Pressekonferenz

"70 Jahre Menschenrechte – Warum wir sie verteidigen müssen"

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Stefan Paintner, Rana Ahmad, Michael Schmidt-Salomon, Mina Ahadi, Carsten Frerk (v.l.n.r.)

Am gestrigen Montag stellte die Giordano-Bruno-Stiftung im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin die "Säkulare Woche der Menschenrechte", ihre Kampagne "Weltbürger statt Reichsbürger" sowie die "Säkulare Flüchtlingshilfe" vor. Mina Ahadi, Rana Ahmad, Dr. Carsten Frerk, Stefan Paintner und Dr. Michael Schmidt-Salomon informierten über Grundlagen der Menschenrechte und boten mit der Säkularen Flüchtlingshilfe ein aktuelles Beispiel für deren Umsetzung.

Zunächst erläuterte Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), im ersten Block der Pressekonferenz die Hintergründe und Inhalte der mit dem gestrigen Tag erschienenen gbs-Broschüre "Die Menschenrechte: Wie sie entstanden sind – und warum wir sie verteidigen müssen". So war es bis zu der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948, vor nun 70 Jahren, ein langer Weg. Die entsprechende Entstehungsgeschichte und die Bedeutung der Menschenrechte sei vielen nicht bekannt – wie die gbs bereits vor einigen Tagen darlegte. Die Broschüre richtet sich in erster Linie an SchülerInnen.

Heute rücken im Gegensatz zu der Idee der vereinten Menschheit mit gemeinsamen Rechten nationale oder religiöse Gruppenidentitäten wieder in den Vordergrund, was folglich einer Abkehr von der universalistischen Grundlage und der Durchsetzung der Menschenrechte gleichkommt. Unter diesem Gesichtspunkt entstand die gbs-Kampagne mit dem Motto "Weltbürger statt Reichsbürger!". Hierbei erklärte Michael Schmidt-Salomon, dass unter "Reichsbürgern" nicht nur diejenigen verstanden werden sollten, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als souveränen Staat leugnen, sondern die Gesamtheit derjenigen, die gegen die Idee der einen Menschheit arbeiten und ihr jeweiliges religiöses oder nationalistisches "Reich" gegen vermeintliche Eindringlinge abschotten wollen.

Den Anfang macht die "Säkulare Woche der Menschenrechte" in Berlin – organisiert von der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen, den Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg, der Richard Dawkins Foundation und der Säkularen Flüchtlingshilfe –, welche durch die erste Veranstaltung mit Richard Dawkins und Michael Shermer bereits Sonntag eingeläutet wurde. Weitere Events folgen – siehe hierzu den separaten Bericht auf dem hpd.

Im zweiten Teil der Pressekonferenz wurde die Säkulare Flüchtlingshilfe vorgestellt; schließlich soll es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben, sondern die Umsetzung der Menschenrechte in die Praxis folgen. Hier berichtete zunächst Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime (ZdE), über die teils äußerst schwierige Lage säkularer Geflüchteter in Deutschland. Sie betonte die Bedeutsamkeit des Asylrechts für Apostaten aus vorwiegend islamischen Ländern. Dies verband sie mit ihrer eigenen Geschichte als iranische Frauenrechtlerin, deren Mann im Zuge ihres Aktivismus gegen das islamische Regime im Iran hingerichtet wurde, woraufhin sie selbst nach Kurdistan fliehen musste. Nach Jahren des Widerstandes floh sie schließlich über Österreich nach Deutschland. Die heute 62-Jährige kommentierte ihre Jahre nach der Flucht: "Eigentlich habe ich nur [die letzten] 27 Jahre gelebt, der Rest war ein Kampf ums Überleben." Rechte Bewegungen, welche das Asylrecht in Frage stellen, kritisiert sie daher in aller Deutlichkeit. Eines der Ziele der Säkularen Flüchtlingshilfe sei es, das Recht auf Asyl für Apostaten und andere politisch Verfolgte zu verteidigen.

