Politik und Demokratie

Herausforderungen der Politik im 21-ten Jahrhundert

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Acropolis of Athens
Acropolis of Athens

BERLIN. (hpd) Politik ist keine mathematisch exakte Wissenschaft, aber sie darf auch nicht auf eine "Glaubenssache" reduziert werden! Politik hat die Aufgabe der Entschlüsselung unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Sie muss Zusammenhänge in einer anschaulichen, konkreten Sprache erklären, vorausschauend denken, Weichenstellungen vornehmen und so die Zukunft gestalten. Fortschrittliche Politik muss dabei aufklärerisch wirken und wahrhaftig sein. Keine einfache Aufgabe, deren Erfüllung man sich nur durch Diskurs und Disput angemessen nähern kann. Doch auf welche Wirklichkeit trifft Politik heute und welche Schlussfolgerungen sind daraus für verantwortungsvolles politisches Handeln zu ziehen?

Herausforderungen einer komplexer werdenden Welt.

Den Herausforderungen in einer scheinbar immer komplexer werdenden Welt gerecht zu werden ist nicht einfach. Doch müssen wir zunächst ein gemeinsames Verständnis davon haben, was wir unter einer zunehmend komplexen Welt verstehen: In einer komplexen Welt lassen sich die Dynamiken nicht genau modellieren, die aufgrund der Interaktion von Einzelelementen ausgelöst werden (als Beispiel kann die Studie "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome von 1972 herangezogen werden). Veränderungen in einem solchen komplexen System führen zu nicht vorhersagbaren Aus- und Wechselwirkungen; die Folgen von Entscheidungen lassen sich also nicht mehr vorhersagen. Zur Lösung komplexer Herausforderungen brauchen wir eine Kultur des Experimentierens und des Sich-Einlassens auf dynamische Veränderungen. Experten können hier nur bedingt weiterhelfen. In einer komplexen Welt müssen Entscheidungen als Teil eines Prozesses gesehen werden, der aus Denken, Experimentieren und Reflektieren besteht.

Aber war früher unsere Welt wirklich einfacher? Betrachten wir die Geschichte Europas, so sehen wir, dass es politisch in Europa in früheren Zeiten weit aufregender und wechselhafter zuging als heute. Und auch der Siegeszug einer alles verändernden Technologie hat nicht mit dem Internet begonnen. Natürlich erhöht jede gesellschaftliche Veränderung und jede Erfindung auf einem bestimmten Gebiet die Komplexität. Jede technische Revolution seit dem Buchdruck hatte unmittelbar Auswirkungen auf den Alltag aller Menschen, nicht nur der Eliten. Die Welt war früher m. E. nicht einfacher, aber weniger komplex im Sinne von vorhersehbaren Aus- und Wechselwirkungen.

Gleichzeitig schürt so eine intuitive Vorstellung einer komplexer werdenden Welt, die häufig nicht einmal von Experten zu durchschauen ist, natürlich die Angst. Wer glaubt, dass nichts mehr sicher ist, dass wir in einer ganz besonders unsicheren Zeit leben, der fühlt sich eben verunsichert. Und hier beginnt das Problem!

Durch die Globalisierung werden nun zusätzlich die Grenzen nationalstaatlicher Souveränität verwischt. Lokale Problemursachen erzeugen globale Wirkungen, und lokaler Aktionismus ist häufig von globaler Bedeutungslosigkeit.

Die Industriegesellschaft macht auch sukzessive Elementen einer Wissensgesellschaft Platz. Wissen bekommt die Bedeutung eines primären Produktivfaktors, und Nichtwissen wird zum übergreifenden Problem für die Gesellschaft und die Demokratie. 

Demokratie als beste verfügbare Regierungsform. 

