Risiko Waldorfpädagogik: Steiner-Esoterik statt Reformschule

Erziehung auf Basis eines Geistersehers

DIE Waldorfschule gibt es nicht.

Es gibt von Bundesland zu Bundesland, von Stadt zu Stadt und von Schule zu Schule Unterschiede, wenn es um die Frage geht, wie stark ist der Steinersche Geist präsent.

Der Bildungswissenschaftler Prof. Hopmann (Wien) meinte in einem Interview mit dem ehemaligen Waldorflehrer Andreas Lichte: "Im Mittelpunkt steht bei denen der Mensch, wie Rudolf Steiner ihn sieht, also als Reinkarnation, als Mitglied einer Rasse, als Charaktertyp usw. Ziel ist es, den jeweiligen Menschen entsprechend den Steinerschen Lehren zu formen bzw. sein 'Wesen' zu entfalten. So wie bei anderen Sekten verbindet sich damit ein Totalitätsanspruch."

Angesprochen auf die pädagogischen Defizite und die esoterische Grundlage der Waldorfschulen, meint Prof. Hopmann: "Wir leben in einer freien Gesellschaft. Also hat jede/r das Recht, jeden Unfug zu glauben. Nur sollten sich Eltern, die ihr Kind einer Waldorfschule anvertrauen, darüber im klaren sein, dass sie dann einer Pädagogik vertrauen, die ein heilloses Gebräu esoterischer Glaubenssätze über Drüsen, Zahnentwicklung, astrologische Einflüsse und ähnliches ist, das von der modernen Kinderpsychologie und der aktuellen Lehr-Lern-Forschung durchweg als durch nichts begründbarer Unsinn abgelehnt wird. Entschiedene Waldorfianer wird das nicht anfechten: Wie alle Sekten sind sie gegen widersprechende Wissenschaft immun."

Empirische Forschung zu Waldorfschulen kommt nahezu ausschließlich von bekennenden Waldorfianern. Eine wirklich unabhängige Untersuchung der pädagogischen Praxis lassen die Waldorfschulen nicht zu.

Waldorfschulen werben mit dem Slogan "Erziehung zur Freiheit", zur Kreativität. Das wird jedoch maßlos überschätzt. Schüler unterliegen logischerweise vielen Einflüssen, nicht nur denen der Schule. Und welche Freiheit soll gemeint sein? Eine pädagogische Philosophie, deren Erfinder eine autoritäre Geisteshaltung einnahm und eine naturalistische Schrumpfästhetik bevorzugte mag bei Einzelnen geholfen haben, eigene Ideen zu entwickeln. Mehr als Anekdoten über spätere Karrieren von Waldorfschülern gibt es nicht. Zu diesem und anderen Versprechen der Waldorfianer existieren keine unabhängigen Längsschnittuntersuchungen, die in Relation zu staatlichen Regelschulen die so vollmundigen Selbstbeschreibungen bestätigen könnten.

Besondere Merkmale des Waldorfschulbetriebs:

Es gibt keine Schulbücher. Alles wird in Epochenheften festgehalten. Diese entstehen im Epochen-Unterricht in den Klassen 1 bis 8, jeden Morgen in den ersten beiden Schulstunden. Mal geht es ein bis zwei Monate nur um Geschichte, dann um eine Fremdsprache etc. Alle diese Fächer werden von einer Person unterrichtet.

Welche Absicht, welche Idee steckt dahinter?

Die Kinder "können sich leichter mit ganzem Herzen auf die anthroposophischen Lehrinhalte einlassen, wenn sie nicht von anderen Fächern immer wieder herausgerissen werden. Das Sich-Einleben wird ihnen im Ganzen leichter gemacht. (…) Gegen Ende des Jahres wird das Gelernte (…) in Form von Rezitationen aufgefrischt.

