Die Journalisten Christian Alt und Christian Schiffer nehmen in ihrem Buch "Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien" die Leser mit auf eine Reise durch gegenwärtige Konspirationsvorstellungen. Dabei sind die Autoren mitunter mehr an der lockeren Schreibe denn der theoretischen Reflexion interessiert, wodurch das Buch an Originalität und Struktur vermissen lässt.
"Nichts ist so, wie es scheint" oder "Irgendjemand hat immer finstere Absichten", das sind Alltagsvarianten vom Stammtisch für Verschwörungsvorstellungen. Das Internet ist voll davon: Die Bundesrepublik Deutschland ist nur eine GmbH, Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel sollen uns alle vergiften, hinter den Anschlägen vom 11. September steckte der Mossad, die meisten Politiker sind in Wahrheit doch Echsen, Lady Di wurde planvoll ermordet, oder die Mondlandung wurde in einem Hollywood-Studio inszeniert. Gefühlt kann eine ansteigende Akzeptanz von Verschwörungsvorstellungen gemutmaßt werden, genauere empirische Studien zur Verbreitung diesbezüglicher Weltbilder gibt es nicht. Gleichwohl ist das Thema bedeutsam genug, um Autoren unterschiedlichster Hintergründe zur Arbeit an Büchern zu motivieren. So erging es auch Christian Alt und Christian Schiffer, die beide u. a. für diverse ARD-Anstalten arbeiten. "Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien" ist der Titel ihres Werkes.
Darin berichten sie von tatsächlichen und theoretischen Reisen in die Welt von Konspirationsanhängern. Am Beginn überlegen die Autoren, sich selbst eine Verschwörungsvorstellung über die Hintergründe der Rauchmelderpflicht auszudenken. Dann berichten sie von ersten Begegnungen über Kontakte im bisherigen Bekanntenkreis. So können sie direkte Gespräche mit den Anhängern derartiger Phantasien führen. Es ist Alt und Schiffer aber durchaus klar, dass sie es nicht mit einem wirklich neuen Phänomen zu tun haben. Daher springen sie in die Geschichte zurück und machen deutlich, dass bereits in der Antike diverse Konspirationsvorstellungen kursierten. Anhand der literarischen wie der tatsächlichen Illuminaten wird auch die Verbreitung der Verschwörungsvorstellungen in der Neuzeit thematisiert. Danach springen sie wieder in die Gegenwart und fragen nach der Relevanz des Internets für die Verbreitung und widmen sich in diese Kontext erstmals einem Thema, dass noch häufiger vorkommen wird: das Phänomen der "Reichsbürger".
Die Gemeinten gehen davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland illegal ist und das Deutsche Reich weiter fortbesteht. Hinter all dem steckt verständlicherweise eine große Verschwörung. Es gibt aber noch, wie aufgezeigt wird, phantastischere Behauptungen wie die aus dem Titel des Buches, wonach Angela Merkel die Tochter von Hitler sei. Psychologische Aspekte derartiger Konspirationsvorstellungen werden danach anhand der Ergebnisse unterschiedlicher Studien vor allem aus den USA thematisiert. Und dann geht es wieder um einfache Anhänger und bekannte Propagandisten, wofür eine Frau, die all ihre Lebensmittel intensiv auf Giftstoffe untersucht, wofür ein Buchautor, der alle Politiker für wahrhaftige Echsen hält, stehen. Zwischen den erwähnten Ausführungen finden sich immer wieder "Die Top 5 der Verschwörungstheorien", wo etwa die Auffassung von der Mondlandung im TV-Studio einer inhaltlichen Kritik unterzogen wird. Dort gibt es auch jeweils detaillierte Einwände gegen die entsprechend kursierenden Konspirationsauffassungen.
Wie lässt sich das Buch in der Gesamtschau einschätzen? Es handelt sich um ein journalistisches, kein wissenschaftliches Werk. Die Autoren fühlen sich häufig mehr einer lockeren Schreibe denn theoretischen Reflexionen verpflichtet. Das liest sich auch einfach und witzig. Analytische Aspekte bleiben dabei häufiger auf der Strecke. Gleichwohl kann man immer wieder diesbezügliche Aussagen lesen wie etwa: "Wie für alle Verschwörungstheorien gilt natürlich auch für die Reichsbürger, dass sie Sinn und Gemeinschaft und Identität schafft" (S. 160). Im Kapitel "Die Psychologie von Verschwörungstheorien" werden noch wichtige Anregungen gegeben. Ansonsten ignoriert man die sonstige Forschung zum Thema. Die gegen Ende präsentierten 23 Regeln gegen den Wahnsinn wirken zwar anregend, aber nicht besonders originell. Und überhaupt präsentiert das Buch letztendlich doch wenig Neues. Es kann als allererster Einstieg ins Thema genutzt werden, eine wirklich umfassende Erörterung ist es nicht.
Christian Alt/Christian Schiffer, "Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien", München 2018 (C. Hanser-Verlag), 285 S. 18 Euro
2 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Letztlich sind doch auch die Religionen nichts anderes als Verschwörungs-Theorien: Ersatz für etwas Unerklärbares, der allerdings jeglicher wissenschaftlicher Forschung und Nachweise entbehrt.
rainerB. am Permanenter Link
Bei den anscheinend vorhandenen Mängeln des Buches stellt sich die Frage, warum es dann hier überhaupt rezensiert wird? Gibt es keine interessanteren Bücher zu besprechen? Wie wär's denn z.B.
Allerdings werden Mausfeld in Michael Butters Index der 'verbotenen' Autoren (Nichts ist, wie es scheint) "verschwörungstheoretische Züge" unterstellt, was natürlich umgehend in Mausfelds Personenartikel auf Wikipedia eingepflegt wurde... So laufen heute rufschädigende Kampagnen ab.
Und mit angebl. Verschwörungstheoretikern wie Mausfeld, Schreyer, Ploppa will der hpd natürlich ungern etwas zu tun haben. Selbst Medien wie telepolis und NachDenkSeiten sind für ihn schon unseriös und tabu. Lieber liest man Oberflächlichkeiten von zwei Journalisten, die nur wiederkäuen, was zig andere schon von sich gegeben haben.
Etwas mehr Mut und weniger Berührungsängste würde der hpd-Redaktion gut tun und wäre ein Gewinn für die Leser.