Pünktlich zum 8. März entdecken wieder alle ihr Interesse an Frauenrechten, vorzugsweise mit einem Glas Champagner in der Hand. Im Auswärtigen Amt wurde bereits eine Woche zuvor, am 1. März, die Vorstellung der Leitlinien für eine feministische Außenpolitik gefeiert. Die Veranstaltung begann, indem Außenministerin Baerbock nochmal die 3R erläuterte, die als Leitschnur feministischer Außenpolitik gelten: Rechte, Repräsentanz und Ressourcen. Das machte zumindest Hoffnung, dass feministische Außenpolitik sich an der rechtlichen Gleichberechtigung und deren Durchsetzung orientieren soll; bitter nötig angesichts der Situation von Frauen in Iran und Afghanistan.
Tatsächlich erwähnte Frau Baerbock zum Thema Iran dann auch ihren diplomatischen Erfolg bei den Vereinten Nationen. Der UN-Menschenrechtsrat hat auf deutsche Initiative im November 2022 für eine Resolution gegen den Iran gestimmt, laut der die aktuellen Verstöße gegen Menschenrechte untersucht werden sollen. Nachdem das Regime in den Vereinten Nationen häufig ungeschoren davongekommen ist, sogar Teil der UN-Frauenrechtskommission werden konnte, ein Erfolg. Jedoch einer, der den Frauen im Iran in ihrer momentanen Lage nicht hilft. Seit Jahren fordern iranische Frauenrechtlerinnen den Abbruch aller Beziehungen mit dem islamistischen Regime inklusive der Beendigung des Atomdeals, um das Regime zu isolieren. Zu beidem ist die Bundesregierung weiter nicht bereit.
Folgerichtig war zur Podiumsdiskussion nach der einleitenden Rede der Außenministerin nicht eine der vielen iranisch-stämmigen Frauen eingeladen, die wie Mina Ahadi seit Jahrzehnten diese Forderungen an die Bundesregierung stellen, sondern Sanam Naraghi Anderlini. Naraghi ist eine Lobbyistin, die immer wieder Positionen des islamistischen Regimes vertritt. Neben Baerbock sitzend verteidigte Naraghi erneut den Atomdeal, der dem Regime seit 2015 eine erhebliche Erleichterung der Sanktionen verschafft, aber die Urananreicherung keinesfalls gestoppt hat, wie die Internationale Atomenergieagentur am Tag der Leitlinienvorstellung bestätigte. Außerdem wiederholte Naraghi das Regimeargument, dass Sanktionen keinesfalls der Bevölkerung schaden dürften. Absurd angesichts eines Regimes, das sein Einkommen aus Sanktionserleichterung in weltweite Terrorismusförderung investiert hat, während die eigene Bevölkerung oft weder über Wasser noch Elektrizität verfügt, und das nun erneut nicht vor Folter, systematischer sexueller Gewalt, Mord und nach neuesten Berichtgen von der Vergiftung von Schülerinnen zurückschreckt.
Die Einladung einer solchen Lobbyistin ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht von iranischen Dissidentinnen im Westen, sondern sendet auch ein Signal an die Frauen, die im Iran ihr Leben riskieren, um die theokratische Diktatur zu überwinden. Seitdem die kurdische Iranerin Jina Masah Amini im September 2022 an den Folgen der Schläge der Moralpolizei des Regimes starb, beigebracht wegen eines angeblich nicht vorschriftmäßig getragenen Kopftuchs, erschallt im ganzen Land der Schlachtruf der kurdischen Frauenbewegung "Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit". Für ein Regime, dessen Basis die gesetzliche Degradierung von Frauen zu Menschen zweiter Klasse ist, ist dieser Ruf eine echte Bedrohung. Immer mehr Frauen nahmen aus Solidarität mit Jina Mahsa Amini das gesetzlich vorgeschriebene Kopftuch ab, weigerten sich, die Geschlechtertrennung in Schulen und Universitäten einzuhalten. Als Antwort machte das Regime die Körper von Frauen wortwörtlich zum Kriegsschauplatz. Ärzte berichteten, dass Regimeschergen Frauen bewusst in Gesicht und Genitalien schießen, um sie zu entstellen und zu demütigen. Demonstrierende Frauen wurden verschleppt und vergewaltigt. Jetzt nehmen die fundamentalistischen Schergen Bildungseinrichtungen für Mädchen und Frauen ins Visier, über 1.000 Mädchen sollen in verschiedenen Schulen und Studentenwohnheimen vergiftet und mit schweren Symptomen wie Atemnot in Krankenhäuser eingeliefert worden sein. Ein solch flächendeckender Anschlag ist in einem Überwachungsstaat wie dem Iran ohne Mittäterschaft der Regierung schwer vorstellbar, zumal die Mädchen und Studentinnen sich an den Protesten gegen das Regime beteiligt hatten.