Zwei Stunden lang Epochenunterricht. Das heißt: Der Unterricht beginnt mit einem gemeinsamen Morgenspruch; mit einer gesammelten Andachtsstimmung. Abschließend wird ein Lied gesungen, werden Sprachübungen gemacht, sagen einzelne Schüler ihre Zeugnissprüche auf. Nach diesem geistdurchdrungenen gemeinschaftlichen Abschnitt beginnt die Wiederholung von dem, was am vorausgegangen Tag dargestellt worden ist. (…)

Daraufhin folgt die Darstellung des neu zu erlernenden Stoffs. Der Lehrer bemüht sich um lebendiges, plastisch-anschauliches Erzählen, die Haltung der Schüler bleibt rezeptiv. Er ist der Dirigent der Klasse, sie schwingen mit. Die 'Phase der Eigentätigkeit' schließt den Epochenunterricht ab; es wird gemalt, gespielt, gesungen." (Charlotte Rudolph, Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung)

In den Epochenheften für Geschichte in Klasse 6 zum Beispiel findet man dann ein unentwirrbares Netz von Sagen und realen Vorgängen. "Der Unterschied zwischen beiden wird den Schülern zunächst bewusst verschwiegen. Gerade im Anblick der schon drohend aufziehenden 'Animalisierung' und 'Sexualisierung' muss prophylaktisch darauf geachtet werden, dass die tiefdringenden religiösen Impulse charakterstärkend (oder auch charakterspaltend?!) wirken." (Christine Rudolf: Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung)

Die Lernformen setzen in fast allen Fächern auf Wiederholungen, auf Rituale, Rhythmen und Musik. Eine Unterrichtsstunde wird wie ein Kunstwerk zelebriert. Die meisten Waldorfschüler sind in diesen ersten 8 Schuljahren begeistert von ihrer Schule. Kein Sitzenbleiben, keine Noten, kaum Hausaufgaben, die immer gleichen Klassenkameraden als "Schicksalsgemeinschaft". Meistens ein sehr schönes und gediegenes Ambiente und viele Schulfeste. Welchem Kind würde das nicht gefallen? Sie fragen aber (noch) nicht: Was kann ich später damit anfangen?

"Die Waldorferziehung besteht nicht aus einzelnen erzieherischen Akten, auch nicht in der Vermittlung von Wissen, sondern im Grunde ist sie eine subtile und umfassende Seelentherapie. (…) In der phantastischen Waldorfwelt leben Gespenster, die gespenstische Wirkungen erzeugen; Unwirkliches erwacht zum Leben, und Lebendiges wird auf liebevollste Weise versteinert." (Christine Rudolf: Waldorf-Erziehung. Wege zur Versteinerung, S. 14)

Waldorfschüler werden zur Autoritätshörigkeit erzogen.

"Wir tun etwas Gutes, wenn wir heranziehen solche Kinder, die nicht im neunten, zehnten Jahre alles schon selber wissen wollen, sondern die, wenn man sie fragt: Warum ist diese oder jenes richtig oder gut? – dann sagen: Weil der Vater, weil die Mutter es gesagt hat (…) wenn wir also herbeiführen, etwa einen solchen Zustand, dass schon gerade in dieser Zeit die Kinder anfangen, diejenigen, die selbstverständliche Autoritäten sind, zu kritisieren, wenn wir das nicht vermeiden, dass diese Kritik eintritt, so tun wir unter allen Umständen etwas Schlimmes für den heranwachsenden Menschen." (Steiner: Elemente der Erziehungskunst) Von freier Identitätsbildung in freien Schulen ist doch bei Waldörflern immer die Rede. Haben wir uns da verhört?

Der Lehrplan der Waldorfschulen, der weder auf Themen noch auf Lernziele fixiert ist und eher ein Sammelsurium von Möglichkeiten mit typisch anthroposophischen Stichworten darstellt, überlässt dem einzelnen Lehrer jede Menge Spielraum, den Unterrichtsablauf eigenwillig und seiner Gesinnung gemäß zu bestimmen.

Steiner: "Das Lesen im Wesen des Kindes ersetzt das Lesen eines Lehrplans."

