Die Corona-Pandemie hat weltweit für einen Rückschritt hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen gesorgt. Frauen sind in der Pandemie stärker benachteiligt und belastet, prekäre Arbeitsbedingungen und klassische Rollenverteilungen haben sich sogar vertieft. Wir müssen hier genau hinsehen und handeln, damit sich diese Rückschritte nicht zementieren und die Geschlechtergerechtigkeit nicht um Jahre zurückgeworfen wird.
2020 wurde in Deutschland als "Gleichstellungsjahr" ausgerufen – dann kam die Corona-Pandemie. Sie hat viele radikale Änderungen in unserer Gesellschaft mit sich gebracht. Einiges davon kann als Chance begriffen werden. Doch gerade dort, wo bereits vor dem Ausbruch der Pandemie Ungleichheit, wo Benachteiligung oder prekäre Bedingungen herrschten, wurde die gesellschaftliche Kluft oft noch größer. "Die Coronakrise wirkt wie ein Brennglas: Sie zeigt, wo gesellschaftliche Probleme tief verankert sind – und sie zeigt uns, wo wir dringend handeln müssen, um dies aufzubrechen", sagt HVD-Bundesvorstand Katrin Raczynski.
Studien zeigen, dass Frauen während des Lockdowns Mehrfachbelastungen wesentlich stärker ausgesetzt waren als Männer: Sie trugen den Großteil der Belastungen im Haushalt, in der Kinderbetreuung, beim Homeschooling – was die psychische Belastung von Frauen steigerte. Mütter schränkten häufig ihre Erwerbsarbeit ein, um diese Mehrfachbelastungen stemmen zu können. Das mindert berufliche Chancen und erhöht das Risiko für Altersarmut. Die Einkommensungleichheit wird so weiter verstärkt. Dies trifft insbesondere zu auf alleinerziehende Mütter. Ihr Anteil an den Alleinerziehenden von etwa 85 Prozent zeigt, dass auch hier die Gesellschaft Lasten überwiegend Frauen aufbürdet.
"Die Krise birgt die Gefahr einer weiteren Verfestigung struktureller Benachteiligungen", erklärt Raczynski. "Es ist wichtig, hier genau hinzusehen und mit konkreten Maßnahmen und Angeboten gegenzusteuern. Und die Politik muss vorbeugend Rahmenbedingungen schaffen, damit in einem Pandemiefall eine eventuell notwendige Kinderbetreuung nicht hauptsächlich zulasten von Frauen geht."
Im Konkreten müssen auch Arbeitgeber besondere familiäre Situationen von Frauen erkennen und in zweierlei Richtungen wirken: Einerseits ist es geboten, Frauen Corona-bedingten Stress zu nehmen, zum Beispiel durch größtmögliche Arbeitszeit-Flexibilisierung und das gemeinsame Suchen nach Lösungen, andererseits könnten sie Frauen dabei unterstützen, bei häuslichen und familiären Arbeiten eine gleichberechtigte Verteilung durchzusetzen.
Auch sollten Arbeitgeber nicht erwarten, dass Männer – zulasten ihrer Partnerinnen – professionell "funktionieren" wie zuvor, denn die Krise verlangt, mehr denn je, Kooperationsbereitschaft – zugunsten einer gerechteren Lastenverteilung.
Die Krise birgt auch Chancen für mehr Geschlechtergerechtigkeit. So verbrachten laut einer Studie Väter insgesamt mehr Zeit mit der Care-Arbeit als vor der Pandemie. Dies reiche jedoch nicht aus, um die Ungleichverteilung aufzuheben, wie Katrin Raczynski betont. "Generell ist nötig, dass Frauen in unserer Gesellschaft, in der Politik und in der Wirtschaft sichtbarer werden. Gleiche Arbeit muss gleich bezahlt werden, klassische Rollenverteilungen müssen aufgebrochen werden."
3 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"damit ... die Geschlechtergerechtigkeit nicht um Jahre zurückgeworfen wird" - gab es sie denn schon zuvor?
Renton am Permanenter Link
Liebe Frauen,
alles Gute zum Weltfrauentag!
Ich wünsche euch zum Weltfrauentag die Einsicht und die Weisheit, zwischen wirklichen und vermeintlichen Problemen zu unterscheiden. Insbesondere wünsche ich euch, dass ihr nicht den Scharlatanen auf den Leim geht, die euch folgendes einreden wollen:
- Dass Frauen in Deutschland nicht gleichberechtigt wären. Sie sind es, haben sogar noch ein paar mehr Rechte als Männer. Wenn euch jemand erzählt, Frauen seien nicht gleichberechtigt, verlangt von ihm, euch auch nur einen Gesetzesparagraphen zu nennen, der Frauen weniger Rechte gewährt als Männern. Er wird keinen nennen können.
- Dass Gleichberechtigung und Gleichstellung dasselbe seien.
