Deutschands Afghanistan-Politik

Wenn aus Verbündeten Flüchtlinge werden

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Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Bundesinnenministerin Faeser die Mittel für Aufnahme- und Resettlementprogramme wie das Bundesaufnahmeprogramm im kommenden Jahr um fast 90 Prozent kürzen will. Damit werden die Menschen aus Afghanistan, die sich gemeinsam mit Deutschland und den westlichen Verbündeten für die Demokratie in Afghanistan eingesetzt hatten, verraten und allein gelassen. Die Bundesregierung hatte versprochen, monatlich bis zu 1.000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen.

Gegen die Pläne der Innenministerin regt sich massiv Widerstand. Wie die Tagesschau meldet, hätten bisher 20.000 Personen aufgenommen werden sollen. "Tatsächlich sind erst 533, also weniger als drei Prozent, nach Deutschland eingereist." Allein das zeugt von einem mehr als mangelhaften Engagement der deutschen Regierung; schließlich hatte sie beim militärischen Einsatz in Afghanistan ("Die Freiheit wird am Hindukusch verteidigt.") sich in großen Maße auf die Hilfe der afghanischen Hilfskräfte verlassen. Und nach dem Abzug allein gelassen.

Mit dem jetzt geplanten Schritt wird der letzte Rest Anstand fallengelassen. Die Säkulare Flüchtlingshilfe sagt zu den Plänen der Bundesregierung: "Wir reagieren mit Sorge auf die drastischen Einsparungen beim Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan und befürchten, dass dieses Programm endgültig eingestellt wird. Das Bundesaufnahmeprogramm stellt für demokratische Afghanen – und insbesondere für atheistische Afghanen – einen immensen Lichtblick dar. Mit der eventuellen Beendigung des Aufnahmeprogramms würde Menschen, die aufgrund ihrer Religionsfreiheit mit dem Tode bedroht werden, die Hoffnung und Chance auf ein friedliches und sicheres Leben genommen werden. Das Vertrauen uns ähnlich gesinnter Afghanen gegenüber Deutschland würde hiermit einen weiteren herben Schlag erleiden."

Das Bundesaufnahmeprogramm ist nach Auffassung der Säkularen Flüchtlingshilfe "eines der wenigen Werkzeuge, mit denen wir genau die Leute retten können, die unsere Werte teilen." Die Rettungsleine für diese Menschen darf "nicht gekappt werden – schließlich haben wir sie ihnen versprochen."

Auch der LSVD fordert die Weiterführung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan durch die Bundesregierung. In einer Presseerklärung heißt es: "Der Haushaltsentwurf sieht vor, den Haushalt des BMI um 400 Millionen Euro zu erhöhen, gleichzeitig aber essentielle Mittel für humanitäre Aufnahmeprogramme zu streichen. Mit den Streichungen würden […] auch explizit im Koalitionsvertrag festgelegte Zusagen untergraben. Diese Streichungen müssen logischerweise auch dazu führen, dass das Programm nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt werden kann und Aufnahmezusagen zurückgenommen werden müssen."

Jörg Hutter vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) sagte: "Der LSVD engagiert sich bereits seit Anfang 2022 sehr stark, um lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche sowie weitere queere (LSBTIQ*) Afghan*innen vor der Verfolgung durch die Taliban zu retten. Das Bundesaufnahmeprogramm darf jetzt nicht enden, sondern muss wie vorgesehen weitergeführt werden!"

Laut LSVD verschlechtert sich die Situation in Islamabad (Pakistan) dramatisch. Aktuell harren dort über 3.700 Personen aus, die sich bereits im Aufnahmeverfahren befinden. Weitere ca. 15.000 Personen hat die Bundesregierung bereits ausgewählt und kontaktiert, viele warten seit Monaten auf Rückmeldung. "Die Menschen in Pakistan und Afghanistan blieben ihrem Schicksal überlassen. Ihnen drohten weitere schwere Menschenrechtsverletzungen wie physische und psychische Gewalt, Folter und im Fall von Pakistan auch Abschiebungen. Insbesondere für die hiervon betroffenen LSBTIQ*-Personen würde dies eine direkte Existenzbedrohung bedeuten, weil die Taliban angekündigt haben, diese Menschen durch Folter, Steinigung oder lebendiges Begraben zu vernichten."

Terre des Femmes (TdF) bezeichnet die Pläne der Bundesinnenministerin als "Ausverkauf von aktiver Menschenrechtspolitik" und fordert gemeinsam mit Kabul Luftbrücke e.V., Pro Asyl, Amnesty Deutschland, terre des hommes und Reporter ohne Grenzen von der Bundesregierung, dass das "Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan" weitergeführt und weiterfinanziert wird.

"Die Fortsetzung des Bundesaufnahmeprogramms (BAP) Afghanistan, mit dem im Oktober 2022 ein komplementärer Fluchtweg für besonders gefährdete AfghanInnen geschaffen wurde, ist in Gefahr" heißt es in einer Pressemitteilung von TdF. "Zu den Zielgruppen des Programms gehören Menschen, insbesondere Mädchen und Frauen, die aufgrund ihres Einsatzes für Frauen-/Menschenrechte, ihrer Tätigkeit, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität und/oder ihrer Religion besonders gefährdet sind."

Gesa Birkmann, Abteilungsleiterin bei Terre des Femmes, fordert: "Kein Ausverkauf von aktiver Menschenrechtspolitik!" und appelliert an die Bundesregierung: "Halten Sie ihr Versprechen! Menschenrechte sind unteilbar. Ihr Schutz ist vorrangig zu berücksichtigen. Das Bundesaufnahmeprogramm ist für viele Mädchen und Frauen in Afghanistan ihre einzige Chance auf ein sicheres Leben, frei von Gewalt. Wir dürfen die Mädchen und Frauen nicht im Stich lassen."

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