Folge: Kein Unterricht wird wie der andere sein, selbst an ein und derselben Schule nicht. Da eine Klasse acht lange Jahre von derselben Lehrkraft, einer Art Generalist, unterrichtet wird, erfahren SchülerInnen eine starke Fixierung, aus der eine bedenkliche Abhängigkeit entstehen kann. Unkritische "Nachfolge" ist hier das von Steiner geprägte und dominierende Leitbild.

Steiner: "Als Erkennender ist der Lehrer in der Lage, das jeweils Richtige an das Kind heranzubringen." Ferner soll er ein Vermittler zwischen der göttlichen Weltordnung und dem Kind sein, ein Erzieher und Bildner des zukünftigen menschlichen Seeleninhalts, der die geistigen Kräfte entwickelt und heraufholen soll. In den Kindern habe man die Nachwirkungen der geistigen Welt vor sich, ein göttliches Rätsel, das mit der Erziehungskunst gelöst werden soll.

Der Lehrer muss sich also Klarheit darüber verschaffen, was das Kind vor der Geburt erlebt hat und was es in das gegenwärtige Leben "hineinträgt". So enthält zum Beispiel die Art, wie das Kind mit den Füßen auftritt, Hinweise auf frühere Leben.

"Unsere eigene nächste Inkarnation als Erzieher redet mit den früheren Inkarnationen des Zöglings." (Steiner: Kunst im Lichte der Mysterienweisheit. Vortrag) Der Lehrer soll folglich die "karmischen" Fäden der Kinder, also Elemente früherer Leben suchen, um daran anzuknüpfen und die Schüler so auf eine besser Wiedergeburt vorzubereiten?

So besteht die Gefahr, dass der Unterricht doch zu einer Vermittlung anthroposophischer Weltanschauung werden kann. Die esoterisch-okkulte Ideologie wird nicht gelehrt, aber angewendet. Anthroposophie steht zwar nirgends drauf, ist aber überall drin. Die Lehrer lassen Steiners Weltanschauung still und heimlich in ihre Arbeit einfließen, in ihre Wahrnehmung der Kinder, in ihre Auswahl der Unterrichtsinhalte. "Ähnlich wie auch bei anderen Sekten ist das ein schleichendes Gift, dessen Wirkung man oft erst merkt, wenn es fast zu spät ist." (Prof. Hopmann) Für Uneingeweihte bleibt die Waldorfpädagogik eine Black Box.

Es darf hier nicht vergessen werden, auch noch ein paar Worte über Waldorfkindergärten zu verlieren. Allein in Deutschland gibt es davon über 560. Vor kurzem bekannte eine Mutter mit einem Kind in einer Waldorf-Kita in einem Zeit-Online-Artikel (30.3.19) mit der Überschrift "Ich sage: 'Waldorf heißt, sein Weltbild zu verschließen'", die "fluffige Wohlfühlpädagogik mit Liebe zum Vollkornbrot" sei "patriarchalisch und rückwärtsgewandt". Und sie erklärt, warum sie unter Pseudonym schreiben müsse: Andere, mit ihr befreundete Mütter seien derart Steiner-gläubig, dass sie kein Wort mehr mit ihr sprechen würden.

Der spezielle Waldorf-Sprech klinge in ihren Ohren so, als hätte sich ein Marketingteam zusammengesetzt, um zu überlegen, wie man schlichteste Dinge irgendwie bedeutsam ausdrückt. Erzieherinnen würden sich wie eine "mahnende Instanz" gebärden.

Ferner fiele auf, "wie stark das Drinnen-draußen-Denken eine so schlichte Einrichtung wie eine Kita prägt – wer und was darf rein, wer oder was muss draußen bleiben? Draußen ist Glubschi, Filzstifte, Peppa Wutz und überhaupt Fernsehen, Matchboxautos, Faschingskostüme ... Drinnen ist Holzspielzeug, Gerstenschrotbrei mit Apfelmus und zartrosa Wände, die das Kind an seinen Aufenthalt im Mutterbauch erinnern sollen. (…) Natürlich muss man Kinder behüten (…). Aber wenn man annimmt, die Wirklichkeit sei zu schlecht für das eigene Kind, nämlich kalt, giftig, laut und gefährlich – warum entscheidet man sich für Rückzug und nicht dafür, die Wirklichkeit zu verändern?"

