BERLIN. (hpd) Was macht eigentlich den modernen Ehrenmann im Jahr 2015 aus? Trägt er Anzug und Krawatte und zeigt gute Manieren oder weiß er doch nur, wie er am besten beim Kartenspielen betrügt? Warum es bei VW, DFB und anderswo nicht mehr ohne Ehrenmänner geht, weiß hpd-Gesellschaftskolumnist Carsten Pilger.
Es gibt da dieses Wort, dass ich vor allem aus den Medien kenne und über dessen Charakter ich mich immer wieder wundere: Ehrenmann. Entweder kommt es vor, wenn gerade über einen Skandal bei einem börsennotierten (oder als gemeinnütziger Verein auftretendem) Weltunternehmen berichtet wird. Oder wenn Rapper und Muskelberge aus dem Fitnessstudio sich gegenseitig in Youtube-Videos beschimpfen. Oder wenn gerade ein alter Mafia-Film im Fernsehen läuft.
Nicht gerade ein Kontext, in dem ein ehrlicher Mensch sich wohlfühlen würde. Dabei ist laut Duden der "Ehrenmann" ein "ehrenhafter Mann, auf dessen Wort man sich verlassen kann". Frage an dieser Stelle: Wer ist "man"? Bestimmt nicht alle. Könnten sich alle auf das Wort von Ehrenmännern verlassen, wären aus den Ehrenautos von Volkswagen bei der Abgasuntersuchung tatsächlich auch die angezeigten Werte gekommen. Oder es wäre heute problemlos feststellbar, wofür der Deutsche Fußball-Bund 2005 6,7 Millionen Euro überwiesen hat.
Je mehr in beiden Fällen dank investigativer Journalisten auf den Tisch kommt, umso weiter entfernen sich anfängliche Erklärungen der beteiligten Ehrenmänner von der Realität. Dabei werden zwei Taktiken bevorzugt benutzt, um den eigenen Ruf zu schützen: Entweder Ohren auf Durchzug und das Dementi, auch nur irgendwas gewusst zu haben, oder das Bekenntnis, doch ein "Ehrenmann" zu sein und nur mit solchen interagiert zu haben und sich keiner Schuld bewusst zu sein.
Gerade das mangelnde Schuldbewusstsein ist das Problem vieler Ehrenmänner, da hier am ehesten der Satz zutrifft, dass "man sich auf ihr Wort verlassen kann". In sehr vielen kleinen, elitären Machtzirkeln wird das, was außerhalb dieser Filterblase als "Korruption" oder "illegal" gelten könnte, einfach als Alltag hingenommen. Was unter Ehrenmännern normal ist, verursacht keine Schuldgefühle. Weil es nicht mehr bewusst als die Unwahrheit wahrgenommen wird.
Also sage ich nun: In Ordnung, je weniger ich über Ehrenmänner weiß, umso besser für meine Befindlichkeit? Nicht wirklich, denn irgendwann passiert einem Ehrenmann dann doch Unehrenhaftes und dann kommen vielleicht doch Sachen zu Tage, nicht wenig mit der Duden-Definition zu tun haben und das oben benannte Spiel beginnt. Die Korruption wird irgendwann Teil der Alltagskultur – auch wenn viel lieber über korrupte Machenschaften in anderen Ländern (vor allem den "ärmeren" oder "südlichen" Ländern) gespottet wird.
Da irgendwann auch mal alle alten, grau- und weißhaarigen Ehrenmänner das Zeitliche segnen, vielleicht noch ein kleiner Leitfaden für die jungen Männer und hoffentlich auch Frauen, die in diese Positionen nachrücken: Sucht Euch bessere Vorbilder! Sagt nicht bei jedem "Das wurde hier aber schon immer so gehandhabt!" ja, sondern fragt: "Warum?" Lasst Euch nicht zu schnell zu Ehrenmännern und -frauen machen. Denn: Sich aufrichtig und ehrlich zu verhalten, ist mehr wert, als ein falsches Label.