Kolumne: Sitte & Anstand

Mir gebührt der Impfstoff! Offener Brief an Jens Spahn

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Lieber Herr Spahn! Es ist so weit: Nach einigem Nachdenken und vielen guten Gesprächen mit Angehörigen und Experten bin ich jetzt so weit: Ich möchte mich meiner Verantwortung als öffentliches Vorbild in dieser schweren Zeit stellen. Bislang waren es Systemträger wie Bischöfe, Kardinäle und der allseits beliebte Gesundheitsexperte Karl-Heinz Rummenigge, die als echte Männer vorangingen und erklärten: Sie ließen sich impfen! Beziehungsweise, sie wären bereit, ihre Fußballspieler als Erstes impfen zu lassen! Als Beitrag zu unserer Gesellschaft. Wegen der Vorbildfunktion.

Mitgerissen antworte ich: Ja! Will auch! Mithelfen! Und wer wäre mehr berufen, sich in die Bresche zu werfen zum Frommen unserer Gesellschaft, unserer Nation, unserer Spezies – als ich?

Andere Menschen haben ihren Gott, der schützende Hände über sie hält. Stellvertretend für die große Mehrheit der Nicht- und Fast-Nichtgläubigen in diesem Land möchte ich vorangehen. Auch als medialer Multiplikator gebührt mir dieser Pieks, denn wer würde von Vorbildern künden, wenn alle Medienmenschen malade im Bett lägen? Was für ein Zeichen sendete das hinaus in diese Welt, die Hoffnung mehr benötigt denn je?

Und, ohne Sie jetzt, lieber Herr Spahn, schocken zu wollen: Außerdem bin ich auch noch Fan von Hertha BSC! So gehöre ich zu den besonders Gefährdeten im Lande. Wie sehr sind unsere Immunsysteme geschwächt von den Enttäuschungen und Depressionen, die dieser Verein uns seit Jahren Woche für Woche zumutet? Indem ich mich impfen lasse – Termin bitte nicht vor 11 Uhr morgens, danke –, sorge ich dafür, dass Hunderttausende Meinesgleichen erkennen: Ja, wir müssen uns impfen lassen! Dringend! Gerade jetzt, da wir unser hübsch zugiges Stadion nicht mehr betreten dürfen, das immer guten Schutz gegen Virenverbreitung bot.

Sie werden, lieber Herr Spahn, dies alles sicherlich einsehen. Sie und ich, wir wissen, wie wichtig Vorbilder wie Kalle Rummenigge, Kardinal Dingens und ich für eine Gesellschaft sind. Daher also: Bitte her mit dem Impfstoff! Ich sehe mich sonst gezwungen, Snickers zu mampfen, bis mein Body-Mass-Index mich in die nächst höhere Risikogruppe katapultiert. Das können Sie unmöglich wollen.

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