Säuglinge mit Wasser gießen? Der diese Sitte durchsetzte, hat auch die Erbsünde erfunden

Augustinus' wunderbare Waschanlage

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Das Leben ist immer blöd, wenn man nicht weglaufen kann

Warum eigentlich werden Babys von Priestern mit Wasser übergossen? Um sie zu erlösen, ihre Seelen zu retten? Aber sie müssten doch eigentlich noch unschuldig sein! Eben deshalb ist der Erfinder des Babytaufens auch der Erfinder der Erbsünde gewesen ...

In einer Kirche. Es ist kühl, alle Geräusche hallen seltsam. Erst wird vielleicht noch Musik gespielt. Jetzt wird das Baby von den Eltern an einen fremden Mann übergeben, einen kostümierten Mann. Der Mann nimmt das Kind. Murmelt irgendwas. Dann kippt er dem nichtsahnenden Ding plötzlich Wasser über den Kopf. Das Baby braucht nur einen Moment. Dann schreit es. Zum ersten Mal in seinem Leben ist es mit Theologie in Berührung gekommen.

Theologie ist das Werbegeschwätz der Kirchen, sie dient dazu, die offensichtliche Absurdität ihrer Ansprüche und Lehren wegzuflunkern, je ernsthafter, je besser. Je weniger Fakten man auf seiner Seite hat, desto aufgeblasener muss man daherreden, das gilt für Immobilienmakler ebenso wie für Werbefuzzies und Trickbetrüger: Ohne Gewese kein Geld, keine Existenzberechtigung.

Das gilt natürlich idealtypisch für jede Religion. Götter sind per se unbeweisbar. Ein Gott, der in der Realität greifbar würde, verlöre seinen Sinn, die Behauptung nämlich einer Transzendenz. So ist der Widerspruch zwischen Realität und Religion immer der größte denkbare: Die Religion hat so gar nichts in der Hand, was für ihr Produkt spricht. Dabei verkauft sie uns eben nicht bloß eine bedruckbare Henkeltasse oder ein Wochenende auf der Schwäbischen Alb. Sie verkauft uns das ewige Leben. Ein leider unsichtbares und unbelegbares Produkt. Selbst der windigste Immobilienmakler muss zumindest vier wacklige Wände und eine schäbige Tür vorzuweisen haben, ehe er diese zum Luxusapartment hinfantasiert. Die Kirche hat nichts. Und muss die offensichtliche Kluft zwischen erfahrbarer Welt und Fantasiewelt umso ausgiebiger zustricken.

Man nennt diesen Versuch, die Wirklichkeit mit dem Märchen zusammenzubringen, Theologie. Er ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Umso mehr muss vernebelt und bewölkt, erfunden und zurechtgebogen, gedroht und belehrt, latinisiert und Abrakadabra gemurmelt werden. Schon damit der Murmler sich selbst überzeugt. Denn der Zweifel an Märchen, er bleibt ja jedem Menschen treu, er nagt und bohrt auch noch im stumpfsten, ultrahocherhitzten, gekochten und geschleuderten Gehirn:

Wie kann das alles wahr sein? Das mit dem Gott? Intuition und Verstand sagen doch immer wieder: Es kann nicht wahr sein. Die Welt, von der die Theologen reden, der unsichtbare Gott in seinen diversen Erscheinungsformen, dieser Obermacker, der den Menschen erst geschaffen, dann brutal unterdrückt, ihm dann "vergeben" hat – dieser Gott hat nichts, aber auch gar nichts mit der Welt zu tun, in der ich lebe. Es sei denn, ich glaube ganz fest an ihn.

