Kommentar zur Bundestagswahl 2017

Düstere Aussichten

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Im In- und Ausland wird der Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag mit Sorge verfolgt. Doch was wird sich durch die AfD im Parlament tatsächlich verändern? Und was bedeutet der Einzug der AfD in den Bundestag für die politische Durchsetzung säkularer Themen? Ein Kommentar der stellvertretenden hpd-Chefredakteurin Daniela Wakonigg.

Deutschland hat gewählt. Im Land herrscht Katerstimmung. Vor allem die Sorge darum, welche Folgen der Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Deutschen Bundestags haben wird, beschäftigt jene 87,4% der deutschen Bevölkerung, die die AfD nicht gewählt haben.

Um es klar zu sagen: Von ihrem Programm wird die AfD in der kommenden Legislaturperiode höchstwahrscheinlich nichts umsetzen können, denn konkrete politische Entscheidungen werden von der Regierungsmehrheit beschlossen. Und egal ob diese durch eine noch immer für viele unvorstellbare Jamaika-Koalition zustande kommt oder doch durch eine derzeit von der SPD noch vehement ausgeschlossene Fortsetzung der großen Koalition: Die AfD wird an der Regierung nicht beteiligt sein, sie wird keine Gesetze beschließen und von ihren fragwürdigen Positionen wahrscheinlich nichts durchsetzen können.

Hierin unterscheidet sich die Wahl in Deutschland übrigens von der anstehenden Nationalratswahl im Nachbarland Österreich. Dort spricht einiges dafür, dass die FPÖ - der große Bruder der AfD in Österreich – demnächst das Land mitregieren und dramatisch verändern wird.

Obwohl also durch den Einzug der AfD in den Bundestag in Deutschland kein Rechtsruck bei konkreten politischen Gestaltungen der Gesellschaft zu erwarten ist, wird sich durch die Anwesenheit der AfD im Parlament trotzdem einiges verändern. Worte und Ideen, die noch vor zehn Jahren wie Fremdkörper aus längst vergangen geglaubten Zeiten wirkten, werden demnächst häufiger im Bundestag zu hören sein und auf diese Weise wieder salonfähig. Darüber hinaus werden gewollte und ungewollte Skandale rund um die AfD auch weiterhin auf Medien und Öffentlichkeit einen unwiderstehlichen Reiz ausüben, und sie so von der Beschäftigung mit wirklich wichtigen politischen Themen abhalten.

Insbesondere auf die Durchsetzbarkeit säkularer Positionen wird der Einzug der AfD ins deutsche Parlament voraussichtlich katastrophale Auswirkungen haben. Der mit der Flüchtlingswelle anschwellende und von der AfD geschickt gebündelte und genährte Fremdenhass in der Bevölkerung führte bei den meisten Nicht-AfD-Parteien zu einer Kurzschlussreaktion. Während die AfD Ängste vor allem vor Muslimen schürte und den Islam als rassistisch aufgeladenen Gegensatz zu einem christlichen Abendland mit völkischer Konnotation verstand, läuteten insbesondere bei Vertretern im linken politischen Spektrum die Alarmglocken. Sie reagierten auf den letztlich rassistisch motivierten Islam-Hass der AfD mit extremem Entgegenkommen gegenüber dem Islam und seinen Vertretern. Nicht zuletzt dank der AfD wird so inzwischen jegliche Form der Kritik an religiösen Privilegien für den Islam verdächtigt, rassistisch motiviert zu sein. Selbst wenn diese Kritik sich eindeutig nicht gegen muslimische Menschen richtet, sondern gegen staatliche Privilegien für Religionsgemeinschaften insgesamt.

Säkulare Kräfte, die seit Jahren für einen Abbau religiöser Privilegien seitens des Staates plädieren, sehen sich durch diese Entwicklung mit dem Problem konfrontiert, dass statt eines Abbaus der Privilegien nun parteiübergreifend die Ausweitung religiöser Privilegien auf den Islam und weitere Religionen diskutiert wird. Aufgrund des geschilderten Kurzschluss-Mechanismus ist sogar zu befürchten, dass eine massive Ausweitung religiöser Privilegien vor allem auf muslimische Gemeinschaften in der kommenden Legislaturperiode allein deshalb erfolgen könnte, weil die AfD dagegen ist. – Die Frage, ob eine solche Ausweitung von religiösen Privilegien überhaupt sinnvoll ist in einer Gesellschaft, deren Bevölkerung schon in wenigen Jahren mehrheitlich aus Konfessionsfreien bestehen wird, dürfte im Funkenschlag des Kurzschlusses untergehen.

Was also bleibt angesichts dieser Aussichten zu tun? Vier Jahre lang die Hände in den Schoß legen und frustriert mit dem Kopf schütteln? Oder umso stärker in Aktion treten, um für den Abbau religiöser Privilegien und eine Gleichbehandlung aller Menschen zu kämpfen? Vielleicht lohnt auch in dieser Frage ein Blick über die Grenzen Deutschlands hinweg, zu unseren französischen Nachbarn. Wenn denen an den Entscheidungen ihrer Politiker etwas nicht passt, warten sie nicht bis zur nächsten Wahl, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Sie gehen auf die Straße. Erst jüngst trafen sich Zehntausende, um unter dem spöttischen Motto "Tombe le macaron dans le Rhône, Monsieur Macron commande touron" gegen die Arbeitsmarktreformen von Präsident Macron zu demonstrieren. Nicht in allen Belangen halte ich unsere französischen Nachbarn für nachahmenswert – was ihren Willen zum Protest gegen ungeliebte Politik betrifft, wünschte ich mir dagegen schon, dass man sich hierzulande manchmal eine Scheibe ihrer störrischen Gallier-Mentalität abschneiden würde.