Trotz dieser Berichte hat die Außenministerin bisher keine harten Maßnahmen ergriffen. Nach dem Todesurteil über den aus Dubai entführten und seitdem als Geisel gehaltenen Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd ließ die Außenministerin letzte Woche zwei iranische Diplomaten ausweisen, ein übliches Vorgehen. Die wenigen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen beschlossenen zusätzlichen Sanktionen auf EU-Ebene schaden dem Regime kaum. Außenministerin Baerbock setzt sich nach eigenen Worten zwar, wie von Frauenrechtlerinnen gefordert, für die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation ein, lässt aber auf die angeblich fehlende rechtliche Grundlage verweisen. Eine Ausrede, wie die Organisation Stop the Bomb darlegt, die mögliche Grundlagen anführt. Die Revolutionsgarden greifen nicht nur im Ausland Ziele an, sondern betreiben auch die Foltercamps innerhalb des Irans.
Auch in Bezug auf Afghanistan verwies Baerbock in ihrer Leitlinienrede auf einen Sieg, der bei genauerem Hinschauen hohl klingt. So sei erreicht worden, dass weibliche Angestellte von internationalen NGOs wieder die Arbeit aufnehmen können. Das stimmt, nur bleibt der Mehrheit der Afghaninnen die Arbeit verwehrt, wodurch sie nicht selten hungern müssen. Die Taliban haben Frauen in eineinhalb Jahren an der Macht vollständig entrechtet, Vollverschleierung angeordnet, ein Schulverbot für Mädchen, Verbote für Parks, Reiseverbote und nun auch Scheidungen annullieren lassen, so dass Frauen zu ihren gewalttätigen Ehemännern zurückgezwungen werden.
Auf Anfrage bestätigte das Auswärtige Amt, dass keine Sanktionen gegen die Taliban geplant seien, und verweist auf die seit 2011 bestehenden Sanktionen gegen einzelne Mitglieder der Taliban. Im Klartext: Keine Reaktion auf systematische Menschenrechtsverletzungen an Frauen geplant. Stattdessen steht in dem Papier zu feministischer Außenpolitik, dass das Auswärtige Amt 2023 den Aufbau von Frauenhäusern und Schutzhäusern in Afghanistan mit 500.000 Euro finanzieren wird, also die Folgen der Entrechtung gelindert werden sollen, nicht aber gegen die Ursachen vorgegangen wird.
Deutlicher kann das Haus von Frau Baerbock nicht machen, dass der grundsätzliche Wille fehlt, Außenpolitik an Menschenrechte für Frauen zu knüpfen. Oder, wie es in dem Leitlinienpapier unter Punkt 3 Menschenrechtspolitik heißt: "Wir thematisieren aktiv, wo die Rechte von Frauen und marginalisierter Menschen nicht konsequent umgesetzt sind."
Frauenfeindliche Terrorregime nehmen nur diejenigen ernst, die ihnen Schaden zufügen können und zeigen, dass sie im Ernstfall dazu bereit sind. Wenn frauenfeindliche Regime aktiv Frauen morden und vergewaltigen, ist aktives Thematisieren zu wenig. Terrorregime werden Geschlechterapartheid aufrechterhalten, solange sie nicht befürchten müssen, dass ihre Mitglieder Einreiseverbot erhalten, jeder Zahlungsverkehr eingestellt wird, Sanktionen erlassen werden und sämtliche Vereinbarungen aufgekündigt werden, die den Regimen weiter Handel erlauben.
Solange sogar ihre Vertreter in Deutschland bleiben und über das Islamische Zentrum Hamburg ihre frauenfeindliche Ideologie verbreiten dürfen, thematisieren sie sogar mit, unter anderem durch Lobbyistinnen auf der Bühne bei der Vorstellung feministischer Außenpolitik. Zum Abschluss der Veranstaltung gab es übrigens Champagner.
3 Kommentare
Kommentare
Mark am Permanenter Link
"Terrorregime werden Geschlechterapartheid aufrechterhalten, solange sie nicht befürchten müssen, dass ihre Mitglieder Einreiseverbot erhalten, jeder Zahlungsverkehr eingestellt wird, Sanktionen erlassen werden u
Ein sehr unrealistische Forderung, weil eine ganze Reihe von Ländern genauso behandelt werden müssen, Länder wie Saudi-Arabien. Es wird die Länder nicht dazu zwingen ihre Politik zu ändern
A.S. am Permanenter Link
Frau Baerbock scheut den Konflikt mit Religion. Die in Deutschland flächendeckende Indoktrination: "Religion ist gut und darf niemandem genommen werden" funktioniert nach wie vor.
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Was ist gegen Champagner einzuwenden? Auch Frau Baerbock könnte diesen weder im Iran noch in Saudi-Arabien offen genießen; spätestens daran würde sie/man merken, was "religiöser Terror" heißt.