Reaktion auf öffentlichen Druck

Zoo Berlin will seine Nazi-Vergangenheit aufarbeiten

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Büste von Lutz Heck im Berliner Zoo
Büste von Lutz Heck im Berliner Zoo

BERLIN. (hpd) In einem groß aufgezogenen Pressetermin vom 07. Dezember 2015 teilte der Zoologische Garten Berlin mit, sich seiner braunen Vergangenheit stellen zu wollen. Mehr als siebzig Jahre nach dem Ende des verbrecherischen Nazi-Regimes, in das der Zoo tief verstrickt war, soll ebendiese Verstrickung mit Hilfe einer für Ende 2016 anvisierten Ausstellung auf dem Zoogelände aufgearbeitet werden. Zugleich wurde die Ehrenbüste eines Nazi-Zoodirektors mit einer erklärenden Hinweistafel versehen.

Woher der plötzliche Aktivismus, nachdem jahrzehntelang alles getan wurde, die unrühmliche Rolle des Berliner Zoos und insbesondere die des seinerzeitigen Direktors Lutz Heck zwischen 1933 und 1945 bestmöglich zu vertuschen? Der Grund liegt in einer aus Kreisen der Giordano-Bruno-Stiftung heraus initiierten Medienkampagne, die sich in erster Linie an besagter Bronzebüste festmachte, die seit 1984 und bis heute zu Ehren Hecks im Zoo aufgestellt ist.

Zoodirektor Lutz Heck
Zoodirektor Lutz Heck

In einem Schreiben vom 08.09.2015 an den aktuellen Zoodirektor und Aufsichtsratsvorsitzenden des Zoologischen Gartens Berlin, Andreas Knieriem, schrieben die Kampagnenleiter Colin Goldner und Wolfram P. Kastner: "Wie Ihnen sicher bekannt ist, war Lutz Heck seit 1933 offizielles Fördermitglied der SS und seit 1937 Mitglied der NSDAP. Er stand in engem freundschaftlichem Kontakt zu Göring, mit dem er seine Leidenschaft für Großwildjagd teilte. Die pseudowissenschaftlichen Experimente, die er zur 'Rückzüchtung' von Auerochsen und Wisenten betrieb, wurden von Göring höchstpersönlich gefördert. Göring sorgte auch dafür, dass der Berliner Zoo 1935 eine reich bemessene Geländeschenkung aus preußischem Staatsbesitz erhielt, die es Heck erlaubte, angrenzend an die bestehenden Anlagen einen eigenständigen 'Deutschen Zoo' einzurichten. In künstlich geschaffenen Felsgehegen wurden Bären, Wölfe und andere 'deutsche' Tiere untergebracht, mithin Füchse, Wildkatzen und Luchse. An einigen der Gehege wurden zur Verdeutlichung des 'Deutschtums' der darin gezeigten Tiere eigens kleine Hakenkreuze angebracht. 1938 erhielt Lutz Heck anlässlich des 'Führergeburtstages' den Titel eines Professors verliehen, zwei Jahre später wurde er, zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Zoodirektor, zum Leiter der Obersten NS-Naturschutzbehörde ernannt. Darüber hinaus wurden ihm zahlreiche weitere Ehrungen und Preise des NS-Staates zuteil. Unter seiner Ägide wurden jüdische Aktionäre des Zoos gezwungen, ihre Anteile zu Spottpreisen zu verkaufen; ab 1939 wurde Juden der Zutritt zum Zoo verboten. (…) Jeden Tag gehen tausende von Besuchern an der Büste des Nazi-Zoodirektors Lutz Heck vorbei. Wir halten es für skandalös, dass dieser bis heute derartige öffentliche Ehrung erfährt.”