- Dass Gleichstellung ein unbedingt erstrebenswertes Ziel sei. Wer darunter gleiche Anteile von Männern und Frauen in Berufen und Positionen versteht, möchte Menschen unabhängig von ihren Interessen und Fähigkeiten in Bereiche drängen, in die sie nicht wollen. Auch Frauen.
- Dass ein Anteil von 85% Alleinerziehenden zeige, dass unsere Gesellschaft in diesem Bereich Lasten überwiegend Frauen aufbürde. Macht euch klar, dass viele dieser Frauen Sieger sind: Sie haben in einem Sorgerechtsprozess das alleinige Sorgerecht erstritten. Nicht die Gesellschaft hat das diesen Frauen aufgebürdet, sie haben es so gewollt. Verlangt von Menschen, die euch anderes erzählen, dass sie ihre Behauptung mit Zahlen belegen sollen: Welcher Anteil an Alleinerziehenden hat die Trennung von ihrem Partner und die Mitnahme der Kinder nicht gewollt? Und inwiefern ist das die Verantwortung der Gesellschaft? (Eine Witwe hat den Tod ihres Partners sicher nicht gewollt, aber die Gesellschaft trägt wohl kaum die Schuld an diesem Tod.)
- Dass klassische Rollenverteilungen aufgebrochen werden müssten. Sie sind es bereits, und ihr seid frei, euch mit eurem Partner auf jede Rollenverteilung zu einigen, die euch beiden behagt. Ob diese Rollenverteilung traditionell oder modern sein soll, entscheidet ihr zwei allein. Lasst euch nicht einreden, dass "modern" gut sei und "traditionell" schlecht. Gut ist, was ihr in gemeinsamer Verantwortung entscheidet.
Nochmal alles Gute!
Gisela Schröder am Permanenter Link
Dieses ewige Gejammer wegen Geschlechterungerechtigkeit geht mir allmählich auf die Nerven.
Aber nicht nur innerhalb der Ehe, sondern auch außerhalb habe ich inzwischen dieselben Rechte und Pflichten wie mein Mann. Ich fühle mich also durchaus völlig gleichberechtigt, und ich bin es in der Tat auch. Und wenn ich nicht unbedingt alle meine Rechte in Anspruch nehme oder nehmen möchte, dann liegt das an meinen persönlichen Entscheidungen und hat nichts mit Geschlechterungerechtigkeit zu tun.
Was ich allerdings völlig irrwitzig finde – zumindest jetzt noch – ist die Forderung nach der Gleichstellung von Mann und Frau. Wenn mein Mann und ich wirklich völlig gleichgestellt gewesen wären, hätten wir damals wählen können, wer von uns die Kinder bekommt und wer sie stillt. Eine solche Wahl ist aber weder heute noch in absehbarer Zeit möglich. Da etliche „Genderforscherinnen“ aber behaupten, dass das Geschlecht eher ein soziales Konstrukt als eine biologische Tatsache ist, wird es ihnen vielleicht auch möglich sein, herauszufinden, wie man die Frauen so züchtet, dass auch sie Kinder zeugen können, und wie man die Männer so züchtet, dass auch sie Kinder bekommen und stillen können. Erst dann macht es Sinn, sich über die Gleichstellung von Mann und Frau zu unterhalten!
Es gibt allerdings ein Gesetz, das Frauen diskriminiert, weil es ihnen das Recht abspricht, eine bestimmte Entscheidung selbstständig zu treffen. Ein solches Gesetz gibt es für Männer nicht, trotzdem hat es nicht direkt etwas mit Gleichberechtigung zu tun. Es handelt sich um die Zwangsberatung, die eine Schwangere vorweisen muss, damit der Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt. Wenn eine Frau vor der Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruchs steht, würde sie sich normalerweise mit ihrem Partner, ihren Familienangehörigen, guten Freunden oder anderen Personen, denen sie vertraut, beraten und dann ihre Entscheidung treffen. Dieses Gesetz zwingt aber alle Frauen, sich von einer ihnen normalerweise unbekannten Institution beraten zu lassen, wobei diese „Beratung“ dem Schutz des „ungeborenen Lebens“ dienen und die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen soll. Die Vorschrift einer Zwangsberatung macht deutlich, dass der Gesetzgeber den Frauen eine selbständige verantwortungsvolle Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch nicht zutraut und damit ihre Würde als Mensch beschneidet.
Andererseits wurde aber vor nicht einmal zehn Jahren ein Gesetz verabschiedet, das ganz eindeutig Männer gegenüber Frauen benachteiligt: Weibliche Genitalbeschneidung ist nach wie vor verboten, aber die Beschneidung des männlichen Kindes wurde erlaubt, wohingegen danach die weibliche Genitalbeschneidung sogar noch explizit als Straftatbestand ausformuliert wurde.
Rentons guten Wünschen für die Frauen zum Weltfrauentag möchte ich mich gern anschließen!