Rezension

"Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit" – ein Sammelband mit ideologischer Schlagseite

Der von Harald Schulze-Eisentraut und Alexander Ulfig herausgegebene Sammelband "Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Wie die Cancel Culture den Fortschritt bedroht und was wir alle für eine freie Debattenkultur tun können" enthält zahlreiche Texte zum Thema. Darin wird zwar einerseits berechtigt auf Gefahren für die Meinungsfreiheit in universitären Zusammenhängen verwiesen, dies geschieht aber mehrheitlich mit einer besonderen ideologischen Schlagseite, was mitunter zu schiefen Argumentationen und politischen Instrumentalisierungen des Themas führt.

"Die Freiheit der Wissenschaft ist in Gefahr. Es ist nicht der Staat, der sie bedroht, es sind die Akteure des Wissenschaftssystems selbst, die einen schleichenden Aushöhlungsprozess in Gang gesetzt haben." Diese Aussage stammt von Bernd Kempen, dem Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes. Weiter bemerkte er: "Der Deutsche Hochschulverband verzeichnet eine signifikante Häufung von Fällen, in denen sich Wissenschaftler in ihrer Freiheit durch wissenschaftsimmanente Mechanismen oder 'Political Correctness' zunehmend eingeengt fühlen." Doch was ist damit genau gemeint und ist dem tatsächlich so? Antworten auf diese Fragen verspricht ein von Harald Schulze-Eisentraut und Alexander Ulfig herausgegebener Sammelband mit dem Titel: "Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Wie die Cancel Culture den Fortschritt bedroht und was wir alle für eine freie Debattenkultur tun können". Bereits zu Beginn der Besprechung sei darauf hingewiesen: Darin wird eine reale Gefahr angesprochen, diese aber mit ideologischer Schlagseite thematisiert.

Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit

In ihrer Einleitung verweisen die beiden Herausgeber darauf, dass es von kleineren politische Gruppen üble Kampagnen gegen einzelne Professoren gab. Hierbei wurden ihnen häufig Auffassungen unterstellt, welche sie mit diesen Inhalten gar nicht vorgetragen hatten. Derartige Erfahrungen hätten zur Gründung des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit geführt. Ein solches Anliegen, so darf dazu kommentiert werden, ist mehr als nur nachvollziehbar. Allerdings findet sich zu dessen Entwicklung keine nähere Erläuterung, denn mittlerweile haben es einige liberale Wissenschaftler wieder verlassen. Dies hängt mit dem Agieren einer dortigen ebenfalls kleinen Gruppe zusammen, welche die inhaltliche Ausrichtung des Engagements politisch immer weiter nach rechts verschiebt. Und genau dies ist auch das Problem des genannten Sammelbandes. Zu seinen Autoren gehören zwar einzelne liberale oder linke Autoren, dominiert wird er aber von anders ausgerichteten Stellungnahmen und spezifischen Themenwahlen. Zum Inhalt sei hier ein Überblick gegeben:

Ulrike Ackermann steht für die gemeinten Ausnahmen, plädiert sie doch in den dokumentierten Interviewaussagen für aufklärerische Prinzipien, welche kritisch gegen neue Meinungsdogmen gestellt werden sollten. Dann folgen aber Beiträge zur behaupteten Einschränkung von Wissenschaftsfreiheiten, die doch sehr einseitig mediale Aufmerksamkeit und inhaltliche Einwände gegen die eigenen Positionen interpretieren. Diese sind etwa bei Michael Esfeld bezogen auf die Corona-Politik, wobei der Gesichtspunkt des zunächst fehlenden gesicherten Wissens unberücksichtigt blieb. Ähnlich verhält es sich bei den Ausführungen zur Klimapolitik von Fritz Vahrenholt, der pauschal gegenüber dem Forschungskonsens von "unerwünschten Wahrheiten" spricht. Der Beitrag zur Einwanderung von David Engels verfehlt den eigentlichen Kern des Themas. Interessant ist demgegenüber der Aufsatz von Hartmut Krauss, der eine "Kritik des islamophilen 'Antirassismus'"-Diskurses vornimmt, dabei aber mehr auf konkrete Beispiele hätte eingehen können.

Ronald G. Asch thematisiert die Deutung "Eurozentrismus als Ursünde des Westens", argumentiert aber ebenfalls mit dem historischen Blick am eigentlichen Thema vorbei. Ein doch sehr subjektiver Erfahrungsbericht wird von Martin Wagener präsentiert, wobei er inhaltliche Kritik an seinen Positionen schief referiert. Er beklagt auch angebliche "Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit", ohne sich näher mit den genannten Gründen bezüglich seiner Handlungen auseinanderzusetzen. Und dann gibt es noch ein Beispiel zu einem behaupteten "Ausschluss von Wissenschaftlern aus der Wissenschaft" anhand des Forschungsprojekts "Reverse" von Alexander Ulfig, wobei die Frage der Verallgemeinerbarkeit nicht erörtert wird. Josef Christian Aigner liefert noch einen Beitrag, der auf bestimmte Mechanismen beim gemeinten Vorgehen abstellt, etwa bezogen auf "Kleine AktivistInnen-Gruppen als Motor des Geschehens". Bilanzierend lässt sich sagen: Ideologische Schlagseiten entwerten den eigentlich interessanten Sammelband zu einem wichtigen Thema.

P.S.: Die vorstehenden Ausführungen wollen nicht das eigentliche Problem leugnen, denn der Autor der Besprechung musste jüngst Erfahrungen mit den angesprochenen Kampagnen an der Universität Kassel machen. Dort referierte er über die Besonderheiten des Rechtsterrorismus im Rahmen einer Ringvorlesung, wonach es keine kritischen Einwände, sondern nur interessierte Rückfragen gab. Einige selbsternannte "Antifaschisten" stellten danach eine Erklärung ins Internet, worin sie die Ausführungen des Referierenden in nahezu allen Punkten falsch darstellten, um daraus eine Empörung mit Skandalwirkung zu begründen. Offenkundig waren die Autoren der Erklärung anwesend und mussten um die eigene fehlerhafte Darstellung wissen. Eine Diskussion mit dem Referenten scheuten sie aber nach dem Vortrag. Dafür verbreitete man danach aus der Anonymität des Internets die falschen Vorwürfe, verbunden mit Beschwerden über die Einladung des Referenten bei der Universitätsleitung. Dies wäre ein reales Beispiel für beabsichtigte "Cancel Culture".

Harald Schulze-Eisentraut/Alexander Ulfig (Hrsg.): Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Wie die Cancel Culture den Fortschritt bedroht und was wir alle für eine freie Debattenkultur tun können. München 2022, Finanz-Buch Verlag, 265 Seiten

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