Das Schreiben erhob die Forderung, die Büste mit einer Hinweistafel zu versehen, aus der klar ersichtlich werde, dass Lutz Heck seit 1933 Fördermitglied der SS, seit 1937 Mitglied der NSDAP und seit 1940 führender Funktionär des NS-Staates (Leiter der obersten NS-Naturschutzbehörde) war und unter seiner Ägide als Zoodirektor jüdische Aktionäre gezwungen wurden, ihre Anteile zu Spottpreisen zu verkaufen und ab 1939 Juden der Zutritt zum Zoo verboten wurde. Zudem wurde gefordert, dass der mit öffentlichen Mitteln geförderte Zoo Berlin sich von den Verflechtungen seines ehemaligen Direktors in das verbrecherische Nazi-Regime distanziere.

Zoodirektor Lutz Heck und Hermann Göring
Zoodirektor Lutz Heck und Hermann Göring

Mitunterzeichnet von zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Stefanie Endlich, Eckart Gillen, Andreas Nachama u.a.), wurde das Schreiben wortgleich auch an den Regierenden Bürgermeister Berlins (Michael Müller), den zuständigen Innensenator (Frank Henkel) sowie die Fraktionen von SPD, B90/Die Grünen, Piraten, Linke und CDU gesandt; zeitgleich wurde eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben sowie eine online-Kampagne auf den Weg gebracht.

Die Sache wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen (Berliner Morgenpost, Neues Deutschland, Die Welt, u.a.). Auch der Humanistische Pressedienst berichtete.

Schon am 14.09.2015 antwortete der Regierende Bürgermeister, er habe die Angelegenheit an die zuständige Senatsverwaltung weitergeleitet, von wo am 21.09.2015 mitgeteilt wurde, der Zoologische Garten Berlin AG nehme die Beschwerde sehr ernst und distanziere sich von den politischen Ansichten des ehemaligen Zoodirektors. Gleichwohl die "im Zoo verortete Büste lediglich der Ehrung von Herrn Professor Dr. Heck in seiner Position als Zoodirektor" diene, sei der Zoo "sehr daran interessiert, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte voranzutreiben."

In einem eigenen Antwortschreiben bedankte sich die CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses für das Engagement von Goldner und Kastner und betonte, es bestehe "seitens des Zoos Berlin keinerlei Sympathie" für die politischen Ansichten des seinerzeitigen Direktors Heck. Goldner und Kastner hatten in ihrem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Ehrenbüste Hecks 1984, gleich zu Beginn der Amtszeit von Eberhard Diepgen [CDU] als Regierender Bürgermeister Berlins aufgestellt worden war und Diepgen seit 2010 den Vorsitz einer Förderstiftung des Zoos innehabe. Die Fraktionen von SPD, B90/Die Grünen, Piraten und Linken hielten die Sache nicht für wichtig genug, darauf zu antworten. Lediglich die "BAG Tierschutz" der Linken wies auf ihrer Facebookseite darauf hin.

Am 10.11.2015 teilte Zoodirektor Knieriem mit, es habe "nach eingehender Prüfung der Aufsichtsrat der Zoologischer Garten Berlin AG beschlossen, die Büste von Lutz Heck nicht unkommentiert zu lassen". Die Büste werde mit einer Informationstafel versehen, die über die "Beziehung zur Ideologie und Führerschaft des Nationalsozialismus von Lutz Heck informiert".

Tatsächlich wurde am 07.12.2015 eine entsprechende Tafel angebracht, auf der zu lesen steht:

Büste von Dr. Lutz Heck
(Heinz Spilker, 1978)
Direktor des Zoologischen Gartens Berlin 1932–1945
Lutz Heck passte sich und den Zoologischen Garten Berlin bereitwillig an den Nationalsozialismus an.
1933 wurde er förderndes Mitglied der Schutzstaffel (SS),
1937 Mitglied der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.
Heck arbeitete für das nationalsozialistische Reichsforstamt.
Während seiner Dienstzeit wurden im Zoologischen Garten Berlin ausländische Zwangsarbeiter ausgebeutet.
1945 entzog sich Heck einer Verhaftung durch Flucht.
Die Büste wurde 1984, ein Jahr nach Hecks Tod, aufgestellt.