Als einzige reformpädagogische Bewegung hat die Waldorfpädagogik eine eigenständige Lehrerausbildung entwickelt. Die okkult-esoterische Anthroposophie Rudolf Steiners spielt dabei eine dominante Rolle. "Rudolf Steiner spricht davon, dass es in der Freien Waldorfschule um die Erweckung des Lehrers zu einer höheren Realität geht, die ihm als Kind verleiblicht entgegentritt. Erst in diesem Erwachen kann er seine Aufgabe als Pädagoge überhaupt ins Auge fassen." (Rüdiger Blankertz: Kreuzzug im Klassenzimmer?)

Das Kultusministerium von Baden-Württemberg erklärt, dass die Ausbildung von Lehrkräften an den für die Waldorfpädagogik eigens eingerichteten Freien Hochschulen nicht ihrer Aufsicht unterliege. Diese sind aber vom Wissenschaftsministerium anerkannt.

Da aber die Waldorfschulen eine "eigene Personalhoheit" hätten, nimmt die Schulaufsicht keine Lehrerzulassung oder Lehrerzuweisung vor, denn das "andersartige pädagogische Konzept" erfordere eine "anderer Vorbildung", weshalb die Freien Hochschulen für Waldorfpädagogik eigene Ausbildungseinrichtungen hätten. Gleichzeitig wird aber festgestellt, dass die Abschlüsse an den diesen Hochschulen für den öffentlichen Schuldienst nicht anerkannt werden. Die dort angebotenen Studiengänge sowie die Aufnahmevoraussetzungen differieren zur Ausbildung von Lehrkräften an staatlichen Schulen allerdings auch erheblich.

Strenggenommen muss in diesem Zusammenhang von einem Verfassungsbruch gesprochen erden. In Art. 7 GG heißt es bezüglich der Genehmigung von privaten Schulen, dass sie in "ihren Lernzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen" dürfen. Im Fall der Waldorfschulen werden diese Anforderungen unterlaufen, denn Steiners Esoterik spricht jeder Wissenschaftlichkeit Hohn.

Vor diesem Hintergrund ist es doch recht alarmierend, dass es in Hamburg-Wilhelmsburg ab 2014 zu einem Versuchsprojekt kam: Dort wurde die erste staatliche Schule mit Elementen der Waldorfpädagogik eröffnet. Nach jahrelangen heftigen Streitereien zwischen gelernten Waldorfpädagogen und "Normal"-Pädagogen hat der "Verein für interkulturelle Waldorfpädagogik" die Zusammenarbeit beendet. Zu wenig Waldorf sei entstanden. Von zurückhaltender Bescheidenheit also keine Spur.

Und mit dem Düsseldorfer Karnevalswagenbauer Jacques Tilly möchte man allen Steiner-Fans zurufen: "Ich glaube, dass wir Menschen alle gleichermaßen von der Wahrheit abgeschnitten sind. Niemandem, wirklich niemandem gestehe ich die Möglichkeit zu, dass er einen privilegierten Zugang zu den letzten Dingen hat – auch wenn sich das einige selbsternannte Propheten einbilden und anderen Menschen erfolgreich suggerieren können, ganz gleich, ob sie nun Buddha, Jesus, Mohammed oder Ron Hubbard heißen." – Oder Rudolf Steiner!

Der Artikel erschien zuerst in der "Humanistischen Rundschau".
Der Autor hat zudem 3 Sendungen zur Anthroposophie etc. beim Freien Radio für Stuttgart produziert. Sie können in bebilderter Form auf dem YouTube-Kanal der Regionalgruppe gbs-Stuttgart nachgehört werden.