Nach den Krisen der letzten Jahrzehnte und den weltweiten aktuellen Krisen (Umweltschutz, Hunger in der sog. Dritten Welt, etc.), an denen unsere Gesellschaft maßgeblich beteiligt war und ist, müssen wir uns der Frage nach der Brauchbarkeit von unserem derzeitigen Demokratiemodell stellen. Wenn die "Intelligenz der Demokratie" (Helmut Willke) auf Zeiten der Prosperität und Übersichtlichkeit beschränkt ist, und die Leistungsfähigkeit der Demokratie unzureichend wird sobald die Verhältnisse unübersichtlich und komplex sind, dann ist es an der Zeit, die Grenzen des geltenden Demokratiemodells zu diskutieren und den Spielraum für Weiterentwicklungen auszuloten! 

Es geht dabei nicht darum, die Demokratie auf eine Expertokratie zu reduzieren! Ausgangspunkt aller Überlegungen ist vielmehr die Überzeugung, dass für komplexe dynamische Gesellschaften Demokratie zwar die beste aller verfügbaren Steuerungsformen ist, aber dennoch nicht gut genug angesichts der neuen Herausforderungen. Also muss sie nicht abgeschafft, sondern weiterentwickelt werden.

Die systemische Stärke des demokratischen Modells liegt - nach Helmut Willke[1] - in der Organisation des Entscheidungsprozesses. Ergänzt wird diese systemische Stärke durch die Bedeutung der Demokratie für Wert- und Rechtsstellung der Person, die vor allem in den Grund- und Menschenrechten zum Ausdruck kommt. Das Zusammenspiel von personenbezogenen und systemischen Stärken macht die Demokratie einzigartig in Bezug auf die Steuerung komplexer moderner Gesellschaften und allen anderen Regimen überlegen. Diese Verknüpfung macht laut Helmut Willke gleichzeitig ihren einzigartigen Charakter aus.

Der Mythos des rationalen Wählers und das Problem des Populismus

Demokratie war bisher immer eng an den Rahmen des souveränen Nationalstaates gebunden. Und Demokratie setzt voraus, dass wahlberechtigte Bürger und Bürgerinnen einschätzen und verstehen können, worüber sie abstimmen. Beide maßgeblichen Bedingungen für Demokratie erweisen sich zunehmend als Fiktion und somit ist der Mythos des rationalen Wählers in den letzten Jahrzehnten entzaubert worden.

Unvermeidbare Unwissenheit ist flächendeckend zu beobachten und bringt eine Demokratie in Verlegenheit, die auf den öffentlichen Diskurs der öffentlichen Angelegenheiten durch kundige und verständige Bürger setzt. Faktisch aber produziert die umfassende kognitive Überforderung der Wähler einen Zwang zur Simplifizierung (Vereinfachung) und Trivialisierung (Vergröberung), die einen brandgefährlichen Populismus Vorschub leisten. "Unwissenheit war von jeher und ist noch die Quelle aller Barbarei", lautet ein immer noch aktueller Aphorismus von Theodor Körner. 

Problematisch für die demokratische Steuerung komplexer Gesellschaften ist der Populismus auch deshalb, weil er Komplexität als prägendes Merkmal moderner Gesellschaften negiert. Er forciert stattdessen eine Simplifizierung und Trivialisierung gesellschaftlicher Probleme und ist eifrig darum bemüht, der Gesellschaft Sündenböcke für ihre Probleme zu liefern. Das Grundaxiom des Populismus ist die Berufung auf den "common sense". Aus populistischer Sicht ist der "gesunde Menschenverstand" dem Reflexionswissen von Intellektuellen nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen, weil er auf konkreter, lebensweltlicher Erfahrung beruhe und daher noch einen unverfälschten "gesunden" Zugang zu Recht und Wahrheit habe.

Die Komplexität adäquater Entscheidungsprozesse

Entscheidungen finden häufig zwischen Rationalität und Bauchgefühl statt. Entscheidungssituationen sind oftmals unangenehm weil sie verunsichern, denn was richtig und falsch ist, zeigt sich erst in der Zukunft – und die kann niemand vorhersehen. Entscheidungen können spontan, emotional, zufällig oder rational erfolgen. Eine rational begründete Entscheidung ergibt sich aus einem logischen Entscheidungsprozess: Ziele werden abgesteckt, Bewertungskriterien definiert, Alternativen formuliert und diese mit einer logischen und nachvollziehbaren Methode bewertet. Darüber hinaus fließen immer auch Erfahrungen in Entscheidungen ein. Obwohl rational begründete Entscheidungen auch einen intuitiven Anteil haben, erhöhen die hier beschriebenen Techniken das Gefühl der Sicherheit bei den Entscheidern, auch wenn sie nie eine vollständige Sicherheit gewährleisten können.

