Vorstellung des Berichts "Gläserne Wände"

Sind nichtreligiöse Menschen zu ignorieren, weil sie "nichts" sind?

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BERLIN. (hpd) Gestern stellte der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) seinen Bericht "Gläserne Wände" vor. Bei einer Pressekonferenz erläuterten die Autoren sowie der Präsident des HVD, Frieder Otto Wolf, sowie Ines Scheibe vom Bundesvorstand, weshalb dieser Bericht so dringend notwendig ist.

"Nichtreligiöse Menschen sind nicht 'nichts'" sagte Michael Bauer. "Natürlich nicht, denn wir haben eigene Überzeugungen und möchten, dass auch unsere Rechte verwirklicht werden können." Wie im Bericht aufgezeigt, klafft zwischen den rechtlichen Möglichkeiten und der Umsetzung dieser Rechte eine Kluft "so breit wie der Gand Canyon".

"Jeder, der nicht religiös gebunden ist, hat in diesem Land schon einmal das Gefühl gehabt, dass er an Grenzen stößt, die er oft nicht versteht", erklärte Frieder Otto Wolf eingangs. "Der jetzt veröffentlichte Bericht zeigt, dass das kein Zufall ist, sondern dass das strukturell bedingt ist." Als Beispiel dafür nannte Michael Bauer (Vorstand des Humanistischen Verbandes Bayern, K.d.ö.R.) die Gefangenseelsorge. Diese wurde vor einigen Jahren grundlegend reformiert und zwar so, dass auch nichtreligiöse Gefangene betreut werden könn(t)en. Eine Umsetzung dieser Vorgaben ist bislang nicht erfolgt und weiterhin übernehmen allein und unwidersprochen verbeamtete Christen die "Seelsorge". Auf Nachfrage des HVD-Bayern hieß es vom zuständigen Ministerium: Ja, sie können das gern auch tun - aber sie dürfen die Gefangenen darüber nicht informieren.

Gläserne Wände

Diese "gläserne Wand" ist ein Beispiel von vielen, die auch der Bericht thematisiert. Diese "Verhinderungszusammenhänge", dass es zwar Rechte gibt, aber nicht die Möglichkeit, diese auszuüben, werden immer wieder von nichtreligiösen Menschen und Organisationen wie dem HVD erlebt.

Arik Platzek berichtete davon, dass im Zusammenhang mit den Forderungen, auch Konfessionsfreie in den ZDF-Rundfunkrat aufzunehmen sich zeigte, dass sich Politikern sehr wohl der Ungleichbehandlung der Konfessionsfreien bewusst sind. Und dass sie trotz des offenkundigen Rechtsbruchs keinerlei Konsequenzen daraus ziehen würden.

Die Psychologin Ines Scheibe wies darauf hin, dass Frauen besonders benachteiligt sind; dass die "Gläsernen Wände" für Frauen noch häufiger zu schwer überwindbaren Barrieren werden. Denn gerade in den Sozialberufen sind Frauen überverhälnismäßig vertreten. Und wenn die Arbeitgeber nur Mitglieder der christlichen Glaubensgemeinschaften einstellen, sind religionsfreie Frauen besonders diskriminiert. Sie wies darauf hin, dass die Geschlechtergleichstellung Teil der säkularen Geschichte ist.

Gefragt wurde, ob der HVD die Veröffentlichung des Berichts mit einer Kampagne begleiten wird. Geplant ist, den Bericht allen Bundestagsabgeordneten zukommen zu lassen und - nach Sammeln der notwendigen Mittel - auch an die Abgeordneten der Landtage versenden will.

Der Bericht soll zudem fortgeschrieben werden. Auf der Webseite zum Bericht wurde eine "Meldestelle" eingerichtet. Die dort eingegangenen Hinweise auf Diskriminierung werden dann in nächste Versionen des Berichts aufgenommen.

Der Bericht soll, so Michael Bauer, mehrfach wirken. Zum einen nach "innen", in der säkularen Szene und unter nichtreligiösen Menschen klar machen, dass sie nicht allein vor den "gläsernen Wänden" stehen. Sondern, dass viele davon betroffen sind. Weiterhin soll der Bericht natürlich auch in die Politik hinein wirken (Umsetzung und Änderung von Gesetzen).

Vor allem soll der Bericht aber auch deutlich machen, dass es mehr als nur skandalös sei, "wenn der Staat als 'Agent der Religion' tätig wird". Zumal oft ja nicht einmal das Bewusstsein vorhanden ist, dass es hier systematische Rechtsbrüche, Ausgrenzungen und Ungleichbehandlungen gibt.

Hinweis: Der Bericht "Gläserne Wände" steht seit gestern auch als PDF zum Download zur Verfügung.