Dieser Zweifel ist das ferne Echo jener christlichen Urszene: Ein Säugling wird von seinen geliebten Eltern in die Kirche gebracht. Dann kommt der Mann im Kostüm. Schüttet dem Kind Wasser auf den Kopf. Natürlich brüllt da das Kind. Es akzeptiert nicht, dass die Welt der Theologie in sein Leben hereinbricht. Bis hierhin hat alles Sinn ergeben, Essen, Schlafen, Liebe, Spiel. Jetzt kommt plötzlich die Idee des Göttlichen daher, und sie unterstützt keine der vier vorgenannten. Nun hat man sich plötzlich einer unsichtbaren Macht zu unterwerfen, und sie lockt und charmiert nicht, sie bietet nichts Leckeres an, sie spielt nicht mit dir: Sie schüttet dir Wasser auf den Kopf. Na toll. Wenn du größer bist, wird sie mit dem Höllenfeuer drohen.

Der derzeitige Vorsteher des einzigen Gottesstaates in Europa, Jorge Mario Bergoglio, auch Papst Franziskus genannt, hat sich in den vergangenen Wochen intensiv mit der Taufe beschäftigt, also dem Moment, in dem seine Leute den Säuglingserschrecker geben und die Kirche vom erst halbfertigen Menschen die bedingungslose Annahme aller Erkenntnisse ihrer Theologen fordert, oder genauer gesagt: jener Theologen, die nicht von anderen Theologen erfolgreich verfolgt, exkommuniziert und/oder hingerichtet worden sind.

Dass man Babys standardmäßig mit Wasser übergießt, geht auf einen der prägendsten kirchlichen Vordenker zurück, den Algerier Augustinus (354 bis 430). Augustinus war, wie so viele Figuren der Kirchengeschichte, eine geplagte, zerrissene Seele. Seine Eltern hingen verschiedenen Religionen an, er selber war zunächst Christ, wandte sich dann dem verbotenen Manichäismus zu, geriet durch sein Studium klassischer Philosophen in Zweifel. Dann zwang seine Mutter ihn, seine langjährige Lebensgefährtin, die Mutter seines Sohnes, zu verstoßen. Er sollte eine wohlhabende Christin heiraten.

Augustinus, wer nicht, geriet in eine tiefe Krise. Und, wie so viele Menschen am Rande des Kollaps, rettete er sich am Tiefpunkt in die beruhigend einfache Weltsicht einer Religion, der seiner Mutter. Augustinus legte sich weinend nieder, hörte eine Stimme, blätterte in den Paulusbriefen, wurde wieder Christ, nahm es auf sich, den Freuden des Lebens zu entsagen, schrieb, schrieb, schrieb und schrieb. Um die Kluft zuzustricken. Nebenbei vergaß er nicht, sich an den wüsten ideologischen Auseinandersetzungen der frühen Kirche zu beteiligen. Als Bischof von Hippo stieg er zum einflussreichen Vorbeter auf, und die ganze Energie des enthaltsam lebenden, hofierten Mannes ohne handfeste Aufgaben entlud sich in theologischem Zoff. Seinem Streit mit dem britischen Mönch Pelagius verdanken wir es, dass Säuglinge bis heute routinemäßig mit Wasser gegossen werden, ganz egal wie sehr ihre Schreie sich auf den gesunden Menschenverstand berufen.

Es war die Zeit, in der die theologischen Konzepte innerhalb der Kirche noch munter aufeinanderkrachten, was ja in der Natur der Sache liegt: Keine der Vorstellungen kann einer experimentellen Kontrolle unterzogen und also ihre Richtigkeit bewiesen oder verworfen werden. Augustinus' Gegenspieler Pelagius vertrat die Ansicht, Jesus sei eher ein Vorbild für die Menschen gewesen, kein Erlöser. Obendrein sei der Mensch von seiner Natur her gut und also von sich aus imstande, den göttlichen Willen zu erfüllen. Eine solche Lehre entsprach nun nicht den Erfahrungen des Augustinus, dessen Ausweg aus der Krise ja die absolute Hingabe an seine Gottheit war.