Eine zunehmend komplexe Welt erhöht auch die Komplexität eines adäquaten Entscheidungsprozesses, aufgrund des gewachsenen Informationsbedarfs und den schier unermesslichen Informationsquellen. Hinzu kommt die Logik einer nationalstaatlich organisierten Demokratie: Von Bedeutung ist allein das Interesse der Mehrheit der Bürger innerhalb der Grenzen des Nationalstaates. Globale Relevanzen haben nur mittelbar einen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse der Demokratie. Genau dies macht die Lösung globaler Probleme und die Bewahrung globaler Kollektivgüter – wie zum Beispiel die Umwelt – so schwierig und anfällig für nationalistische und populistische Verweigerungsstrategien. Wichtig ist, dass den Wählern deutlich gemacht wird, dass auch internationale Lösungen im nationalen Interesse sein können und häufig sind.

Und hier kommen wir auf das weiter oben gesagte zurück, dass in einer komplexen Welt Entscheidungen als Teil eines Prozesses gesehen werden müssen, der aus Denken, Experimentieren und Reflektieren besteht. Reflexionswissen aufgrund differenzierter Betrachtungsweisen ist Grundvoraussatzung zur Bewältigung der auf uns zukommenden Problemstellungen.

Chancen und Risiken des Internet als globale Daten- und Informationsquelle

Die zu beantwortende Frage ist, ob das Internet als Daten- und Informationsquelle das Verständnis für eine zunehmend komplexer werdende Gesellschaft fördert, also die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger zu kundige und verständige Wählerinnen und Wähler qualifizieren kann. Die Wissensvermittlung via Internet stößt hier an seine Grenzen.

Mit dem Internet steht heute eine globale Daten- und Informationsfülle zur Verfügung, die eine Revolution in der Informationsvermittlung hervorgerufen hat, wie sie wohl nur mit der Gutenberg´schen Erfindung der Buchdruckerkunst vergleichbar ist. Mit dem Internet ist nun weltweit eine schier unermessliche Informationsquelle erschlossen worden. Und das Internet bietet die Möglichkeit, über Suchmaschinen und Meta-Suchmaschinen das globale elektronisch dokumentierte Wissen zu erreichen. Doch selbst schnelle Suchmaschinen bewältigen die Datenflut nicht vollständig. Es ist zu beachten, dass benötigtes Wissen in den großen Datenmengen bisweilen nicht mehr gefunden wird. Problematisch ist auch, dass die Suchalgorithmen nicht bekannt sind und die Qualität der Ergebnisse von Suchanfragen vom Nutzer nicht beurteilt werden kann.

Auch ist der Zugang zum Internet unkontrolliert, der Wert von Informationen ist damit naturgemäß sehr unterschiedlich. Eine seriöse Nutzung des Internet verlangt daher eine große Aufmerksamkeit bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von Quellen – doch wer treibt schon diesen Aufwand. Die neue Quantität der Informationsmenge erfordert eine neue Qualität ihrer Verarbeitung und Bewertung. Was wir brauchen ist eine zeitgemäße Ethik der Anwendung des Wissens. Doch dabei stecken wir noch in den Kinderschuhen.

