Heute findet in Berlin die Anhörung der von der Bundesregierung eingesetzten "Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" statt. Eine Woche vor der Anhörung entbrannte innerhalb der EKD eine Auseinandersetzung um den christlich gebotenen Schutz des ungeborenen Lebens.
Die neunköpfige Professor*innengruppe, die von der Ampelkoalition zur Prüfung einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs eingesetzt wurde, hat einen nicht öffentlichen Anhörungstermin am 23. November in Berlin anberaumt. Rund 35 Organisationen, darunter der säkulare Humanistische Verband Deutschlands (HVD), der Zentralrat der Konfessionsfreien und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), wurden eingeladen, ihre von der Kommission vorab angefragten Stellungnahmen vertieft darzulegen.
EKD mit intern unabgestimmter Stellungnahme
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich in seiner Stellungnahme für die Kommission vorsichtig einer frauenrechtlich-säkularen Forderung nach Entkriminalisierung von Abbrüchen angenähert: Mit dem Vorschlag einer Streichung des Paragrafen 218 StGB für die ersten zwölf Schwangerschaftswochen mit allerdings bleibender Beratungspflicht. Diese vom Rat der EKD bereits an die Kommission versandte Stellungnahme stieß innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands nun aber auf scharfe Kritik. Die EKD-Synode, die bis zum 15. November tagte, legt nahe, dass dieser neue Kurs einer Liberalisierung möglicherweise kurzfristig korrigiert werden muss. In der dortigen Plenumsdebatte wurde kritisiert, dass der Konflikt zwischen dem biblisch vorgegebenen Schutz des ungeborenen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau vom Rat der EKD "einseitig" zugunsten Letzterem aufgelöst worden sei. Der Vorschlag, den Schwangerschaftsabbruch künftig zu großen Teilen außerhalb des Strafrechts und nach Fristen gestaffelt zu regeln, wurde abgelehnt. Als Problem wurde auch benannt, dass die EKD damit auf dem Feld der Ethik die theologischen Gemeinsamkeiten mit der katholischen Kirche aufgebe.
"Die Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch auf der EKD-Synode zeigt uns einmal mehr, dass humanistische Werte hier Orientierung bieten können", so Erwin Kress, Vorstandssprecher des HVD-Bundesverbandes. "Selbstbestimmung oder Schutzbedürftigkeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir werden uns gegenüber der Kommission dafür einsetzen, dass Schwangerschaftsabbrüche endlich entkriminalisiert und entstigmatisiert werden."
Positionierung des Humanistischen Verbandes Deutschlands
Im Vorfeld der Anhörung wurden spezifische Leitfragen an die Organisationen verschickt. Die Fragen an den Humanistischen Verband Deutschlands beziehen sich auf seine eingereichte Stellungnahme von Oktober 2023 zur möglichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Neben den Erfahrungen des HVD mit den stigmatisierenden Wirkungen des Abtreibungsrechts und mit dem erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung geht es um sein zentrales humanistisches Anliegen. Dazu heißt es in der Stellungnahme des HVD: "Der auferlegte Makel der Rechtswidrigkeit stellt eine moralische Verurteilung des Schwangerschaftsabbruchs dar. Es ist zu befürchten, dass dies zu einer sich weiter verschlechternden Versorgungslage zulasten unerwünscht Schwangerer beiträgt." Alle Bestimmungen, das heißt Fristen-, Beratungs- und Indikationsregelungen, gehören auf den Prüfstand und können – einschließlich der Sanktionen bei Verstößen – "außerhalb des Strafrechts geregelt werden (in einem Sondergesetz, reformierten Schwangerschaftskonfliktgesetz oder ergänzend im Arztrecht)".
Der HVD setzt sich für eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs ein. Damit sei die Rechtssicherheit für Frauen und behandelnde Ärzt*innen zu gewährleisten und dabei auch der Entwicklungstand von Föten bei Spätabbrüchen ab dem fünften Schwangerschaftsmonat zu berücksichtigen. Die Neuregelung soll dem heutigen biomedizinischen Kenntnisstand, dem gesellschaftlichen Wertewandel und dem weltanschaulichen Pluralismus gerecht werden.