Derzeit fliehen viele Menschen mit einem ähnlichen Schicksal – der politischen und innerfamiliären Verfolgung aufgrund ihres Abfalls vom Islam – nach Deutschland, in der Hoffnung, hier ein Leben unbeeinflusst von Religion führen zu können. Viele Verantwortliche in den Behörden haben wenig Kenntnis über die Folgen für Apostaten aus islamischen Ländern. Seit der Gründung des Zentralrats der Ex-Muslime im Jahr 2010 haben bereits viele Ex-Muslime oder nichtreligiöse Menschen mit seiner Unterstützung Asyl in Deutschland erhalten.

Rana Ahmad ist eine der beschriebenen Geflüchteten. Sie ist 2015 aus Saudi-Arabien nach Deutschland geflohen, nachdem sie sich durch die Lektüre von wissenschaftlichen und philosophisch-aufgeklärten Texten von ihrem Glauben getrennt hat. Über ihre Erfahrungen berichtet sie ausführlich in ihrem Buch "Frauen dürfen hier nicht träumen". Mit ihrem Los der Entrechtung als saudi-arabische Frau und der täglichen Lebensgefahr als aufgeklärte Apostatin wollte sie sich nicht abfinden und nahm ihre Flucht nach Deutschland auf, wo sie hoffte, in dem vermeintlich säkularen Land endlich frei leben zu können. Die Realität sah anders aus: Sie sah sich in Deutschland konfrontiert mit christlichen und muslimischen Organisationen – doch keine einzige atheistische, die sich ihrem Fall hätte annehmen können. Die missliche Lage wurde enorm verschärft dadurch, dass sie nun auch in Deutschland von anderen Geflüchteten aufgrund ihres Unglaubens angegriffen wurde. Ihr wurde der Kontakt zu Mina Ahadi vermittelt, über welche sie an einen sichereren Wohnort als das Flüchtlingsheim gelangte. Nun wollte sie sich selbst engagieren und gründete daher mit ihren Mitstreitern die Säkulare Flüchtlingshilfe. Sie hob die Rolle der Einzelnen hervor, die durch Engagement die Situation einiger Geflüchteter deutlich verbessern können, wie auch ihre verbessert wurde.

Stefan Paintner, Mitgründer der Säkularen Flüchtlingshilfe in Köln, erklärte die Leitidee der Gründung: Einen Ansprechpartner für diejenigen zu schaffen, die sich durch religiöse Organisationen nicht vertreten fühlen. Grundsätzlich sollten diese Menschen bei Behördengängen, Wohnungssuche und anderen Herausforderungen unterstützt werden. Ein Schwerpunkt liegt jedoch maßgeblich darin, den Geflüchteten zunächst Sicherheit bspw. vor anderen Geflüchteten zu gewähren. Nicht zuletzt, so Paintner, biete die Arbeit mit säkularen Geflüchteten die Möglichkeit, die eigenen Werte zu reflektieren, die Rechte des Individuums gegenüber der Gemeinschaft zu stärken und sich somit auch gegen Fremdenfeinde und Nationalisten zu positionieren.

Zuletzt berichtete Carsten Frerk von der Gründung des Berliner Ablegers der Säkularen Flüchtlingshilfe. Da jedes Bundesland eigene Regelungen und Kontaktstellen hat, sind Ortsverbände und eine dezentrale Organisation (unter einem gemeinsamen Dach) der Flüchtlingshilfe unumgänglich. In diesem Sinne wurde der Verein Säkulare Flüchtlingshilfe Berlin gegründet, deren gemeinnütziger Status bereits anerkannt wurde. Der Verein hat einen Bericht erarbeitet, der die Situation für Nichtreligiöse in verschiedenen Ländern dokumentiert. Ein weiterer Flyer richtet sich in neun Sprachen an diejenigen, die von der Säkularen Flüchtlingshilfe Berlin profitieren können. Für jede Sprache ist eine eigene Kontaktadresse eingerichtet, so dass die Betroffenen ohne Sprachhürde an den Verein herantreten können.