Das Internet hat in der Informationsvermittlung einen gleichberechtigten Platz neben Presse, Rundfunk und Fernsehen eingenommen, deshalb muss diese Technologie als Teil der "vierten Gewalt" hinsichtlich ihrer gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen kritisch hinterfragt werden. Insbesondere muss eine zeitgemäße Ethik der Anwendung des Wissens das Augenmerk auf die erhaltenen Daten professioneller Suchmaschinen richten, denn sie sind das Ergebnis einer intransparenten Selektion durch Dritte. Eine wichtige Nutzungsvoraussetzung ist die Kompetenz zur Abschätzung der Relevanz bzw. Zuverlässigkeit der erhaltenen Daten, sowohl im Hinblick auf die Quellen als auch die Aussagekraft der Inhalte.

Wenn auch nicht alle Erwartungen an das Internet hinsichtlich Transparenz und Bürgerbeteiligung eingelöst wurden, so birgt sie doch auch Chancen für ein Mehr an partizipativem Verständnis von Politik. Dies sollte die Politik nutzen um mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen und der Krise der Partizipation unserer Demokratie entgegenzuwirken.

Die Krise der Partizipation

Dass die Demokratien mit einer Krise der Partizipation konfrontiert sind, lässt sich nur schwerlich bestreiten. Die eher optimistische Variante einer Ausweitung der Partizipation (Liquid Democracy) gründet häufig auf technologischer Euphorie und basisdemokratischer Romantik. Die Aufwendungen einer Differenzierung der Partizipation müssen gegen die verheerenden Auswirkungen einer Politik- und Parteienverdrossenheit aufgewogen werden, die inzwischen dramatische Ausmaße annimmt. Alle Vorschläge müssen willkommen sein, die die Partizipation und das Engagement von Bürgern für Beteiligung an politischen Entscheidungen fördern. Dagegen ist es wenig hilfreich, aus formalen Gründen auf allgemeiner Partizipation dort zu bestehen, wo sie nicht zielführend ist.

Vor allem Volksentscheide sollen dabei unterstützen, in den politischen Entscheidungen dem jeweiligen Willen der Abstimmenden zu entsprechen. Nicht erst der Absturz der Piratenpartei zeigt deutlich, dass hier ein kurzfristiger Hype zu romantischen Erwartungen führen kann. Zu Recht werden jedoch die engen Grenzen parlamentarischer Repräsentation immer wieder betont. Zu fordern ist eine Durchdringung der repräsentativen Demokratie mit einer Fülle möglicher Partizipationsformen. Aber auch die Problematik allgegenwärtiger Ignoranz und kurzsichtiger oder gar irrationaler Wähler darf nicht verharmlost werden.

Die Politik hat auf die kognitive Überforderung in einer zunehmend komplexen Welt bereits reagiert. So hat sie für schwierige Politikfelder fachlich autonome Institutionen geschaffen, die aber dennoch einer indirekten Aufsicht durch die Politik unterstehen, wie die Zentralbanken, die TÜVs, Rechnungshöfe, Ärzte-, Rechtsanwalts- und Therapeutenkammern, etc.. Im Hintergrund stand die Einsicht Pate, dass diese spezifischen Problemfelder die “normalen” Prozesse demokratischen politischen Entscheidens überfordern und daher alternative Formen zu entwickeln sind, welche die in einer autonomen Institution gebündelte professionelle Kompetenz mit einer indirekten demokratischen Kontrolle – etwa durch das Parlament – verknüpfen.

Die Delegation öffentlicher Autorität an beauftrage professionelle Institutionen ist kein Patentrezept und kein Allheilmittel. Sie nimmt ein Absenken des Anspruchsniveaus formaler Demokratie bewusst in Kauf, um problematische Verzerrungen des demokratischen Entscheidungsprozesses zu vermeiden – etwa massenmediale Verdummung, populistische Trivialisierung oder die Bevorzugung kurzfristiger Erfolge auf Kosten langfristiger Katastrophen.

Sind Volksentscheide als Ergänzung der Demokratie die ultimative Lösung?

Als Beispiel für eine funktionierende repräsentative Demokratie mit einer starken basisdemokratischen Komponente wird häufig (und sicherlich zu Recht) die Schweiz angeführt. Aber auch dort muss einiges kritisch gesehen werden und nachdenklich machen.

