Die Freidenkenden Schweiz machen sich mittels Spots in Bussen und Bahnen für die Erweiterung der Rassismusstrafnorm stark – und zwar dort, wo deren Gegnerschaft besonders stark vertreten ist: in den verhältnismäßig religiös geprägten Regionen der Schweiz. Die Kampagne läuft ab Mittwoch, 29. Januar, im Berner Oberland, im Oberwallis, in Chur, im Entlebuch und im Toggenburg.
Am 9. Februar 2020 entscheiden die Schweizer StimmbürgerInnen, ob die Rassismusstrafnorm neu auch Schutz vor Hass und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung bieten soll. Die Gegner dieser Erweiterung stammen – mit Ausnahme eines kleinen libertären Lagers, das durchaus kohärent argumentiert – mehrheitlich aus religiösen Kreisen. So hat zum Beispiel die EVP Schweiz Stimmfreigabe beschlossen; einzelne EVP-Kantonalparteien, zum Beispiel Bern und Basel-Stadt, empfehlen gar ein Nein. Auch Marian Eleganti, Weihbischof des Bistums Chur, macht sich für ein Nein stark. Und die Stimmenthaltung der Bischofskonferenz zeigt, dass sich religiöse Kreise nach wie vor schwertun damit, homosexuelle Personen als gleichwertig zu behandeln.
Die Kampagne der Freidenkenden Schweiz will deshalb auf den Zusammenhang zwischen religiösem Fundamentalismus und der Diskriminierung von queer lebenden Menschen aufmerksam machen. "Der Widerstand gegen die Erweiterung der Rassismusstrafnorm kommt fast ausschließlich aus dem Umfeld, das sich immer wieder dezidiert homophob positioniert", sagt Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenkenden Schweiz. "Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen und zwar dort, wo die Gegnerschaft besonders stark vertreten ist." Der Spot läuft ab Mittwoch, 29. Januar, in Bussen und Bahnen im Berner Oberland, im Oberwallis, in Chur, im Entlebuch und im Toggenburg und weiteren Regionen der Ostschweiz.
Die Gegner sehen mit der Erweiterung die Meinungsfreiheit gefährdet. Auch die Freidenkerinnen und Freidenker schreiben die Meinungsäußerungsfreiheit groß und sind sich bewusst, dass es gute Argumente für eine grundsätzliche Neuformulierung des Artikel 261 gibt (siehe dazu auch: "Schaffen wir das Blasphemieverbot ab!"). Die zurückhaltende Anwendung des Artikels und vor allem die Tatsache, dass homo- und bisexuelle Menschen sehr realem Hass ausgesetzt sind, sprechen aber klar für die Ausweitung. Die Freidenkenden Schweiz sind aus diesen Gründen im Herbst 2019 dem Abstimmungskomitee "Ja zum Schutz vor Hass" beigetreten.
Die Freidenkenden Schweiz treten ein für eine weltlich-humanistische Ethik, in der die Menschenrechte eine zentrale Rolle einnehmen. Sie engagieren sich für die Anliegen von konfessionsfreien Menschen und vertreten ein wissenschaftlich plausibles Weltbild.
1 Kommentar
Kommentare
Ulf am Permanenter Link
Das ist, wie im Artikel auch kurz, doch leider offensichtlich nur als ein Feigenblatt angerissen, ein sehr ambivalentes Thema.
Es handelt sich hier v.a. erst einmal um den Schweizer Straftatbestand Artikel 261/261bis der rechtlich nicht nur katastrophal formuliert, sondern ohne jedwede Übertreibung, ein meinungseinschränkendes mittelalterliches Blasphemiegesetz ist.
Mit Aufnahme des Glaubens bzw. der Religion in den Text und damit direkter und offensichtlich in Kauf genommener indirekter Untersagung von jeglicher Religionskritik- und ja auch polemik wurde Freidenkertum ad absurdum geführt.
Durch solche Sätze wie
Art. 261
Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott,"..."verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt,
wird mit Geldstrafe bestraft
oder
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer "..." Religion gerichtet sind,
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt(!)
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild(!) Gebärden...oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer "..." Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert
wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft
Zitatende
Dieser unselige Paragraph ist, sagen wir es offen, einer freien Gesellschaft unwürdig. Ein solcher Paragraph gehört nicht ausgeweitet, sondern abgeschafft, mindestens aber schnellstens neu gefasst.
Hass ist nicht justiziabel, er ist juristisch nicht mal greifbar, denn er ist genau wie das Wort Menschenwürde zeigt, beliebig definierbar und wird massiv zum Schutz eigener Ideologien missbraucht und zum Stigmatisieren anderer Meinungen genutzt. Damit macht sich eine Gesellschaft beliebig erpressbar.
Der Hass auf sexuelle Minderheiten ist in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gesellschaftlich schon lange tot und damit jeglicher Wirkmächtigkeit beraubt.
Oder etwa doch nicht? Gibt es etwa wachsende Glaubensgemeinschaften/Religionen die sexuelle Minderheiten tatsächlich bedrohen oder diskriminieren? Dann ist es erst recht Zeit, zur Neuformulierung im genannten Sinne, nicht aber zur Ausweitung.
Viele Grüße