Männer wie er, Männer, die für die totale Unterwerfung, für Kadavergehorsam stehen, bringen es in Machtstrukturen meist weiter als diejenigen, die dem Individuum einen freien Willen zugestehen: Augustinus fuhr eine innerkirchliche Kampagne gegen Pelagius. Der musste fliehen. Wurde 417 exkommuniziert. Seit 418 gelten seine Lehren als Häresie. Im Verlauf des Streits entwickelte Augustinus seine Überzeugung: Christen sollten unbedingt schon als Babys getauft werden! Vielleicht wollte er ihnen damit so früh wie möglich alle bohrenden religiösen Zweifel ersparen. Je früher du in eine Glaubensvorstellung hineinwächst, umso schwieriger ist es ja, die Ratio dagegen in Stellung zu bringen.

Für die Kirche konnte es nur von Vorteil sein, ihre Mitglieder so früh und beeinflussbar wie möglich zu rekrutieren. Allerdings ergab sich, innerhalb theologischer Denklogik, ein unübersehbares Problem: Wieso werden schon Säuglinge getauft, wenn die Taufe uns von unserer Sündhaftigkeit erlösen soll? Ein Baby müsste doch eigentlich unschuldig sein. Dies zu erklären, erfand Augustinus die vielleicht größte, jedenfalls aber ärgerlichste Absurdität der christlichen Gedankenwelt. Er erfand die "Erbsünde". Weil Adam und Eva aus Erkenntnisdrang, vulgo: Neugier, eine interessante Frucht gegessen haben, ist die Menschheit als solche, bis in alle Ewigekit, vor der Gottheit mit einem Makel behaftet. Der Gott durfte uns nun töten, quälen und massakrieren, wie es ihm gerade in den Sinn kam, er war und blieb ein verehrungswürdiges Wesen.

Adam und Eva hingegen, die Liebenden, hatten verbotenerweise eine Frucht gegessen, mehr nicht. Dieses kuriose Vergehen ist seit Augustinus der Trumpf der katholischen Kirche, damit begründet sie ihre Oberhoheit über jeden Menschen, der je gelebt hat, lebt und noch leben wird. Die Taufe ist dabei Gottes Patch: Mensch erschaffen, ooops, fehlerhaft ausgeliefert! Taufe, puh, alles wieder gut. Warum er nicht lieber, nach dem ersten Entwurf, die Welt noch mal eingestampft und eine neue Version herausgebracht hat, mit Leuten, die ihm nicht an den Baum gehen, verbleibt dabei rätselhaft. Er zog es vor, diesem Mängelexemplar die Erde zu überlassen, auf dass es sich inzestuös ausbreite, worauf er die Menschheit immer mal wieder, aus angeblich guten Gründen, mit Krankheiten, Schwefelregen, Flut und ähnlichem Zeug überzog. Wenn das kein Sadismus ist, was ist es dann?

Jose Begoglio, der Papst, hat sich in den letzten Monaten mehrfach in Sachen Taufe zu Wort gemeldet. Mal hat er der ihm unterstellten Christenheit eine Hausaufgabe erteilt: Jeder Gläubige solle herausbekommen, wann sein Taufdatum sei, denn das sei ja wie eine zweite Geburt, wo man das "Geschenk des Glaubens" erhalte (vergleichbar mit jenen "Gratisgeschenken", die man man bekommt, nachdem man ein Produkt oder eine Mitgliedschaft teuer erworben hat). Mal hat er, auf seinem weißen Superheldenstuhl intensiv mit der Hand wedelnd, der Menschheit vorgemacht, wie man sich falsch und wie man sich richtig bekreuzige – was jedes Mal eine Bestätigung des Taufvorgangs sei. In schönster Kirchenpoesie hat er dann auch noch verkündet: Das Taufbecken sei das Grab und der Mutterleib des Gläubigen! Das Bild verursacht direkt ein Unwohlsein, soll uns aber unterm Strich klarmachen: Ohne Taufbecken bist du nix. Befruchtung wäre, folgt man diesem Bild, ungefähr dasselbe wie Sterben, ein Widersinn, an dem man sich nun abarbeiten kann, wenn man möchte, und dessen Bizarrerie hier die eigentliche Message einmal mehr überstrahlen soll. Das Taufbecken nämlich ist, wonach es aussieht: eine Waschanlage. Für die Seele, sagen die Einen. Für das Hirn, drängt der Verdacht sich auf.