So scheiterte im Schweizer Parlament und Bundesrat die SVP (Schweizerische VolksPartei) regelmäßig mit Anliegen wie z.B. der Minarett-, Ausschaffungs-, Verwahrungs- oder Masseneinwanderungs-Initiative. Das Stimmvolk sagte in Volksentscheiden hingegen viermal "Ja"! Das Parlament muss nun diese Verfassungsnormen gegen seine Überzeugung umsetzen. Da diese Verfassungsnormen auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, hat die SVP nun eine Initiative gestartet mit dem Ziel, dass die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keine maßgebende Richtschnur mehr für die Schweiz ist. Es ist zu befürchten, dass auch diese Initiative durch die Wahlbürger durchgewunken wird.

Resümee für verantwortungsvolles Handeln der Politik

Im Fokus unserer Demokratie stehen nach wie vor die Belange unseres Nationalstaates. Angesichts der geschilderten aktuellen Herausforderungen ist dieser Fokus jedoch nicht mehr ausreichend. Zur Lösung globaler Probleme wie Klimawandel und Migrationsströme - um nur zwei zu nennen – müssen globale Steuerungsmöglichkeiten vermehrt geschaffen werden. Dies wird zu einer Aufwertung von "Global Governance"-Lösungen[2] führen.

Weder Demokratie noch Global Governance sind perfekte Steuerungsmechanismen. Aber die Kombination zweier nicht perfekter Steuerungskonzepte könnte für die demokratische Gesellschaft zu etwas Besserem führen. Ziel ist, dass nationale Demokratien in Kooperation mit globalen Steuerungsinstrumenten in die Lage versetzt werden, universellen Erfordernissen gerecht zu werden. Schon heute gibt es zahlreiche, ermutigende Beispiele von Institutionen, die erfolgreich über nationalstaatliche Grenzen hinaus denken und agieren.

Um es nochmals zu sagen: Alle angedachten Maßnahmen sollen mehr Demokratie, nicht weniger, ermöglichen. Es geht um die Anpassung demokratischer Steuerungssysteme an veränderte Rahmenbedingungen durch eine zunehmend komplexer werdende Welt. Unsere Demokratie muss weiter entwickelt werden um den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden zu können. Aufgabe der Politik ist, dies in einer anschaulichen und konkreten Sprache so zu erklären, dass die Notwendigkeit dem Souverän verständlich wird.

Die Ideen der Aufklärung können uns dabei Vorbild sein! Triebfeder der Aufklärung im 18ten Jahrhundert war die Kritik am Bestehenden und der Wille zu Reformen. Die Begriffe "Vernunft" und "Freiheit" wurden zu Waffen und müssen heute wieder geschärft und gegen Ignoranz und Behäbigkeit ins Feld geführt werden. Immanuel Kant hat die Aufklärung auf eine griffige Formel gebracht: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen."


[1] Helmut Willke, Demokratie in Zeiten der Konfusion, suhrkamp taschenbuch wissenschaft  2131

Helmut Willke untersucht in diesem - sehr zu empfehlenden - Buch die Folgen der Globalisierung für demokratische Staaten. Er kommt zu den Ergebnissen: Globale Institutionen werden seit drei Jahrzehnten unter dem Stichwort Global Governance verhandelt. Besonders bedeutsam sind dabei Verschiebungen in Bezug auf die Schaffung von Legitimität. Zum einen die Verschiebung von formaler Legitimität hin zu einer Legitimierung durch Leistung. Zum anderen eine Verschiebung von rein rechnerischer Legitimität (Mehrheit / Minderheit) zu einer inhaltlichen Fundierung von Legitimität durch Wissen und Expertise. Unter den Vorbehalten klassischer Demokratie sind beide Verschiebungen brisant und prekär. Zugleich sind sie allerdings unter den Bedingungen einer globalisierten Wissensgesellschaft notwendig, und sie deuten nach Ansicht von Willke die Richtung an, in die sich die Demokratie entwickeln könnte. 

[2] "Als politisches Programm meint Global Governance die kooperative, multilaterale Gestaltung der Globalisierung." Wikipedia