nicht betreten mag, weil sie als Symbol für eine Menge Übel steht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Frau meinte, er habe ein bisschen viel getextet, aber sie weiß auch, dass es nicht gegen sie gerichtet ist.
Robert Marxreiter am Permanenter Link
"Wie sie im Nachhinein damit umgeht [...] ist sekundär"
Ob Sie und Herr Stuke inhaltlich Recht haben steht hier nicht zur Debatte, weil es bei diesem Anlass um Emotionen geht. Und mit Emotionen muss man diplomatisch umgehen, sonst findet kein Argument der Welt gehör.
Der Autor hat also nicht nur kein Gehör gefunden sondern auch noch die Gefühle der Braut verletzt und dazu beigetragen, dass dieser Tag für Sie eine Kerbe abbekommen hat. Und so geht man mit Menschen die man mag nicht um.
Roland Fakler am Permanenter Link
Hervorragende Zusammenfassung humanistischer Weltsicht!
Olaf Sander am Permanenter Link
Ich finde den Brief ausgezeichnet und ich "teile" nur selten Dinge im Netz.
Klar hätte Herr Stuke zu M. sagen können, dass er einfach nicht kommt, oder kommen kann, weil... Aber das wäre unredlich - sich selbst gegenüber und den Menschen, denen er abgesagt hat.
Nun wissen wir nicht, wie M. auf diesen Brief reagiert hat und in welcher Beziehung Herr Stuke und M. zueinander stehen.
Aber zumindest mir macht dieser Brief Mut, das nächste Mal, wenn mich wieder jemand von seinem Glauben überzeugen will oder über Gott spricht, als wäre ein selbstverständlicher Teil unserer Welt, zu sagen, dass ich das nicht hören will.
Wenn nötig, wird mir dieser Brief dann als argumentative Schützenhilfe ziemlich sicher gute Dienste leisten.
Der Artikel ist tl;dr? Nein. Ganz und gar nicht.
Eher; Prädikat:Besonders empfehlenswert!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Dieser Brief gleicht dem Genuss einer ausgezeichneten Flasche Wein, die ich mit meiner Frau hin und wieder trinke.
Clara Ausel am Permanenter Link
Oje. Er kann nicht zur katholischen Hochzeit gehen, weil er das Religiöse nicht abkann. Wie heldenhaft.
Sarah B. am Permanenter Link
Was hat denn ein unhöflicher Hochzeitsgast mit Humanismus zu tun?
Da heiraten Leute, die man gerne hat, und statt zu gratulieren oder sich wenigstens zurückzuhalten, kommt dann sowas.
Ich heirate selber in wenigen Wochen und bin da vielleicht überempfindlich, weil ichs genau andersherum kenne. Wir sind Humanisten und werden "nur" standesamtlich heiraten, und alle Boot lang kommt irgendein Heini aus Verwandtschaft, Freundeskreis oder sogar vollkommen Fremde (!) und fragen uns, warum wir nicht auch kirchlich heiraten und warum das so wichtig wäre. Ein Verwandter will auch nicht zur Hochzeit kommen, deswegen (was heißt ein Verwandter, mein eigener Vater... ). Und auch wenn ich da an sich drübersteh und mir denke, solln die halt reden, ich mach mir einen schönen (schöneren?) Tag ohne diese Leute, es ärgert mich und ich muss mich bemühen, es mir nicht die Feier verderben zu lassen. Wie ich meine Hochzeit feiere geht ja in erster Linie meinen zukünftigen Mann und mich was an.
Worauf ich hinaus will: Ja, ich kann verstehen, dass man an solchen Feiern nicht teilnehmen will, mach ich auch nur begrenzt und immer seltener. Wenns dem Brautpaar wichtig ist, sitz ich halt in der letzten Reihe. Oder warte vor der Kirche und gratuliere danach. Oder sag halt höflich mit drei Sätzen ab. Oder geh nur zur Feier. Aber so thematisiere ich doch das, wenns mir denn schon ein so dringendes Bedürfnis wäre, erst hinterher, wenn überhaupt.