Als "Geste der Wiedergutmachung", so Direktor Knieriem auf dem dazugehörigen Pressetermin, sei diese Tafel zu verstehen, desgleichen die beiden anderen Projekte, mit denen der Zoo sich "aktiv seiner NS-Vergangenheit" stellen will: ab 2016 soll es ein Berlin-Jerusalem-Fellowship für Doktoranden der Hebrew University of Jerusalem geben. Zunächst für fünf Jahre werden je vier Stipendiaten, die sich irgendwie mit Tieren und/oder mit Ethik oder Geschichte befassen, zu Forschungszwecken nach Berlin eingeladen werden. Unter der Leitung des Historikers Clemens Maier-Wolthausen soll zudem bis Ende 2016 eine Ausstellung zur Geschichte des Zoos entstehen, in der auch die Zeit zwischen 1933 und 1945 beleuchtet werde. Entschädigungszahlungen an Nachkommen zwangsenteigneter jüdischer Aktionäre lehnte Knieriem kategorisch ab. Allenfalls könne er sich vorstellen, jüdischen Nachkommen kostenfreien Eintritt in den Zoo zu gewähren.

Büste von Lutz Heck im Berliner Zoo, Foto: © Evelin Frerk
Büste von Lutz Heck im Berliner Zoo, Foto: © Evelin Frerk

Die Kampagnenleiter Goldner und Kastner zeigten sich grundsätzlich zufrieden mit der Anbringung der Tafel an der Heck-Büste: "Wir begrüßen, dass der Zoo Berlin sich wenigstens ansatzweise seiner Verantwortung stellt, auch wenn dies Jahrzehnte zu spät kommt und erst nach massivem öffentlichem Druck geschieht." Zu kritisieren sei, dass auf der Tafel weder die Rede ist davon, dass unter der Ägide Hecks jüdische Aktionäre gezwungen wurden, ihre Anteile zu Spottpreisen zu verkaufen, noch davon, dass ab 1939 Juden der Zutritt zum Zoo verboten wurde. Auch der Umstand, dass Heck seit 1940 in führender Funktion für den Nazistaat tätig war, wird verschwiegen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die geplante Ausstellung im Berliner Zoo Licht wirft auf das besondere Interesse, das die Nazis an den Zoos hatten, die sich hervorragend als NS-Propagandainstrumente eigneten: sie dienten als Stätten "darstellender Biologie", in denen zentrale ideologische Themen des NS-Staates wie Vererbungslehre oder Rassenkunde anschaulich gemacht werden konnten.

Praktisch alle Direktoren und Verwaltungsräte deutscher Zoos waren spätestens seit 1937 Mitglieder der NSDAP und/oder gehörten sonstigen Gliederungen des NS-Staates an, viele in hochrangigen Funktionen. Nach dem Krieg blieb die Mehrzahl der NS-belasteten Zoodirektoren unbeanstandet im Amt. Bei manchen wurde eine kurze Schamfrist eingelegt, dann wurden sie erneut in ihre alten Positionen berufen.

Eine wirkliche Aufarbeitung der Verstrickung der deutschen Zoos in den Nationalsozialismus wurde bis heute nicht vorgenommen. In den Verlautbarungen heutiger Zoos und Zooverbände wird die Geschichte zwischen 1933 und 1945 entweder komplett verschwiegen oder aber kaschiert und beschönigt. Die NSDAP-Mitgliedschaften der seinerzeitigen Direktoren, Verwaltungsräte und Geldgeber bleiben bis auf wenige Ausnahmen unerwähnt.

Der Berliner Zoo hat, wenngleich viel zu spät und keineswegs freiwillig, jetzt einen ersten Schritt gemacht. In dutzenden anderer Zoos - Köln, München, Dresden, Leipzig, Hamburg u.v.a. - steht dies noch an.

Zur Geschichte der deutschen Zoos zwischen 1933 und 1945 siehe auch: http://greatapeproject.de/nazi-zoos/