Ich finde den Brief respektlos und anmaßend. Wenn mir jemand so einen schreiben würde, nur mit Bekehrungsversuchen zum Katholizismus, hätte er mich das letzte Mal gesehen. Erst recht, wenns kurz vor meiner Hochzeit wäre.
Robert Marxreiter am Permanenter Link
Hallo Sarah,
Dass es keine kirchliche Trauung war haben wir unseren Gästen gegenüber nicht angekündigt. Daher konnten auch die engagierten Gläubigen unter ihnen unvoreingenommen feststellen, dass ohne religiösem Bezug nichts fehlt.
Ludwig D. am Permanenter Link
Schade, der Autor ist dermaßen intolerant und hat kaum profunde Kenntnis des katholischen Glaubens, dass ich leider als Atheist sagen muss: Nett gemeint, aber völlig daneben.
selberdenken am Permanenter Link
Ja mei, dann bleib halt weg.
callene am Permanenter Link
Ehrlich gesagt finde ich es reichlich arrogant, anderen Menschen vorschreiben zu wollen, ob und wie sie ihre Hochzeit feiern sollen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Auch hier:
Der Autor hat lediglich seine Nichtteilnahme begründet. Er wollte niemanden daran hindern, sich kirchlich trauen zu lassen.
David am Permanenter Link
Ich befand mich vor einiger Zeit in der gleichen Situation wie der Autor.
Lange hatte ich überlegt, ob ich mir die kirchliche Trauung tatsächlich antun soll, letzendlich habe ich mich dann aber doch dafür entschieden - obwohl ich alle hier aufgeführten Punkte durchaus genau so sehe wie der Autor.
Meine Gründe für die Entscheidung waren:
1. Neugier. Ich habe meinen letzten "Gottesdienst" als Kleinkind erlebt und war daher einfach interessiert, was da so als show geboten wird. Und ich muss sagen, der Comedy-Faktor war schon sehr hoch ;)
2. Nachsicht & Mitgefühl für die Situation. Dass man mir als bekannten Atheisten dennoch die Funktion des Trauzeugen anbot, fand ich schon sehr niedlich. Dies Abzulehnen bzw der Trauung fernzubleiben hielt ich daher für unpassend, nicht zuletzt, weil es (unabhängig von Religionskritik) für das Ehepaar ein wichtiges Ereigns darstellte, an dem man mich gerne teilhaben lassen wollte.
Nun geht die Geschichte allerdings weiter. Inzwischen haben die zwei ein Baby, was natürlich getauft werden soll, selbstredend bin ich zur Taufe eingeladen. Diesen Sachverhalt sehe ich allerdings dann doch kritischer. Kindliche Indoktrination halte ich für nicht förderlich und so werde ich meine Nichteilnahme den beiden auch erklären.
Anne Robel am Permanenter Link
Der Autor des "Briefes" wollte sich -das Recht hat er- und inhaltlich stimme ich zu-; über die katholische Kirche äußern.
Mir scheint, der Autor suchte ein Forum , in dem er seinen Standpunkt darlegen kann.
Der Konflikt ist mir allerdings vertraut: Geht man zu einer familiären Feier, z.B. zu einer Kindtaufe, weil man die jungen Eltern vielleicht sogar schätzt, oder auch Familienfeiern mag? oder boykottiert man, weil man die Zwangstaufe ablehnt. Ich entschied mich für letzteres, habe aber auf die Abhandlung über die Katholische Kirche verzichtet.
Es blieben 5 Sätze, die dennoch Wertschätzung für die Menschen beinhaltete und die Familienbande halten noch.
Ich gehen grundsätzlich nicht in Gottesdienste und meide Kirchen, auch wenn dort, wie heute verbreitet, Vorträge oder weltliche Konzerte statt finden. Allein schon der Muffgeruch!!!!! und das auch im übertragenden......Säkulare Grüße ! A.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Da die Kommentare unter diesem Artikel zu einem persönlichen (und leider sehr unsachlichen) Schlagabtausch geworden sind, hat sich die Redaktion entschlossen, die Kommentare zu schließen.